Egal ob Zuschuss, Kredit oder Bürgschaft – ein Gerücht hält sich hartnäckig: Fördermittel bekommen immer nur die anderen. Warum das nicht stimmt und was Unternehmer tun müssen, damit ihre Projekte gefördert werden.
Die digitale Revolution des Schienengüterverkehrs begann auf einem Schreibtisch in Wittorf. Hier, am Arbeitsplatz von Felix Wienhöfer, hatte Gordon Dittmann Ende 2017 seine Masterarbeit abgelegt – druckfrisch, eingebunden und mit den Worten, dass sich sein Kollege das unbedingt mal anschauen sollte. „Es ging um die Abfertigung von Güterzügen, die Bahnbaustellen beliefern“, erinnert sich Wienhöfer. Ein aufwendiges Unterfangen, wie sich zeigte.
Wienhöfer und Dittmann arbeiteten für die Willke-Holding, die in dem kleinen Ort Wittorf bei Lüneburg ihren Sitz hat. Das Gleisbau-Unternehmen wurde 1979 gegründet und ist seitdem vom Zehn-Mann-Betrieb zur Unternehmensgruppe mit fünf Firmen und mehr als 200 Mitarbeitern gewachsen. Wienhöfer war Projektmanager für IT-Projekte, Dittmann Projektleiter im Gleisbau – und die Masterarbeit der Startschuss für ihr gemeinsames Digitalprojekt. „Wir haben gemerkt, dass die aufwendige Abfertigung von Güterzügen kein Problem allein von Bahnbaustellen ist, sondern den gesamten Schienengüterverkehr betrifft“, erklärt Wienhöfer.
Tatsächlich ist es so: Immer bevor ein Güterzug aus dem Bahnhof rollt, läuft ein Mitarbeiter den Wagenverbund ab und erfasst die Daten – mit Zettel, Stift und Klemmbrett. „Das sind in der Regel Stammdaten, die sich nicht verändern“, erklärt Wienhöfer. Dennoch würden sie vor jeder Fahrt dokumentiert. Seine Antwort auf dieses Problem heißt „railfox“ und ist eine App, mit der die Wagen nur noch gescannt werden müssen. Ein halbes Jahr hat die Entwicklung gedauert, mit 2,1 Millionen Euro Zuschuss gefördert durch das Bundesverkehrsministerium.
Es ist ein weitverbreitetes Gerücht: Egal, ob Zuschuss, Kredit oder Bürgschaft – Fördermittel kriegen immer nur die anderen. „Stimmt nicht“, sagt Fördermittelberater Kai Schimmelfeder und weiß, wovon er spricht. Der 50-Jährige war Leistungssportler im Kraftdreikampf, einer besonderen Form des Kraftsports, die auch als Powerlifting bekannt ist. „Das wollte ich aber keine zehn Jahre lang machen“, sagt Schimmelfeder und investierte aus dem Grund in ein Unternehmen – mit Hilfe von Fördermitteln. Seitdem begleitet ihn das Thema. Parallel zu seinem Investment-Projekt hat er 1996 eine Fördermittelberatung gegründet, mit der er heute 24 Mitarbeiter beschäftigt und fast 12 000 Förderprojekte abgeschlossen hat. Er hält Vorträge, hat Sachbücher geschrieben und arbeitet an einem TV-Format. Für ihn ist klar: „Fördermittel bekommen nicht nur die anderen, sondern die, die sich darum kümmern.“ Wie Felix Wienhöfer und Gordon Dittmann.
Über einen Studienfreund hat Wienhöfer vom Förderprogramm mit dem Namen mFUND gehört. Hierüber vergibt das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur seit 2016 insgesamt 150 Millionen Euro an Forschungs- und Entwicklungsprojekte im Bereich Mobilität 4.0 und unterstützt Gründer und Start-ups bei der Umsetzung. „Unsere Idee war zu groß, um sie selber finanzieren zu können“, sagt Wienhöfer. Also gründete der 26-Jährige im ersten Schritt die rail connect GmbH als Spin-off der Willke-Holding, in die deren Eigentümer und Geschäftsführer Moritz und Niklas Willke investierten. Und kümmerte sich daraufhin um die Fördermittel aus dem Modernitätsfond mFUND – mit Hilfe seines Studienfreundes. „Der schreibt gerade am Institut für Rationalisierung an der Rheinisch-West fäl ischen Technischen Hochschule Aachen seine Doktorarbeit“, sagt Wienhöfer. Das Besondere an diesem Institut: Es lebt nahezu ausschließlich von Forschungsgeldern. Wienhöfer erklärt das so: „Sobald es einen neuen Fördertopf gibt, schaut das Institut, ob er für die Forschung in Frage kommt. Wenn das so ist, sucht es sich Partner – und los geht’s.“ So war es auch im Fall rail connect.
