Immer mehr Unternehmen verstärken sich mit Fach- und Führungskräften aus dem Ausland. Damit die sogenannten Expats und ihre Familien sich in der neuen Umgebung wohlfühlen, benötigen sie Unterstützung.

Sein deutsches Lieblingswort ist kurz, knapp – und selbstverständlich bayerisch: „Servus!“, das kann Carlo Ancelotti inzwischen fast akzentfrei sagen, stetig vergrößert der FC Bayern-Trainer seinen deutschen Wortschatz. Auch von seinen ausländischen Spielern verlangt er, dass sie Deutsch lernen. „Das ist ein Zeichen von Professionalität“, erklärte der Italiener in einem Interview. Für seine Zeit bei Real Madrid hat er zuvor schon Spanisch gelernt, als Trainer beim Fußballclub Chelsea sein Englisch verbessert. Sprache ist für ihn der Schlüssel zur Integration. In München stünden ihm und seinen Spielern ein Deutschlehrer zur Verfügung, sie könnten Unterrichtsstunden nehmen, wann immer sie wollten, erzählte er.
Für einen Verein wie den FC Bayern ist es Alltag, sportliche Fachkräfte aus dem Ausland zu rekrutieren, zu integrieren und damit möglichst lange erfolgreich an sich zu binden. Doch auch die deutsche Wirtschaft muss zunehmend Führungskräfte aus anderen Ländern anwerben. Denn bis 2030, so die Bundesagentur für Arbeit, wird die Zahl der Erwerbstätigen um bis zu zwei Millionen schrumpfen – während der Bedarf an hochqualifizierten Fachkräften um 530 000 Personen steigt. Schon heute beobachtet die Mehrzahl der Unternehmen (60 Prozent) einen Mangel an Fach- und Führungskräften, wie eine aktuelle Studie des IT-Branchenverbands Bitkom zeigt. Insbesondere bei den mittleren Unternehmen habe sich der Fachkräftemangel seit 2014 verstärkt (von 58 auf 61 Prozent). 69 Prozent der befragten Unternehmen geben an, dass sie aufgrund des Fachkräftemangels nicht genügend qualifizierte Bewerber in Deutschland finden und deshalb ausländische Fach- und Führungskräfte beschäftigen. Doch was kann ein Unternehmen tun, damit sich der neue Kollege aus dem Ausland nicht schon bald fühlt „wie eine Flasche leer“?

Die Zahl der Expats nimmt zu
Beispielsweise schon vorab Profis wie Kerstin Luong engagieren. Die Hamburgerin hat einen Relocation-Service gegründet, solche Dienstleister sind darauf spezialisiert, Fachkräfte, die aus dem Ausland kommen oder ins Ausland gehen, beim Umzug zu unterstützen. Expatriates, kurz Expats, werden solche Fachkräfte genannt, die meistens vorübergehend in ein anderes Land entsendet werden oder sich dort selber einen Arbeitgeber suchen. Der Begriff ist abgeleitet aus dem Lateinischen, von ex „aus“, „heraus“ und patria „Vaterland“.
In Zeiten der Globalisierung und des Fachkräftemangels gibt es immer mehr solcher Expats, gerade auch in Deutschland, das nach Amerika laut der Industriestaaten-Organisation OECD inzwischen als das zweitbeliebteste Einwanderungsland der Welt gilt. Expats sind hochmobile, oft bestens ausgebildete Arbeitnehmer, die quasi als moderne Nomaden alle paar Jahre das Land wechseln. Das stellt sie und ihre Familien immer wieder nicht nur vor organisatorische, sondern auch vor soziale Herausforderungen. Denn neben dem Zuhause als Basis muss auch das Privatleben immer wieder neu aufgebaut, neue Freundeskreise erschlossen werden – oft mit dem Gedanken im Hinterkopf, dass nach einigen Jahren wieder die Zelte abgebrochen werden.

