Der Mann ist ein Multitalent: WLADIMIR KLITSCHKO ist Boxweltmeister, studierter Sportwissenschaftler und seit Neuestem Musical-Produzent. Ein Gespräch über saubere Energien, saubere Bilanzen und große Liebesgeschichten.
WLADIMIR KLITSCHKO, 36, gewann 58 seiner 61 Profikämpfen durch K. o. Er begann mit 14 Jahren mit dem Boxen. Als Amateur gewann er 134 Kämpfe, bei sechs Niederlagen. Sein größter Erfolg: der Gewinn der Goldmedaille 1996 in Atlanta. Im gleichen Jahr wechselte er ins Profilager. Derzeit trägt Wladimir Klitschko die WM-Gürtel von IBF, WBO, WBA und IBO. Er studierte Sportwissenschaften und Philosophie. 2001 promovierte er zum Sportwissenschaftler.
club!: Herr Klitschko, Sie leben seit vielen Jahren in Hamburg. Wissen Sie eigentlich, dass Sie in der heimlichen Hauptstadt der erneuerbaren und sauberen Energie leben?
Wladimir Klitschko: Ich weiß, dass es in Hamburg viele Unternehmen gibt, die sich mit diesem Thema beschäftigen. Es ist vernünftig, zur Energiegewinnung zukünftig auch auf die Solartechnik oder auf Windkraftanlagen zu setzen.
club!: Spielt das Thema alternative und erneuerbare Energie für Sie eine Rolle?
Klitschko: Natürlich. Es gibt viele Risiken, mit denen wir in der Welt leben. Vor allem die Atomenergie ist ein wichtiges Thema für mich. Ich kann mich sehr gut an das Unglück in Tschernobyl erinnern. Unter den Spätfolgen der Katastrophe, die durch menschliche Fehler entstanden ist, müssen immer noch viele Menschen leiden. Aber es spielt eigentlich keine Rolle, wie es passiert. Solch ein Unglück kann immer wieder geschehen, wie zum Beispiel im vergangenen Jahr in Japan. Deshalb ist die alternative Energiegewinnung für unsere Zukunft wichtig.
club!: Dann ist der konsequente Ausstieg aus der Atomkraft in Deutschland und die Wendung zur alternativen Energiegewinnung aus Ihrer Sicht die richtige Entscheidung?
Klitschko: Das finde ich schon. Ich glaube, dass Deutschland mit dem Ausstieg aus der Atomenergie auch ein gutes Beispiel für andere Nationen gibt. Es ist nicht einfach, einen Ausstieg aus der Kernenergie durchzusetzen und ich verstehe auch, dass solch eine Entscheidung zu wirtschaftlichen Konsequenzen führt. Aber in der Zukunft auf alternative Energien zu setzen, ist definitiv der richtige Weg. Ich möchte nicht, dass die Familien in dieser Welt noch einmal erleben, was man in Tschernobyl erleben musste.
club!: Gibt es eine Energieform, die Sie bevorzugen?
Klitschko: Ich bin ein großer Fan der Gasenergie. Sie ist eine der saubersten Energieressourcen, auch beim Verbrauch. Das wäre das Beste, was ich mir vorstellen könnte.
club!: Hier im Norden entstehen immer mehr Windkraftparks. Auch in und um Hamburg sind bereits einige Windräder zu sehen. Was halten Sie von der Energiegewinnung durch Wind?
Klitschko: Es ist grundsätzlich eine hervorragende Sache, dass man zunehmend mit Hilfe der Natur Strom gewinnt. Aber ich kann auch kritische Stimmen verstehen, die sagen, dass das Landschaftsbild unter den vielen Windrädern leidet.
club!: Ihr Bruder verbringt sehr viel Zeit in Kiew. Wie eng ist Ihr Kontakt zur alten Heimat?
Klitschko: Ich komme aus der Ukraine. Im Herzen und mit der Seele bin ich Ukrainer, aber ich denke wie ein Deutscher. Durch die vielen Jahre, die wir in Deutschland verbracht haben, hat sich unser Denken über die Ukraine verändert. Mit Demokratie kann man auch in unserer Heimat viel bewegen, aber nicht mit einer Diktatur, wie man das derzeitige politische System eher bezeichnen muss.
club!: Würden Sie Hamburg auch als Heimat bezeichnen?
