Er hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten das Bild der Hansestadt mit spektakulären Bauten geprägt: Das club!-Magazin sprach mit dem Architekten und Designer HADI TEHERAN über Projekte, Pläne, das Bauen in Hamburg und das Gesicht der Stadt.

club!: Herr Teherani, Hamburg baut, Kräne bestimmen die Stadtsilhouette. Welches ist das bedeutendste Projekt für die Metropole?
Hadi Teherani: Ohne Zweifel die Hafencity und die Elbphilharmonie, wenn sie denn einmal fertig wird. Dieses Projekt hat immense Bedeutung. Es ist die allergrößte Chance der Hamburger, sich mit Architektur auf dem internationalen Parkett zu profilieren. Auf dieser Bühne war die Stadt bislang zu wenig präsent.

club!: Und wo sehen Sie bislang die planerisch verpassten Chancen?
Teherani: In dem Lighthouse, dem Hochhaus, das wir für die Hafencity vorgeschlagen haben, und in der Living Bridge zwischen Hafencity und Kleinem Grasbrook. Ganz besonders in der Living Bridge. Denn sie ist ein Beispiel für einen neuen Gebäudetyp, der international auf Interesse stößt, und es passt für Hamburg, das durch Brücken geprägt ist und wo die Menschen am Wasser leben. Das wäre ein starker Akzent, so stark wie die Elbphilharmonie, ein Projekt, auf das die Welt wartet.

club!: Das aber in den Schubladen der Behörden verstaubt?
Teherani: Ich hoffe, dass wir das Projekt noch realisieren können. Tatsächlich ist es nicht nur ein spektakuläres Bauvorhaben, sondern auch die einmalige Chance, die Hafencity mit der Elbinsel Wilhelmsburg zu verbinden und damit den Sprung über die Elbe in Architektur umzusetzen – und zudem noch neuen Wohnraum zu schaffen, und das in spektakulärer Lage. Laut aktueller Planung benötigen wir Jahr für Jahr 6000 bis 8000 neue Wohnungen in Hamburg, mit der Brücke würden wir 1000 Einheiten bauen.

club!: Was glauben Sie, weshalb sind die Planungen versandet – hat die Hamburger in Sachen Architektur einmal mehr der Mut verlassen?
Teherani: Darüber kann man nur spekulieren. Bei den Koalitionsvereinbarungen der letzten Rathausregierungen war die Brücke noch ein Thema. Vielleicht sind es die Schwierigkeiten mit der Elbphilharmonie, die die Verantwortlichen jetzt vor einer Entscheidung zurückschrecken lassen.

club!: Wo liegen die nächsten Herausforderungen und Chancen in der Hafencity?
Teherani: Eindeutig am Grasbrookhafen. Hier besteht noch einmal die Chance, Akzente zu setzen.

club!: Und wo sehen Sie gegenwärtig städtebaulich die größten Defizite in der Hansestadt?
Teherani: An den Einfahrtstraßen. Repräsentativ ist etwas anderes. Die einzige repräsentative Einfahrtstraße ist die Elbchaussee. Ich hatte vor einigen Jahren ein Angebot für ein sehr schönes Grundstück in Bergedorf – das ich abgelehnt habe, weil mir die Vorstellung, jeden Tag über die B5 in die Stadt fahren zu müssen, nicht gefiel. Auf dem Weg von Süden in die Stadt haben am Heidenkampsweg wenigstens die Bauten Akzente gesetzt, die der Investor Dieter Becken in Auftrag gegeben hat.

club!: Also muss auch hier noch nachgebessert werden?
Teherani: Unbedingt. Gleichzeitig liegt aber auch hier östlich des Heidenkampswegs für Hamburg ein immenses Potenzial. Und da sind wir wieder beim Wohnungsbau. Hier in Hammerbrook und Hamm-Süd haben wir hervorragende Wasserlagen, die sich nicht nur, wie bislang realisiert, als Standorte für den Backoffice- Bereich eignen, sondern auch für den Wohnungsbau. Es gibt hier bereits eine hervorragende Infrastruktur, die Innenstadt liegt in unmittelbarer Nähe, näher noch als zu Altona, wo ja groß gebaut werden soll, zur Hafencity ist es ebenfalls nicht weit, es gibt die Kanäle und einen großen See – ein Superort also.

