Die alltägliche Frage „Was soll ich heute bloß kochen?“ stellt sich für Küchenchef Nils-Kim Porru alle paar Monate in neuer Form. Dann geht es mal nicht um die Speisekarte, auch nicht um das Catering für Events, sondern um seinen Koch-Treff mit Prominenten für das club!-Magazin. Diese Treffs finden nicht immer direkt am Herd, sondern schon mal an ausgefallenen Orten statt, am Großmarkt, im Theaterfoyer oder auf einer Elbbarkasse, wo man nicht auf eine gut ausgestattete Küche trifft. Da muss also improvisiert werden, das heißt im Zweifel: es muss alles angeschleppt werden, einschließlich der Wärmequelle. Und das ist nicht alles, es muss ja auch noch etwas gekocht werden, was irgendwie zum Gast passt. Was also kann man zubereiten in der Vorstandsloge des HSV im Volksparkstadion, wenn man sich mit dem Finanzchef des Vereins, Dr. Eric Huwer, trifft? Was ist lecker und doch sportlich? Fast Food vielleicht?

Die geniale Antwort: Pizza! Das passt doch. Ist einfach, mag sich mancher denken. Bisschen Teig, bisschen Tomatensoße, bisschen Belag – fertig. Wenn es denn so einfach wäre! Um für die Fotos die Stadionatmosphäre (übrigens am Vorabend des 4:3-Sieges im Lokalderby gegen den FC.St. Pauli) einzufangen, musste der kleine, aber leistungsstarke Pizzaofen erst einmal auf der Tribüne vor der Loge installiert werden, samt Tisch für die Zubereitung der Pizzen und Gaskartusche für die Hitze.

Eric Huwer, 39, erscheint, groß, schmal, leichter dunkelblauer Anzug, schwarzes T-Shirt, und staunt. Er sieht nicht so aus, als ob Pizza aus der Hand oder dem Karton sein bevorzugtes Lebensmittel wäre, eher Obst, Gemüse, Salat. Aber der gut trainierte, ehemalige Fußballer mag Pizza und alles was darauf gehört. Das eine oder andere Stückchen Salami oder Salsiccia piccante für den Belag landet in seinem Mund, ohne den Umweg über die Pizza genommen zu haben. Der Sportliche isst also Fleisch.

Küchenchef Porru ist bestens vorbereitet. Auf einem Blech unter Folie ruhen die in der Clubküche vorbereiteten Pizzateiglinge in Form großer Brötchen, die er nun platt drückt, geschickt über die Fäuste dreht, damit sie eine runde Form annehmen und schön gleichmäßig einen kleinen Rand bekommen. Auch Huwer probiert sein Glück mit dem widerspenstigen Teig. Doch was dem Halbitaliener Porru fast im Blut liegt, ist für den Hobbykoch ein Problem. Der Teig hängt schlaff durch und will nicht so wie die ungeübten Hände des Vorstands. Kochen, in diesem Fall Pizza backen, ist nicht seine Kernkompetenz.

Die sind die Zahlen. Schließlich muss der promovierte Betriebswirt (Dissertation über die Rechnungslegung professioneller Fußballclubs, Note: summa cum laude) die Finanzen eines nicht gerade kleinen Fußballvereins am Laufen halten, muss sich um Investoren und Sponsorengelder wie Mitgliederbeiträge kümmern, muss Rechnungen aller Art bezahlen, Werbeausgaben budgetieren und Ticketgelder kassieren. Das sollte der Vize von Ex-Finanzchef Frank Wettstein, der seit 2014 für den HSV arbeitet, eigentlich schon seit Anfang 2022 machen. Sein Vertrag war Weihnachten 2021 ausgehandelt, nur die Unterschrift fehlte, bis dann kurz vor Silvester Thomas Wüstefeld entschied, den Posten mit sich selbst zu besetzen. Silvester 2022 war Wüstefeld weg und Huwer sein Nachfolger. Abwarten hatte sich gelohnt.