Klitschko: Ich wohne hier und fühle mich sehr wohl. Ich bin ein Hamburger. Das ist meine zweite Heimat. Ich glaube, dass die Leute auch akzeptieren, dass bei unseren Kämpfen die ukrainische Nationalhymne gespielt wird. Wir sind den Menschen für diese Akzeptanz in Deutschland dankbar. Ich denke, es ist nicht wichtig, aus welchem Land man kommt oder welche Nationalität man hat, sondern es zählen die Gedanken und das Engagement für die Gesellschaft.
club!: Werden Sie irgendwann wieder in die Ukraine zurückgehen?
Klitschko: Wir sind 1996 durch unseren damaligen Promoter nach Deutschland gekommen. Unsere sportliche Karriere hat hier begonnen. Wir sind wirklich glücklich darüber, dass wir in Deutschland ein zweites Zuhause gefunden haben. Wir wohnen in beiden Ländern und sind in den vergangenen 16 Jahren zwischen Hamburg und Kiew gependelt. Ich besitze zwar einen ukrainischen Pass, aber ich fühle mich in Deutschland genauso zu Hause.
club!: Wir haben über Energie gesprochen. Das Thema spielt auch im Boxen eine wesentliche Rolle. Wenn Sie Ihren Gegner mit den Fäusten treffen, entlädt sich in kürzester Zeit eine Menge Power. Wie erleben Sie das?
Klitschko: Ich möchte den Ring niemals als Verlierer verlassen. Das ist meine Motivation und damit baue ich meine Energie für den Kampf auf. Wenn ich dem Gegner gegenüberstehe, wird mein Ego gereizt und mein Körper produziert die Energie, die ich für die zwölf Runden im Ring brauche. Ich glaube, das ist vor allem beim Schwergewicht zu spüren.
club!: Sie sind der beste Boxer der Welt und langsam gehen Ihnen die Gegner aus. Gibt es überhaupt noch sportliche Herausforderungen für Sie?
Klitschko: Ich habe vor, mich immer weiter zu verbessern. Ich will noch besser boxen, damit meine Gegner gar keine Chance mehr haben. Mein Ziel ist es, nicht getroffen zu werden und am Ende den Gegner komplett zu beherrschen und auszuknocken.
club!: Kostet es mit zunehmendem Alter mehr Energie, so viel und hart zu trainieren, um ganz oben zu bleiben?
Klitschko: Es kostet nicht mehr Kraft, aber man muss effizienter arbeiten.
club!: Gibt es den perfekten Moment für einen Boxer, aus dem Ring zu steigen?
Klitschko: Ich hoffe, dass ich für mich den perfekten Zeitpunkt erwische, und dass es nicht umgekehrt ist und der Zeitpunkt mich erwischt.
club!: Machen Sie sich Gedanken über die Zeit nach der Boxkarriere?
Klitschko: Ich weiß, dass ich nicht mehr der Jüngste bin. Und es wird irgendwann der Zeitpunkt kommen, „Tschüss“ zu sagen. Ich bin mir immer bewusst gewesen, dass man sich parallel etwas aufbauen muss. Seit einigen Jahren engagiere ich mich mit meinem Bruder für junge Menschen. Wir haben mit der KMG unsere eigene Management- und Marketingagentur. Seit einigen Jahren engagiere ich mich zudem mit meinem Bruder für junge Menschen. Die Arbeit mach richtig Spaß. Wir machen mit unserer Stiftung in jedem Jahr ein Sommercamp für Jugendliche. In diesem Jahr sind es 180 Kinder, die wir aus über 1000 Bewerbungen ausgesucht haben. In dem Projekt geht es um Bildung und Sport für die Jugendlichen. Ausgebildete Pädagogen begleiten das Projekt, bei dem die Kinder viel lernen können.
club!: Sie sind Doktor der Sportwissenschaften. Werden Sie Ihr Wissen und Ihre Erfahrung an andere Boxer weitergeben?
Klitschko: Ich denke, das liegt auf der Hand. Unsere Agentur hat einige Boxer unter Vertrag. Wir haben viel Erfahrung in unserem Beruf gesammelt und können den Talenten helfen, sich zu entwickeln.
club!: Können Sie sich vorstellen, wie Ihr Bruder Vitali in die Politik zu gehen?