Beim Thema Arbeitskultur kann es knirschen
Umso wichtiger ist es deshalb für die Unternehmen, ihre Arbeitnehmer aus dem Ausland bei diesem Prozess zu begleiten, so dass ihre Integration möglichst schnell gelingt. Luong bietet mit ihrem Unternehmen The Red Relocators Unterstützung bei den typischen Themen, die im Laufe eines arbeitsbedingten Wohnortwechsels relevant werden. Das beginne beispielsweise damit, eine passende Wohnung für den Arbeitnehmer oder die Arbeitnehmerin und die Familie zu finden. Weiter gehöre zum Angebot auch Hilfe bei der Organisation von Arbeitserlaubnis und Aufenthaltstitel für Familienangehörige, bei der Eröffnung von Konten, bei steuerlichen Fragen oder beim Finden der passenden Schule für die Kinder. „Wir fangen die Familie mit ihren Sorgen auf und unterstützen quasi als verlängerter Arm des zukünftigen Arbeitgebers den hochemotionalen Prozess rund um das neue Zuhause“, erläutert Luong. Die Kosten für ein Standardpaket würden sich etwa im Bereich einer Maklerprovision bewegen – eine Investition, die sich lohne und vor allem von mittelständischen Unternehmen noch unterschätzt werde. Denn gerade in den ersten kritischen Monaten entstehe durch die intensive Betreuung „eine nicht zu unterschätzende Bindung“ an den neuen Arbeitgeber, meint Luong. Darüber hinaus würden sich weitere Vorteile in der Einsparung von Opportunitätskosten ergeben: „Der Mitarbeiter ist in der Lage, sich deutlich mehr auf seine Aufgabe zu konzentrieren, als wenn er sich selber um alles kümmern oder ständig um Hilfe bei seinen Kollegen oder in der Personalabteilung bitten müsste.“ Viele Fragen könnten beispielsweise schon geklärt werden, wenn der neue Arbeitnehmer zur Wohnungssuche nach Hamburg komme und mit Luongs Kollegen auf Besichtigungstour gehe. „Die Autofahrten zwischen den Terminen sind oft ein interkulturelles Intensivtraining. Fragen zum System der Mülltrennung, zu Internet und Fernsehen, zu den besten Restaurants der heimischen Küche oder Supermärkten mit heimischen Produkten werden hier geklärt“, erzählt Luong.
Aber nicht nur vor dem Umzug, sondern auch während der ersten Monate sei die Begleitung des neuen Arbeitnehmers durch Profis wichtig. Denn gerade beim Thema Arbeitskultur könne es knirschen. „Typisch in Deutschland ist nämlich eine schwierige Kombination: Wir loben selten, äußern Kritik dafür aber extrem direkt. Das kann für manche Arbeitnehmer aus dem Ausland verstörend sein“, weiß Luong aus Gesprächen mit Kunden. In Singapur oder Japan würde beispielsweise gar keine Kritik geäußert. „Um den neuen Kollegen nicht vor den Kopf zu stoßen, ist es wichtig zu erklären, dass so eine Kritik keineswegs persönlich gemeint ist. Zum anderen sollte das inländische Team geschult werden und Kritik vielleicht weniger direkt äußern.“

