Die indische Küche fasziniert nicht nur durch ihre unendliche Vielfalt an Gewürzen und scharfen Soßen. Die exotische Kochkunst spiegelt auch KULTUR UND RELIGION des riesigen Landes wider.

Business Club-Küchenchef Nils-Kim Porru hat ein Faible für das indische Essen. Im Shalimar, das 1982 als erstes indisches Restaurant in Hamburg eröffnete, lässt er sich die verschiedenen Gewürzmischungen erklären, die Chefkoch Umesh Chandra frisch zusammengestellt hat.

Nils-Kim Porru ist begeistert. Vergangenes Jahr hat der Halbitaliener sein Herz für die indische Küche entdeckt. Mit seiner Frau fuhr der Küchenchef des Business Club nach Delhi und Akkra zum Tadj Mahal und kostete die aromenreiche, gewürzverliebte Küche des Subkontinents. Zwar gibt es in diesem riesigen Land von der Größe Europas und mit mehr als einer Milliarde Einwohnern viele verschiedene Küchen, die oft auch portugiesische oder britische Einflüsse zeigen, aber die Gewürze des Landes kommen immer zum Einsatz.

Porru hat sie in Hamburg im „Shalimar“ gekostet, dem Restaurant in der ABC-Straße mit dem schönen Namen, der so etwas bedeutet wie die „reinste aller menschlichen Freuden“. Die Küche findet er durchaus vergleichbar mit der, die er auf seiner Reise in Indien probiert hat. So ist das Rezept, dass er den Lesern in dieser Ausgabe vorstellt, indisch inspiriert und erfordert neben Zwiebel, Knoblauch und Paprika auch gemahlenen Kreuzkümmel, Koriander, frisch und als Pulver, Ingwerpulver und Currypaste. Der Begriff Curry ist ein wenig missverständlich. Er bezeichnet sowohl eine Würzmischung als auch ein Gericht nach Art eines Eintopfes.

Würzmischungen in Indien heißen eigentlich Masala und davon gibt es etwa so viele wie Küchen. Den Engländern soll das zu kompliziert gewesen sein. Sie ließen sich für sie angenehme Mischungen herstellen und nannten sie dann Curry. Angerührt wird eine Paste daraus, die es in unterschiedlichsten Schärfe– graden gibt.

Indisch für Kenner: Scharfe Madras-, Korma- und Makhani-Soßen (große Schalen) und bunte Gewürze wie Madras-Curry, Koriander, Chili, Kreuzkümmel, Kurkuma. Dahinter drei Soßen mit Joghurt, Sweet Chili und Mango. Im Becher ist Mango-Lassi, ein Joghurt-Mango-Getränk.

Schärfe ist ein wesentlicher Bestandteil der indischen Küche. Der Stoff Capsaicin in scharfen Gewürzen reizt die Schmerzrezeptoren, verursacht eine Öffnung der Hautporen und damit das Schwitzen, das für Abkühlung sorgt. Es wird angenommen, dass deshalb in heißen Gegenden gern scharf gekocht und gegessen wird. Zugleich wird das Wachstum von Bakterien gehemmt, was in Gegenden ohne ausreichende Kühlung für Lebensmittel ein Grund für scharfe Würze sein kann. Allerdings wird auch in nicht so heißen Gegenden scharf gegessen und das seit Jahrhunderten, auch ohne die Kenntnis von der keimtötenden Wirkung.

Chili ist ein gern verwendetes Gewürz, ebenso Ingwer und Knoblauch, die früher auch gegen Krankheiten eingesetzt wurden. Begeistert hat Porru die Vielfalt von Komponenten der duftenden Würzmischungen. Hier kennt man sie auch, aber nicht in der Fülle und nicht in der Kombination. Kardamom und Kreuzkümmel, Sternanis, Kurkuma, Zimt, Safran und Muskat, Fenchel-, Bockshornklee- und Koriandersamen, Senfkörner, Zitronengras und Mohn, Nelke und Piment sind die am meisten verwendeten Bestandteile. Da hat jeder Koch viel Spielraum. Doch bevor die Mischungen ihren Weg in ein Gericht finden, werden sie noch vielfältig behandelt, geröstet, geräuchert, eingelegt oder so zusammengefügt, dass die einzelnen Aromen wieder ein neues ergeben. Dann erst kommen sie in die Suppen, Currys und Chutneys, diese püreeartigen Soßen von fruchtig bis gemüsig, von sanft bis pikant, die ein Koch in der Regel immer frisch zum Essen herstellt.