Klitschko: Nein. Ich unterstütze meinen Bruder und seine Visionen. Ich habe überhaupt keinen Zweifel an seinem Tun oder daran, dass er das Richtige macht. Er ist auf dem richtigen Weg. Aber Fakt ist, dass das politische Arbeiten in der Ukraine nicht leicht ist. Ich persönlich engagiere mich nicht als Funktionär. Natürlich werde ich Vitali im Wahlkampf unterstützen und ihm helfen. Das haben wir schon bei der „Orangenen Revolution“ gemacht. Ich habe damals auch nicht politisch gearbeitet, aber ich habe meine Meinung gesagt. Ich engagiere mich in der Politik, aber ich bin kein Politiker.
club!: Vielleicht bahnt sich eine Zukunft im künstlerischen Bereich an? Sie sind seit Neuestem Co-Produzent eines Musicals.
Klitschko: Die Anfrage, ob wir daran interessiert sind, bei dem Musical „Rocky“ mitzumachen, kam vor etwa drei Jahren. Der Boxweltmeister und Rocky – das passt wie die Faust aufs Auge. Die Veranstalter von Stage Entertainment sind ebensolche Profi s wie wir. Und sie haben mit unserer Hilfe Sylvester Stallone, der Rocky geschrieben hat und die Rechte daran besitzt, dazugeholt. Ich war sofort begeistert von dem Projekt. Ich kenne Sylvester Stallone bereits seit einigen Jahren aus Los Angeles. Ich habe ihn dort getroffen und ihm das Projekt vorgestellt.
club!: Wie hat Sylvester Stallone reagiert?
Klitschko: Er war begeistert und sehr interessiert. Er wollte Rocky schon immer auf die Bühne bringen. Die Filme waren für ihn nicht das Ende von Rocky, sondern ein Musical war für ihn der nächste, logische Schritt. Nach einer Stunde war alles klar und er sagte: „Okay, lasst es uns machen.“ club!: Was ist Ihre Aufgabe als Berater und Co-Produzent von Rocky?
Klitschko: Wir sollen dabei helfen, dass das Musical authentisch ist. Rocky muss sich als Boxer fühlen, wenn er trainiert und zum Schluss in den Ring steigt. Rocky ist nicht nur eine ausgedachte Geschichte, sondern er hat auch eine Verbindung zum realen Leben geben.
club!: Und wie viel echtes Boxerleben steckt in Rocky?
Klitschko: Sehr viel. Aber es geht bei der Geschichte nicht nur ums Boxen. Es ist vor allem eine Liebesgeschichte zwischen Adrian und Rocky. Alles was Rocky in seinem Leben getan hat, war für seine Freundin Adrian. Aber Rockys Karriere ist durchaus mit der eines richtigen Boxers zu vergleichen. Ich habe das selbst erlebt. Ich war auch am Boden. Aber in dem Moment muss man die Kraft haben, aufzustehen und sich durchzukämpfen, damit man am Ende als Sieger dasteht. Solche Situationen hat jeder Mensch im Leben durchzumachen. Eigentlich ist Rocky ein normaler Mensch, einer aus dem Volk. Rocky steckt in uns allen drin.
club!: Je näher der erste Gong beim Boxkampf kommt, desto höher ist die Anspannung. Ist das bei der Premiere „Ihres“ Musical genau so?
Klitschko: Definitiv. Ich möchte versuchen, es zu erklären. Ich war vor meinen ersten WM-Kämpfen viel unruhiger, weil ich nicht genau wusste, ob ich alles getan habe, um den Kampf zu gewinnen. Es gab viele Fragezeichen. Das waren ungewisse Momente, und ich habe fast ein bisschen an mir selbst gezweifelt. Mit der Zeit und den Erfolgen hat sich das geändert. Heute weiß ich genau, dass ich hundertprozentig vorbereitet bin. Ich bin mir ganz sicher, dass ich den Kampf gewinnen werde, selbst wenn der Gegner gut drauf ist. Wenn man gut vorbereitet ist, hat man keine Zweifel. Das Gleiche gilt beim Musical. Ja, die Premiere wird schon bald sein. Ja, es steht auch mit meinem Namen in Verbindung. Aber das Dreiergespann mit Stallone, Stage und Klitschko steht für Professionalität. Deshalb bin ich vom ersten Tag an davon überzeugt, dass es eine erfolgreiche Geschichte wird.
Text: Achim Schneider Fotos: Oliver Hardt