Huwer weiß, was geht. Als Nachwuchsspieler (linker Verteidiger) aus Saarbrücken gab er auf, als er merkte, für den ganz großen Sprung reicht es nicht. Jetzt lässt er das Spielen lieber ganz. „Ich bin verletzungsanfällig“, sagt er. Denn auf diesem HSVPosten sollte man lieber präsent statt im Krankenhaus sein. Sein Sport ist jetzt Laufen und Golf. Das Essen, das Huwer durchaus liebt, bleibt so nicht auf den Rippen. Kochen mag er auch, „am liebsten unter Anleitung meiner Partnerin. Dazu gibt es ein Glas Wein und Musik von alten Vinylschallplatten“. Sein Risotto sei schon sehr gut. Als Student in Valencia wurde er zum Paella-Experten, kochte das Original mit Kaninchen£eisch und Bohnen.

Porru und Huwer legen los. Der Teig, eine Mischung aus Caputo- und Manitoba-Mehl, Wasser, Hefe, Salz und Honig, hat 48 Stunden geruht. Der Sugo, mit dem er bestrichen wird, ist selbst gemacht. Zum Belegen hat Nils-Kim Porru neben Salami und Salsiccia, beide chilischarf, noch Nduja Spilinga mitgebracht, eine pikante Streichsalami aus Kalabrien, rohen und gekochten Schinken, Pesto, Rucola, kleine schwarze Oliven, Basilikum sowie verschiedene geraspelte Käse.

Als hätte er Pizzabäcker studiert, platziert der Küchenchef geschickt den Teigfaden auf einer Art Schaufel, schiebt ihn in den Schlitz des Hobby-Pizzaofens auf die glühend heiße Schamottplatte und beginnt sofort mit einem runden Spatel den Teig zu drehen, damit die Hitze gleichmäßig backen kann. Nach 90 Sekunden liegt die Pizza zum Auskühlen auf einem Rost, wird mit den Leckereien belegt, mit Pesto beträufelt und zum Essen freigegeben. Die Autorin hatte zu Porrus Verblüffung mitgeteilt, sie möge keine Pizza. Gibt‘s das? „Diese werden Sie lieben“, versichert er. Was soll man sagen? Er hatte recht.

Die Pizza ist einfach perfekt. Der Rand ist ein bisschen höher und hat ein paar Blasen geworfen, die teilweise geplatzt sind. Die winzigen dunklen Hitzespuren sorgen für das herzhafte Backaroma und die Knusprigkeit, während die Mitte schön elastisch ist. Eine Edelpizza. Porru plant sie für ein Event im Club. Allein der Duft wird den Gästen das Wasser im Munde zusammenlaufen lassen.

Huwer genießt, auch wenn er sich kein Glas Wein dazu gönnen kann, nur eine Fanta. Auf Reisen gehen er und seine Partnerin gern essen, alles von Fisch bis Falafel, zuhause
tun sie es aus Zeitnot seltener. Er versucht, sich wenigstens einen Abend pro Woche freizuhalten. Dann stöbert er auch gern in Literatur und Dokus zum Thema Bauhaus und seinen Auswirkungen. Ein Besuch in Weimar und Dessau hat ihn tief beeindruckt. „Die Einflüsse,die von dort gekommen sind und immer noch wirken, sind wirklich beeindruckend.“

Draußen wird letzte Hand ans Stadion gelegt für das Aufeinandertreffen der beiden Lokalmatadore. Die Kartendafür waren innerhalb von 50 Minuten weg. Huwer lächelt zufrieden. So schön wie dieses Ergebnis kann keine Pizza sein.

DR. ERIC HUWER ist seit 2016 beim HSV. Zunächst arbeitete der Wirtschaftswissenschaftler als Prokurist und Finanzdirektor, später als Chief Operating Officer. Seit dem 1. Januar 2023 ist er Finanzvorstand (CFO) und damit zusammen mit Sport-Vorstand Jonas Boldt der starke Mann im Verein. Als Finanzfachmann ist er hoch angesehen. Huwer ist Mitglied der DFL-Kommission Finanzen und hat als Deutschlandvertreter am Fifa-Programm von Executive-Managern teilgenommen. Erste Kontakte zum Profifußball knüpfte er bei der Münchner Allianz Group als Assistent der Geschäftsleitung. Darüber hinaus kann Huwer auch Fußball spielen. Für Hertha Wiesbach spielte er sechs Jahre in der Oberliga. Huwer lebt mit seiner Partnerin in Eppendorf.

 

Text: Gisela Reiners Fotos: Martina van Kann