Auch die Familien müssen sich wohlfühlen
Gaurab Sengupta muss lachen, wenn er solche Klischees hört. „Ich glaube, dass die deutsche Arbeitskultur sehr gut zu mir passen wird, denn mir wird immer gesagt, dass ich viel zu direkt bin“, sagt Sengupta, der bisher als Vizechef des Arzneimittelherstellers Dr. Reddy’s im englischen Cambridge gearbeitet hat und künftig für ein Pharmaunternehmen in Hamburg tätig sein wird. Seinen Umzug in die Hansestadt hat der Inder zusammen mit Luongs Red Relocators vorbereitet. „Das war sehr hilfreich, um eine schöne Wohnung zu finden in einem Stadtteil, der auch gut zu meiner Familie passt“, erklärt Sengupta, der zusammen mit seiner Frau und seinen beiden Söhnen umzieht. Schon als Kind ist er mit seinen Eltern in die USA gezogen und hat seither in verschiedenen Ländern gelebt. „Jetzt ziehe ich zum ersten Mal in ein Land, dessen Sprache ich nicht fließend spreche, davor habe ich schon Respekt“, meint Sengupta, der sich aber bereits in Cambridge mit Deutschkursen vorbereitet. Sein Tipp für alle Expats: „Man sollte eine gute Balance schaffen: Einerseits in die Kultur des neuen Landes so tief wie möglich eintauchen, sich aber andererseits zu Hause eine Komfortzone schaffen, die einem Halt gibt bei all den neuen Eindrücken.“ Anlass zu großer Sorge sei ein solcher Umzug ins Ausland aber nicht: „Am Ende trifft man überall auf Menschen.“
Woran aber kann die Integration von Fach- und Führungskräften aus dem Ausland scheitern? „Oft dann, wenn sich der mitgereiste Partner, meistens noch die Frau, und die Familie nicht wohlfühlen“, weiß Kerstin Luong. Denn während der eine Partner schnell in seinen neuen, durch die Arbeit strukturierten Alltag findet, Anschluss und sozialen Austausch über die neuen Kollegen findet, fühlt sich der andere Partner oft alleine zu Hause isoliert, vor allem dann, wenn er die Sprache des Landes nicht beherrsche. „Umso wichtiger ist es, dass das Unternehmen auch den jeweils anderen Partner bei der Arbeitssuche unterstützt oder Events veranstaltet, bei denen die ganze Familie dabei sein und sozialen Anschluss finden kann“, betont Luong. Speziell für englischsprachige Expat-Mütter gebe es in Hamburg beispielsweise die Gruppen Hamburg Mothers Meeting und Girls Gone International.

Der Business Club bietet spezielle Programme an
Auch der Business Club Hamburg bietet ab dem vierten Quartal spezielle Programme für Fach- und Führungskräfte aus dem Ausland an. Dabei können Mitgliedsunternehmen eine quartalsweise kündbare Expat-Mitgliedschaft ohne zusätzliche Aufnahmegebühr erwerben. „Die Arbeitnehmer aus dem Ausland kommen bei uns im Club schnell in Kontakt mit anderen Unternehmern und potenziellen Geschäftspartnern. Das ermöglicht nicht nur einen wirtschaftlich, sondern auch einen kulturell interessanten Austausch“, erklärt Peter Richard Stoffel, Geschäftsführer des Business Club Hamburg. Für Japaner, Südamerikaner und Chinesen wird es eigene Programme geben, pro Land beziehungsweise Region werde ein Botschafter ernannt, der als Ansprechpartner für andere Expats aus dem jeweiligen Land dienen soll. Weitere Länder sollen folgen. Ab November werden die Themen des Abends in Englisch bei der „English Lounge“ besprochen, die offen für alle Mitglieder ist. „Mir geht es dabei nicht nur darum, die Führungskräfte aus dem Ausland bei ihrer Integration zu unterstützen, sondern gerade auch unsere langjährigen Mitglieder aus Deutschland können von diesem interkulturellen Austausch sowie den potenziellen Geschäftskontakten profitieren“, betont Stoffel, der selbst lange Zeit im Ausland als Expat gearbeitet hat und deshalb deren besondere Herausforderungen kennt. „Schließlich geht es hier um Menschen und nicht um Maschinen, die in andere Länder geschickt werden. Dieser Prozess kann deshalb nur dann erfolgreich und nachhaltig sein, wenn auch das soziale und kulturelle Umfeld stimmt. Mit dem Business Club Hamburg wollen wir dazu künftig einen wichtigen Beitrag leisten.“
Und das Schöne in Hamburg: „Moin“ ist noch schneller zu lernen als das bayerische „Servus“.

 

Text: Sonja Álvarez Illustration: Stephan Kuhlmann
Sonja Álvarez schreibt für den Tagesspiegel in Berlin und das Handelsblatt in Düsseldorf – dank moderner Kommunikationstechnik ist der Standort der Redaktion aber kaum von Bedeutung.