club!: Und wie sieht es mit der Diagnose für die Innenstadt aus?
Teherani: Die City-Hochhäuser sind ein ganz wichtiges Thema. Die Stadt versucht ja gerade, das Grundstück zu verkaufen und einen Investor dafür zu finden. Nach bisherigen Vorstellungen soll dort ein Backsteinensemble entstehen, im Anklang an das Kontorhausviertel. Und auch hier ist eine Mischung aus Wohnen und Büros geplant.

club!: Moderne Konkurrenz für Schumacher, Höger & Co.?
Teherani: Eine vertane Chance! Genau hier an dieser Adresse liegt ein Dreh- und Angelpunkt, aus dem die Innenstadt neuen Schwung gewinnen könnte. Hier ist der Übergang zur Speicherstadt und zur Hafencity. Hier müsste eine spektakuläre Architektur entstehen, ein Projekt von Spitzenarchitekten wie beispielsweise Rem Koolhaas. Auch die Nutzungspläne finde ich übrigens zu banal für diesen Standort. Hier an der sogenannten Kunstmeile zwischen Kunsthalle und Münzplatzviertel sollte etwas mit Kunst entstehen, eine Nutzung mit Kunst und Kommerz, eine Adresse, die für Hamburger und Touristen spannend ist.

club!: Ein Leuchtturmprojekt…
Teherani: …aber auch die Chance, die gesamte Umgebung in Ordnung zu bringen, die Fläche vor dem Chilehaus und ebenso die Umgebung der Deichtorhallen. Die Freifläche hier ist doch kein wirklicher Platz. Hier müssen weitere Nutzungen dazu kommen, Gastronomie, Kunst, Kommerz, hier muss ein Bootsanleger her, an dem die Besucher das Schiff zur Elbphilharmonie hinüber nehmen können.

club!: Und was fehlt in der Hafencity?
Teherani: Radwege und ein richtiger Boulevard.

club!: Aber dieser Boulevard entsteht doch jetzt im Überseequartier.
Teherani: Das ist viel zu weit weg von der Innenstadt. Wir brauchen einen Boulevard an der Elbphilharmonie. Hier werden die Besucher flanieren. Der jetzige Kaiserkai ist zu eng. Stellen Sie sich vor, wenn Veranstaltungen in dem Konzerthaus stattfinden. Dann fahren und gehen da die Menschen entlang. Das Profil der Straße ist dafür viel zu schmal. Die Argumentation, das Projekt Elbphilharmonie sei erst nach dem Masterplan entstanden, kann ich nicht gelten lassen. Dann hätte man umplanen müssen, Platz schaffen für einen so spektakulären Bau. Die Parkplatzsituation ist auch völlig unzureichend. Die Leute wollen einfach nicht so weit laufen bis zum Überseequartier. Und dann hätte es breiter Bürgersteige bedurft, einer Großzügigkeit, die zu dem Projekt passt. Aber damit haben die Hamburger Verkehrsplaner immer ein Problem, auch die Plätze sind am Ende immer nur Knotenpunkte mit abgegrenzten Straßen. Auch der Domplatz. Das ist doch kein Platz. Andere Metropolen schaffen es doch auch, an städtebaulich bedeutenden Orten die Straßenräume einfach durchzupflastern und so optische Einheiten zu schaffen. Nur hier in Hamburg heißt es immer, das ginge nicht.

club!: Sie haben bereits in der Hafencity gebaut …
Teherani: Zwei Projekte, das Gebäude für China Shipping am Sandtorkai und ein Wohnhaus am Kaiserkai. Viel zu wenig für einen so prominenten Standort.

club!: Höchste Zeit für die Living Bridge, die bewohnte Brücke?
Teherani: Unbedingt.

club!: Und wie stehen die Chancen für das Lighthouse, das Hochhaus, das Sie entworfen haben?
Teherani: Hamburg hat einfach Angst vor der Höhe. Dabei hätte genau dieser Akzent der Hafencity gut getan.

