Er ist einer von drei Master Sommeliers in Deutschland. Man kann Hendrik Thoma also beim Wein nichts vormachen. Hier spricht er über Beratung per Videoblog, reiche Menschen und teure Weine, Aromen von Waldboden, Pilzen, Trüffeln und was passiert, wenn ein Wein kippt.

Es gibt weltweit 175 Master Sommeliers, drei leben in Deutschland, einer ist Hendrik Thoma, 44. Sein Handwerk erlernte er im kalifornischen Napa Valley und im Hamburger Hotel Louis C. Jacob, in dem er zwölf Jahre Chefsommelier war. Seine neueste Aktivität ist der Videoblog „Wein am Limit“.

 

club!: Herr Thoma, Sie sind so schwer zu greifen: Sie machen Weinreisen und Verkostungen, bieten Unternehmen, aber auch Privatpersonen Schulungen und Seminare an, bis vor kurzem moderierten Sie eine Internet-Weinsendung, und neuerdings betreiben Sie einen Video-Wein-Blog. Sind Sie eigentlich noch ein echter Sommelier?
Hendrik Thoma: Wenn man die Prüfung zum Master Sommelier gemacht hat, bleibt man das ein Leben lang. Denn auch wenn sich die Inhalte der Tätigkeiten mit den Jahren verändern, so bleibt man doch dem Thema Wein treu. Aber um die Frage zu beantworten, was derzeit die Essenz meiner Arbeit ist: Ich bin ein Video-Wein-Blogger.

club!: Was genau bedeutet das?
Thoma: Ich wollte ein Format haben, das perfekt auf mich zugeschnitten ist. Die neuen Medien sind dafür ideal. Mit meinem Blog ‚Wein am Limit’ habe ich die Kontrolle darüber, wie viel und was ich investieren möchte. Vor allem aber kann ich meine Zielgruppe selbst bestimmen. Das ist mir wichtig.

club!: Warum?
Thoma: Kommunikation über Social Media funktioniert nur, wenn sie authentisch ist. Deshalb betreibe ich nicht nur meinen Blog, sondern auch meine Facebook- und Twitter-Aktivitäten persönlich. Es ist mir wichtig, dass meine Kunden, Partner und Freunde wissen: Was immer ich poste und schreibe, ist zu hundert Prozent Thoma.

club!: Lässt sich denn über die virtuelle Welt ein rentables Weingeschäft führen?
Thoma: Ich verkaufe ja keine Weine, ich berate. Meine Aktivitäten sind eine Folge der Demokratisierung der Kommunikation. Früher war es doch so: Irgendwelche Experten haben gesagt, dieser oder jener Wein ist toll. Das konnte man glauben oder nicht und seine Meinung dazu hat man nur im kleinen Kreis geteilt. Das ist heute anders. Ich habe irgendwann gemerkt, wie groß auch in Deutschland der Wunsch ist, mehr über Wein zu erfahren, darüber zu diskutieren, sich auszutauschen. Diesem Bedürfnis komme ich mit meinen Angeboten nach. Die positive Resonanz zeigt mir, dass es der richtige Weg ist.

club!: Edle Weine sollen auch eine gute Geldanlage sein. Sind Sie auch in diesem Business tätig?
Thoma: Vor ein paar Jahren habe ich intensiver in diesem Bereich beraten. Inzwischen bin ich eher vorsichtig. Ich halte es mit dem Börsenguru André Kostolany, der meinte, dass man nicht nur aufgrund von Intuition und Fantasie investieren soll, sondern dass man sich inhaltlich sehr intensiv mit dem jeweiligen Investment auseinandersetzen und dieses verstehen muss. Das gilt besonders für die Spekulation mit Wein. Sicherlich kann man punktuell auch als Wein-Laie eine Wertsteigerung erzielen, aber grundsätzlich ist es ein schwieriger Markt.

club!: Dennoch werden gerade teure Weine in einigen Ländern von reichen Geschäftsleuten in großen Mengen gekauft.
Thoma: Ja. Momentan sind es Schwellenländer wie Brasilien, die auf diesem Gebiet aktiver werden. Dort gibt es sehr viele reiche Leute, die sich gern teure Weine kaufen. Aber auch in Russland, China und Indien wird in großen Mengen und teuer eingekauft.