„Wer Zuschüsse haben will, muss sich informieren.“
Kai Schimmelfeder, Fördermittelberater
Am Ende entstand ein Konsortium aus fünf Partnern: die rail connect selber, die Willke Logistics aus der Willke-Holding und das Institut für Rationalisierung der RWTH Aachen. Dazu kamen die GS1 Germany aus Köln, die sich um Standardisierung und Datenformate kümmert, sowie die Advaneo GmbH aus Düsseldorf, ein Experte für Softwarearchitektur. Alle zusammen reichten sie beim Projektträger des Bundeswirtschaftsministeriums eine sogenannte Skizze ein, in der sie das Projekt nach vorgegebener Gliederung auf 15 Seiten beschrieben. „Eine Art Businessplan, der anders heißt, weil es sich um Forschung handelt“, erklärt Wienhöfer. Dann forderte der Projektträger den Antrag – und es kam zum Zuschuss: 2,1 Millionen Euro für das gesamte Konsortium, 750 000 Euro davon alleine für die rail connect.
Wie Wienhöfer geht es tatsächlich vielen Unternehmen, Startups oder Gründern in ganz Europa. Weit mehr als 100 Milliarden Euro an Fördermitteln stellt die Europäische Union (EU) ihren Mitgliedsstaaten im Zeitraum von 2014 bis 2020 zur Verfügung, in Deutschland verteilt durch Bund und Länder, über die Ministerien oder Förderbanken. Allein innerhalb des Förderprogramms Horizont 2020, dem bisher größten seiner Art seit Gründung der EU, sollen von 2014 bis 2020 gut 80 Milliarden Euro für Forschung und Innovation ausgegeben werden. Von diesem Topf sind für die letzten beiden Jahre noch 30 Milliarden Euro übrig, wovon in Deutschland knapp 1500 kleine und mittlere Unternehmen profitieren sollen. Bleiben nur noch die Fragen: Wie kommt das Geld bei den Firmen an – und was müssen diese dafür tun?
Die Antwort kennt Fördermittelberater Schimmelfeder. „Wer Zuschüsse haben will, muss sich darüber informieren, welche Förderprogramme es gibt und für einen in Frage kommen“, sagt der Experte. Eine gute Hilfe ist die Förderdatenbank des Bundeswirtschaftsministeriums, in der Unternehmen per Suchfunktion und über Filter mehr als 2000 Förderprogramme finden können. So gibt es beispielsweise Zuschüsse für Gründer, Zuschüsse für Investitionen, etwa in Maschinen, oder Zuschüsse für Innovationen, sogenannte technische Förderungen. Ist das richtige Programm gefunden, folgt der Antrag. „Hier steigen viele aus, weil es zu kompliziert wird“, sagt Schimmelfeder. Aber ist das wirklich so schwierig? „Nein, Vorbereitung ist alles. Das kostet Zeit, aber führt zum Erfolg.“ Fördermittel bekommt, wer sich darum kümmert.
Drei Dinge, sagt Schimmelfeder, seien bei der Beantragung von Zuschüssen wichtig: Zum einen muss das Projekt detailliert beschrieben werden. Diese Beschreibung muss genau auf das gewählte Förderprogramm passen – und das Projekt am Ende exakt so umgesetzt werden. „Wer zum Beispiel Zuschüsse beantragt, um damit eine blaue Maschine für die Herstellung von Rotorblättern zu kaufen, kann keine grüne Maschine anschaffen und Reifen produzieren“, sagt Schimmelfeder, „dann droht im schlimmsten Fall eine Rückzahlung.“ Darüber hinaus sei es wichtig, das Vorhaben vollständig zu beschreiben: „Eine neue Maschine ist nicht nur eine neue Maschine“, sagt der Experte, „die alte Maschine muss ausgebaut und entsorgt, die neue installiert und betrieben werden.“ Alles das sei bei der Antragstellung zu beschreiben.