Welche Bedeutung Essen für Inder hat, lässt sich vielleicht am Beispiel der Dabbawalas darstellen. Das sind in Mumbai die Austräger von dreiteiligen Boxen, in denen sich Büroangestellte ihr Essen von daheim oder einer darauf spezialisierten Küche an den Arbeitsplatz im modernen Wolkenkratzer bringen lassen. Nicht selten legen die Boxen 20 und mehr Kilometer zurück, werden per Zug, Eselskarren, Rikscha, Fahrrad oder auf dem Kopf transportiert und finden immer ihr Ziel, obwohl die Träger oftmals Analphabeten sind. 200 000 dieser Art Henkelmänner werden täglich ausgeliefert nach einem System, das aus Farben, Zeichen und Zahlen besteht. Nur eine Box von 16 Millionen soll verloren gehen, hat das Magazin „Forbes“ kürzlich untersucht. Vegetarier werden sich wohlfühlen mit indischer Küche. Fleisch ist nicht gerade ihr Hauptbestandteil. Rind wird nicht gegessen (heilig!), Schwein selten, wegen der vielen Inder muslimischen Glaubens. Bleiben Fisch an der Küste, Lamm und Huhn. Ihr Fleisch wird vor dem Garen gern in scharfe, aromatische, duftende Soßen eingelegt, was einen feinen Geschmack verursacht.

Auf indischen Speiseplänen treffen wir auch alte Bekannte neben Zwiebeln und Tomaten, nämlich Blumenkohl und Kartoffeln. Auch Hülsenfrüchte, aus denen wir gern deftige Eintöpfe kochen, werden viel verwendet, allerdings anders, als wir es tun. Für Aloo Gobi werden Blumenkohlröschen und Kartoffelstücke mit Öl, Tomaten und Zwiebeln gebraten, dann mit Kurkuma und Masala gewürzt. Aus trockenen Linsen, Bohnen, Erbsen oder Kichererbsen werden Dhals, breiige, aromatische Suppen, gekocht. Aus Linsenmehl entstehen auch leckere Fladen wie Bhatura, der frittiert wird und sich bläht wie ein Ballon. Papadam dagegen ist hauchdünn und knackig. Niemals bleibt der Teig ungewürzt. Das Brot ersetzt den Löffel. Im Restaurant „Maharaja“ auf St. Pauli wird in der Speisekarte extra vermerkt, dass Gäste hier mit den Händen essen dürfen. Behilflich ist hier Naan, das Lieblingsbrot von Porru. Der Hefeteig, mit Joghurt gesäuert, gewürzt zum Beispiel mit Kümmel, Knoblauch und Koriandersamen, wird im Tandoori-Ofen an die Lehmauskleidung im Inneren geklebt und dann über dem offenem Feuer gebacken. In dem tonnenförmigen Ofen werden auch Fleischstücke auf einem Spieß gegart. Die schön gewürzten Brocken werden saftig und haben ein leckeres Grillaroma.

Von indischer Küche ist es nicht weit zur ayurvedischen. Doch Ayurveda heißt etwa Wissen vom Leben und hat einen ganzheitlichen Ansatz, um Körper, Verstand und Seele zur Harmonie zu bringen. Die Speisen haben viel therapeutische Bedeutung und gehören in einen Kontext von Reinigungsprozeduren, Massagen und Meditation. Im „Maharaja“ wird viel ayurvedisch gekocht, schmecken tut es immer, auch ohne Unpässlichkeit. Indien wird für den Business Club zum Thema, wenn Frank König zum Vortrag kommt. König ist Geschäftsführer einer indischen Tochter des rund 150 Jahre alten Handelshauses Illies und einer von inzwischen 35 Hamburg Ambassadors (siehe Interview Seite 63). Die Geschäftsleute vertreten ehrenamtlich die Interessen Hamburgs in mittlerweile 21 Ländern. Begonnen wurde mit dem Netzwerk 2006 auf Initiative der Hamburgischen Gesellschaft zur Wirtschaftsförderung (HWF). König lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Mumbai. Vielleicht wird er auch zur Mittagszeit von Dabbawalas beliefert.

 

Text: Gisela Reiners      Fotos: Martina van Kann

Gisela Reiners war früher Politik-Chefin bei der Tageszeitung „Die Welt“. Sie schreibt heute als freie Autorin über ihre Leidenschaften Stil, Design und Kulinarik.