club!: Von welchem Preisniveau sprechen Sie?
Thoma: Weine im Preissegment von 1000 bis 3000 Euro. Die teuerste, jemals verkaufte Flasche Wein wurde vom US-Milliardär Malcolm Forbes für 110.000 Euro ersteigert. Angeblich stammte sie aus dem Besitz von Thomas Jefferson, dem späteren US-Präsidenten, aus seiner Zeit als Botschafter in Frankreich. Noch während die Flasche in einer Vitrine ausgestellt war, zerfiel durch den falschen Winkel, in den sie gestellt war und die Hitze der Lampe der Korken. Als Forbes seine Rarität abholte, zerbröselte der Korken in Sekunden zu Staub, der Wein verdarb zu Essig.

club!: Es drängt sich der Eindruck auf, dass der internationale Weinhandel in einem relativ elitären Zirkel stattfindet?
Thoma: Das ist richtig. Der Weinhandel verhält sich analog zur Börsenentwicklung. Klar kann man mit einem Wein, den man vor 20 Jahren gekauft hat, heute einen fantastischen Schnitt machen. Aber insgesamt rate ich davon ab, jetzt noch mit Wein zu spekulieren. Die Preise sind extrem hoch. Früher stieg man bei 1500 Euro pro Flasche ein, heute bei 3000.

club!: Wann ist ein Wein gut? Wenn er alt ist?
Thoma: Ein guter Wein ist immer gut. Wenn Sie das Glück haben, eine Flasche aus einem sehr alten Jahrgang zu öffnen, muss dieser Wein nicht erst ein paar Tage geöffnet stehen, ehe man ihn genießen kann. Alter Wein hat einen anderen Geschmack als ein jüngerer. Darauf muss man sich einlassen. Die Sinne eines Experten sind geschult. Ein Weinkenner nimmt die besondere Aromatik dieses Weines wahr, den Geschmack nach Sherry, nach Erde, nach Waldboden, Pilzen und Trüffeln. Aber natürlich kann ein alter Wein auch kippen – dann ist er der teuerste Essig aller Zeiten.

club!: Auch Prominente kaufen sich heutzutage gern einen eigenen Weinberg.
Thoma: Falls Sie auf Günther Jauch anspielen, der führt ja nur einen Familienzweig weiter. Das finde ich sehr löblich. Aber auch sonst ist es doch eher positiv, wenn reiche Leute ihr Geld dazu benutzen, es in nachhaltige Dinge wie einen Weinberg zu investieren.

club!: Und damit etwas für ihre Reputation tun.
Thoma: Ich möchte es anders formulieren. In Mittelmeerländern gehört das Glas Wein zum Mittagessen grundsätzlich zur Genusskultur dazu. So wie auch die Familie immer noch einen anderen Stellenwert hat. In diesen Ländern trifft man sich traditionell bei einem guten Essen und der Wein gehört dazu. In Deutschland bedeutet Wein trinken, es geschafft zu haben. Wir Deutsche trinken Wein, auch ohne etwas zu essen. Es hat etwas mit Lifestyle zu tun. Vor 30 Jahren war das führende Getränk noch Bier und vielleicht ein Schnaps dazu.

club!: Aldi, Lidl und Co. haben diese Entwicklung begünstigt. Angeblich kann man auch dort gute Weine billig kaufen.
Thoma: Ich habe eine Aversion gegen das Wort billig. Diese Schnäppchenmentalität, gerade wenn es um Lebensmittel und Genuss geht, widerstrebt mir in höchstem Maße. Nichts gegen ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, aber die Jagd nach dem zehn Cent billigeren Produkt hat aus Deutschland das Land der Discounter gemacht. Und leider auch das Weingenießen in vielen Bereichen kaputt gemacht. In Deutschland schaut man gern verächtlich auf die Amerikaner, die vermeintliche Fast-Food-Nation. Tatsächlich aber zahlen sogar die Amis inzwischen mehr für gute Qualität. Bei diesem Vergleich sind wir abgehängt. Leider.

Text: Martina Goy      Foto: Michael Holz
Martina Goy ist Chefreporterin der „Welt“-Gruppe in Hamburg.