In den Wochen vor Weihnachten kommt endlich wieder Wild auf den Teller, auch im Business Club Hamburg. Für Chefkoch NILS-KIM PORRU ist es die Zeit der Rückbesinnung auf Ursprünglichkeit und Natur.

Draußen wehen die letzten Blätter von den Bäumen, Regen läuft an der Fensterscheibe herab, und die Temperaturen sind schon recht frostig. Aber drinnen strahlt Nils-Kim Porru, Küchenchef im Business Club Hamburg. Denn Herbstzeit ist Wild-Zeit. Und Wild ist „etwas Tolles“, sagt Porru. „Das ist so etwas Ursprüngliches. Schon immer ging der Mensch auf die Jagd und brachte das erlegte Wild nach Hause. Heute ist Wild zwar etwas Besonderes, nichts Alltägliches mehr, aber eben immer noch etwas unverfälscht Leckeres.“

Wild im Winter kommt Porrus Hang zu regionalen und jahreszeitlichen Gerichten genau entgegen. „Es ist zwar nicht billig, aber etwas ganz Natürliches. Die Tiere sind nicht hochgezüchtet, nicht mit Wachstumshormonen und Antibiotika gefüttert und versorgt worden, sondern ganz auf sich gestellt aufgewachsen.“ Seine Favoriten sind Reh und Hirsch, wenngleich er gegen Fasan, Hase und Rebhuhn, Enten und Schnepfen auch nichts einzuwenden hat. Wildschwein liege nicht allen, sagt er, deshalb verzichte er darauf und bevorzuge Rücken und Keule von Rehen und Hirschen. Wenn Porru in der Zeit vor Weihnachten Wild auf die Karte setzt, sowohl auf die für die Mitglieder im Restaurant wie auch auf die für Veranstaltungen, so ist das doch keine Absage an die beliebte Weihnachtsgans. Die wird es auch in diesem Jahr wieder „to go“ geben, also zum Mitnehmen und Fertigbraten, allerdings auf Vorbestellung.

Bei der Zubereitung ist es dem Küchenchef wichtig, den Wildgeschmack nicht zu übertönen, sondern aromatisch zu ergänzen. Er beginnt zu schwärmen: „Gedörrte Pflaumen, Aprikosen und Kirschen passen wunderbar zu Wildgerichten, aber auch Süßes, wie in Weißwein pochierte Birnen und äpfel.“ Den Sud aromatisiert er mit Sternanis und Nelken. Auch Cranberries, am besten die großen, amerikanischen, sind ein attraktives Obst, das passt, auch zu Enten. Kirschen kann man einlegen in einen Sud aus Portwein, Balsamico, Zucker, schwarzem Pfeffer und Nelken. Das lässt sich auch zu Hause machen, denn die Zutaten sind meist vorhanden. Die Kerne und Körner sollte man besten nicht klein mörsern, sondern nur anstoßen. Sonst wird der Geschmack zu intensiv. Die Kirschen können aus dem Glas oder tiefgekühlt sein.

Leuchtende Augen bekommt Porru beim Thema Steinpilze. „Dieses Jahr ist ein gutes Jahr für Steinpilze. Es gibt sie jetzt in guter Qualität und Menge. Ich bekomme sie frisch aus Bayern vom Lieferanten meines Vertrauens. Die sind einen Tag nach dem Sammeln hier.“ Aber auch alle möglichen Wurzeln aus der Region seien verfügbar und eine köstliche Begleitung für Wild. „Trüffeln passen natürlich auch ganz wunderbar, sind aber teuer. Wenn jemand Trüffeln für das Essen bei seiner Veranstaltung haben möchte, besorge ich sie natürlich. Aber für die tägliche Speisekarte eignen sie sich nicht so sehr.“ Ein verschmitztes Lächeln begleitet den Satz.

Unter Wild versteht man nur die für die Jagd in Frage kommenden Tiere. Alle anderen sind Wildtiere. War das Wild in der Steinzeit unerlässlich für die Ernährung, wird heute nur noch sehr wenig Wild gegessen. Verschlingt der Deutsche etwa pro Jahr um die 60 Kilogramm Fleisch aller Art, so liegt der Wildanteil mal gerade bei etwa einem Kilo. Manches Wild hat Schonzeiten im Jahr, manches nicht. Wildschweine sind meist nicht geschützt, Rehböcke dagegen dürfen in der Regel nur von Mai bis November gejagt werden, wobei es Unterschiede in den Bundesländern gibt. Die Zeiten sind gesetzlich geregelt.

An den Jagd- und Schonzeiten ist erkennbar, dass es Wild meist nicht das ganze Jahr über gibt. Kenner allerdings sagen, dass es bei Rehen und Hirschen keinen Unterschied macht, ob sie frisch oder tiefgekühlt in die Küche geliefert werden. Das Fleisch enthält fast kein Fett, das Schaden nehmen könnte. Beim Wildschwein liegt die Sache anders: Es enthält mit der Schwarte reichlich Fett, das nach mehr als einem Jahr im Tiefkühler nach dem Auftauen nicht mehr lecker sein könnte.

Der Herbst ist die klassische Zeit für die Jagd. Rot-, Dam- und Rehwild dürfen in der Regel bis einschließlich Januar geschossen werden. Da die Tiere jedoch frei leben, kommt nicht jeder Jäger dann zum Schuss, wenn er gerade unterwegs ist. „Es gibt nur, was es gibt“, sagt auch der Club-Küchenchef. Schließlich kann er nicht im Supermarkt jede gewünschte Menge einkaufen.

Der Hubertustag am 3. November gilt als Auftakt für die großen Jagden. Hubertus soll ein adliger Jäger im 8. Jahrhundert gewesen sein, dem an einem Karfreitag ein Hirsch mit einem leuchtenden Kreuz zwischen den Geweihstangen erschien. Aus ihm soll Christus gesprochen haben: „Hubertus, warum verfolgst du mich?“ Der Angesprochene kniete nieder, ließ sich zum Christentum bekehren und wurde später heilig gesprochen. Er gilt als Schutzpatron der Jäger und Hüter des Wildes. Jäger allerdings fragen sich, wie der ausgewachsene Hirsch im Frühjahr ein Geweih tragen konnte, denn in der Regel wird es zuvor abgeworfen und wächst zu dieser Zeit neu. Heute gilt der Hubertustag als Zeit der Besinnung auf die waidgerechte Jagd. Nicht jedes Restaurant, das jetzt Wildgerichte anbietet, hat das Fleisch aus heimischer Jagd bezogen. Das Ausland liefert gern und vor allem billig. Man sollte also Vertrauen in die Qualität der Küche haben können – oder gleich im Club bei Porru einen Tisch bestellen.

REZEPT: Gebratener Rehrücken mit Orangen-Wacholdersauce,
geröstetem Ofengemüse und Artischockenpüree

 

Text: Gisela Reiners      Fotos: Martina van Kann

Gisela Reiners, früher Politikchefin bei der Tageszeitung „Die Welt“, schreibt heute als freie Autorin über ihre Leidenschaften Stil, Design und Kulinarik.