club!: Und was sollte unbedingt noch in der Hafencity realisiert werden?
Teherani: Das Projekt Science Center von Rem Koolhaas im Süden des Überseequartiers am Magdeburger Hafen. Das wäre ein starker Akzent für die gesamte Hafencity. Dabei ist es ganz gleichgültig, welche Nutzung dort einzieht, das könnten auch spektakuläre Wohnungen oder zukunftsorientierte Firmen sein. Der Umriss, dieses architektonische Riesenrad an dieser Stelle, das wäre ein Signal.

club!: Also ist mehr Mut gefragt?
Teherani: Ja. Wir müssen uns auch trauen, einmal ein Projekt zuzulassen, das wir vielleicht in 50 Jahren nicht mehr sehen wollen. Wir müssen daran denken, was die Besucher unserer Stadt empfinden. Sie kommen aus Spanien, Großbritannien und Übersee und sagen: Die Alster – schön. Die gründerzeitlichen Wohnquartiere – sehr nett. Die Wasserlagen – auch hübsch. Die Elbphilharmonie – wow. Und was noch? An diesem ,Was noch?’ müssen wir arbeiten. Wir brauchen mehr Akzente, die rocken.

club!: Wie die „Tanzenden Türme“?
Teherani: Ja, wie die „Tanzenden Türme“ an der Reeperbahn. Ich bin sehr froh, dass es uns geglückt ist, dieses Projekt zu realisieren. Und dass die Leute solche Architektur-Bekenntnisse mögen, sieht man daran, dass der Bau schon vor der Fertigstellung fester Bestandteil der Stadtrundfahrten ist. Darauf sind wir stolz.

club!: Sie haben sich nach zwei erfolgreichen Jahrzehnten mit dem Büro Bothe Richter Teherani neu aufgestellt. Warum?
Teherani: In den letzten Jahren hatte es wirtschaftliche Schwierigkeiten mit Projekten im Ausland gegeben. Wir mussten Mitarbeiter entlassen. Das war die eine Seite. Die andere: Ich wollte noch einmal etwas Neues wagen, die Marke Hadi Teherani ausbauen.

club!: Wie sind Sie jetzt an den Start gegangen?
Teherani: In Zukunft werden unter der Marke Hadi Teherani die Arbeitsfelder neu geordnet. Der Bereich Hadi Teherani Architects ist für das Bauen zuständig, Hadi Teherani Interior kümmert sich um die Innenausstattung. Die Hadi Teherani Design AG gestaltet alles, was man unter Lifestyle versteht. Mit zwei Partnern, Thilo Knöchel und Jürgen Wilhelm, bietet die Hadi Teherani Consulting als Dienstleister Bauleitung für Auftraggeber.

club!: Weshalb bieten Sie jetzt Dienstleistungen für andere Projekte an?
Teherani: Weil man den Architekten immer mehr Aufgaben wegnimmt. Manche Bauherren hätten am liebsten nur den Entwurf und wollen, dass der Generalunternehmer alles regelt. Früher begleiteten die Architekten in der Regel ihre Projekte von der ersten Skizze bis zur Schlüsselübergabe. Damit wir unsere versierten Baubetreuer auf Dauer halten können, brauchen wir diese zusätzlichen Aufträge.

club!: In Sachen Design feiern Sie im nächsten Jahr schon zehnjähriges Bestehen…
Teherani: Weil ich ein Perfektionist bin. Ich möchte, dass alle Dinge genau so aussehen, wie ich sie mir vorstelle. Deshalb habe ich als erstes mein Auto – darf ich sagen, dass es ein Mini war? – im Innern neu gestaltet. Dann fand ich für meine Bauten nicht die richtigen Türklinken. Und dann ist es so weitergegangen mit Bürostühlen, Lampen, Services, Akku-Fahrrädern …

… sagt er und gießt dem Gast, der auf dem weißen Ledersessel Marke Teherani sitzt, den Tee aus der Thermoskanne im Teherani- Design in die passende Tasse. Keine Frage – das Büro mit Elbblick am Elbberg 1 liegt natürlich in einem Teherani-Bau.

 

Text: Dr. Gisela Schütte      Fotos: Martina van Kann