Wer sich in seinen Projekten nicht so sehr festlegen will, für den ist weniger der Zuschuss als der Kredit das passende Fördermittel – die zweite Seite der Fördermedaille. „Viele denken bei Fördermitteln immer an geschenktes Geld, dabei gehören geförderte Kredite auch dazu – und passen für das Vorhaben manchmal vielleicht sogar viel besser“, sagt Sven Gabriel, Berater aus dem Bereich Unternehmensförderung der Handelskammer Hamburg. Grundsätzlich, sagt er, werde bei Fördermitteln unterschieden zwischen Zuschüssen – das ist geschenktes Geld – und Krediten, die zwar auf Bundeseben von der KfW oder in Hamburg durch die Investitions- und Förderbank zu vergünstigten Konditionen ausgegeben werden, aber zurückgezahlt werden müssen. „Beides hat Vor- und Nachteile“, sagt Gabriel: Während Zuschüsse zwar geschenkt sind, aber oft nur einen Teil der Investitionskosten decken, müssen Förderkredite zwar zurückgezahlt werden, können in der Regel aber den kompletten Finanzierungsbedarf erfüllen.
Dementsprechend sind bei der Vergabe von Förderkrediten im Vergleich zum Zuschuss auch andere Kriterien wichtig. „Eine Bank sieht eine Förderung immer ganzheitlich“, sagt Gabriel. „Egal ob Gründung oder Erweiterung: Wie gut ist der Plan, passt das zusammen, und können Zins und Tilgung ausgeglichen werden?“ Dafür sind zwei Faktoren wichtig: erstens der Businessplan und zweitens die Sicherheiten – für beides gibt es Hilfeleistungen. In Sachen Businessplan kann die Handelskammer ihren Mitgliedern direkt weiterhelfen: Entweder erstellen Gründer ihren Plan mit Unterstützung von Experten in der Gründungswerkstatt der Handelskammer, oder sie gehen zur Konzeptberatung zu Sven Gabriel und seinen Kollegen.
Ist das Konzept überzeugend, aber es fehlen der Bank die Sicherheiten, hilft in Hamburg die Bürgschaftsgemeinschaft. Sie ist ein Konsortium aus Banken und Sparkassen, Innungen und Verbänden sowie der Handels- und der Handwerkskammer, die ein gemeinsames Ziel haben: Unternehmer und Gründer in der Stadt mit Krediten zu versorgen. Dafür tritt sie als Bürge ein, wenn Kreditnehmern die Sicherheiten fehlen – gerade bei Gründern sei das oft der Fall, sagt Gabriel. „Der Businessplan muss aber immer gut sein, denn die Bürgschaftsgemeinschaft prüft wie eine Bank, aber dafür ist die Frage nach den Sicherheiten geklärt“, sagt der Berater.
Felix Wienhöfer und Gordon Dittmann müssen ihre Förderung nicht zurückzahlen. „Was wir machen, fällt unter industrielle Forschung“, erklärt Wienhöfer, „das heißt, unsere Arbeit ist an sich ergebnissoffen, verfolgt aber schon das Ziel, die Ergebnisse hinterher auch verwenden zu können.“ Und die Chancen dafür stehen gut, denn mit der App „railfox“ steht das Projekt um das Start-up rail connect gerade erst am Anfang. „Diese App ist im Prinzip nur das Mittel zum Zweck“, erklärt Wienhöfer. Vielmehr ist es das Ziel, darüber Daten einzusammeln und so eine Plattform zu schaffen, die den gesamten Schienengüterverkehr digital vernetzt, sodass Güterfahrten in Zukunft gemeinsam geplant und effizienter umgesetzt werden können – „im Prinzip wie eine Car- Sharing-Plattform, nur für den Schienengüterverkehr“, sagt Wienhöfer. Um die Finanzierung muss sich der Gründer jedenfalls vorerst keine Gedanken mehr machen.
BUCH-TIPP:
Fördermittelwissen direkt aus der Praxis: Auf 300 Seiten beschreibt Fördermittelberater Kai Schimmelfeder, wie Unternehmen an europäische Fördermittel gelangen. Dafür bedient sich der Experte aus mehr als 10 000 Praxisbeispielen. Schimmelfeder gibt konkrete Tipps, wie bestimmte Förderprogramme für unterschiedliche Investitions- oder Innovationsvorhaben genutzt werden können und nennt Kontakte zu den entsprechenden Förderstellen. Außerdem erläutert er, wie Antragssteller Fehler vermeiden und so schneller an ihre Zuschüsse gelangen.Hardcover | 304 Seiten | ISBN-13: 9783752824711 | Verlag: Books on Demand | 49,95 €