Unternehmen müssen sich verändern, um ihren Erfolg langfristig zu sichern. Doch nur mit einem guten Change Management gelingt es, Strukturen, Strategien sowie Denk-und Verhaltensweisen von Mitarbeitern zu verändern.
Als Lisa Buckingham ihre neue Stelle beim Finanzdienstleister Lincoln Financial antritt, fallen ihr gleich in den ersten Tagen mehrere Gewohnheiten unangenehm auf: Die meisten Meetings starten erst mit fünf Minuten Verspätung, einzelne Teilnehmer hantieren während der Besprechungen mit ihrem Smartphone herum. Das kann so nicht weitergehen, ist Buckingham überzeugt, denn nach ihrer Ansicht senken permanente Verspätungen die Produktivität, „und Multitasking kann menschliche Beziehungen beeinträchtigen“. Also setzt die Personalchefin beide Verhaltensweisen auf den Index, mit Erfolg, wie sie in einem Interview mit dem „Harvard Business Manager“ berichtet: „Inzwischen fangen Meetings bei uns pünktlich an und sollte jemand währenddessen auf sein Telefon schauen müssen, verlässt er dafür kurz den Raum.“
Buckinghams Beispiel zeigt, wie bereits kleine Verhaltensänderungen enormen Einfluss auf die Arbeitskultur eines Unternehmens haben können. Nicht immer sind solche Prozesse von Erfolg gekrönt. Tatsächlich werden in nur 17 Prozent der Fälle die angestrebten Ziele des Veränderungsvorhabens vollständig erreicht, wie eine Studie der Deutschen Gesellschaft für Personalführung zeigt. Veränderungsprozesse in Unternehmen bleiben damit stets ein risikoreiches Vorhaben, doch auf den Status quo zu vertrauen, ist keine Alternative: Denn auf Stillstand zu setzen, ist das wohl größte Risiko für ein Unternehmen überhaupt – gerade angesichts der fortschreitenden Digitalisierung und Globalisierung. Nicht immer wird es reichen, wie Buckingham nur an kleinen Stellschrauben zu drehen. Oftmals müssen ganze Geschäftsmodelle auf den Kopf gestellt werden, um den Erfolg auch langfristig zu sichern. Change Management wird deshalb der Prozess genannt, unter dem sich laut Definition alle
Veränderungsprozesse in Unternehmen bleiben ein risikoreiches Vorhaben.
Aufgaben, Maßnahmen und Tätigkeiten zusammenfassen lassen, die eine umfassende, bereichsübergreifende und inhaltlich weitreichende Veränderung in einer Organisation bewirken sollen. Um neue Strategien umzusetzen, neue Strukturen, Systeme, Prozesse oder Verhaltensweisen. Allerdings gilt: Nicht jede Veränderung ist gleich „Change Management“ (siehe Kasten). Sondern erst, wenn in einem Unternehmen gewohnte Denk- und Verhaltensmuster über Bord geworfen werden, um neue Denkund Verhaltensweisen zu etablieren, kann von „ChangeManagement“ gesprochen werden, betont Change Management- Experte Georg Kraus.
Doch wenn tatsächlich viele Veränderungsvorhaben nicht vollständig gelingen, wie können dann die Erfolgsaussichten für Change-Projekte gesteigert werden? „Zuallererst dadurch, dass
Kleine und mittelständische Unternehmen gehen Change- Prozesse viel zu spät an.
sich das Unternehmen rechtzeitig mit den anstehenden und notwendigen Veränderungen beschäftigt“, betont Horst Tisson, der mehr als 30 Jahre Erfahrung im Projektmanagement hat und mit seinem Unternehmen Tisson & Company Unternehmen bei Change-Prozessen begleitet. Denn leider müsse er immer wieder k feststellen, dass viele Unternehmer Veränderungen viel zu spät angehen, vor allem aus dem Bereich der kleinen und mittelständischen Unternehmen. „Sie beschäftigen sich zwar mit dem Thema, schieben es aber vor sich her – teilweise aus finanziellen Gründen, teilweise aus organisatorischen. Aber das ist eine falsche Rechnung, denn durch zu spätes Agieren wächst das Risiko des Scheiterns.“ Das könne sich heute eigentlich kein Unternehmen mehr leisten: „Früher haben sich Unternehmen und Strategien in Dekaden verändert, heute verlaufen Veränderungsprozesse innerhalb von Wochen – teilweise disruptiv“, gibt Tisson zu bedenken.
Zwangsläufig wirkt sich die Entwicklung von der Industriezur Informations- und Wissensgesellschaft auch auf die Organisation in Unternehmen aus. Nach einer aktuellen Studie des Fachverbands Change Management im Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) zeigt sich, dass Denkmodelle und Lösungsansätze noch nicht Schritt halten können mit den wachsenden Informationsströmen, schnellerer Datenverfügbarkeit, höherer Dynamik und mehr Aufgaben. „Weit verbreitetist ein nicht mehr zeitgemäßes tayloristisches Management- und Change-Verständnis, das davon ausgeht, die Welt würde zwar komplizierter, aber nicht anders“, heißt es darin. Es gebe in Unternehmen häufig ganz unterschiedliche Auffassungen dazu, was Change ist und Veränderungsmanagement bedeutet. Reine Optimierungsaufträge der Unternehmensleitung ohne echtes Gestaltungsmandat würden Führungskräfte dem Dilemma aussetzen, etwas Grundlegendes ändern zu müssen, jedoch im Kern nichts verändern zu dürfen. „So werden lediglich Symptome behandelt“, warnen die Change-Experten des BDU. Künftig werde es darum gehen, das Bestehende grundsätzlich und immer wieder infrage zu stellen – damit aus einer statischen eine lernende Organisation werden könne. „Für die Unternehmensleitung heißt das: Fragezeichen müssen ,von oben’ wirklich gewollt sein. Für Führungskräfte heißt das, sich selbst und den Status quo immer wieder kritisch unter die Lupe zu nehmen – und dies ,nach oben’ auszuhalten.“
Viele Entscheider würden jedoch nach wie vor in der zumindest latenten Hoffnung operieren, dass die begonnene Veränderung zum Zeitpunkt X ende – „und anschließend kehrt wieder Ruhe und Erholung in den Betrieb ein.“ Tatsächlich lasse sich aber beobachten, dass neue Änderungsanlässe nicht selten bereits entstehen und Handlungsdruck auslösen würden, während aktuelle Change-Prozesse noch in vollem Gange seien. „Veränderung wird zunehmend eine nicht-lineare, das heißt ,chaotische’ und unvorhersehbare Daueraufgabe, die nur noch in Ausnahmefällen mit Ruhepausen belohnt wird“, prognostiziert der BDU. „Je früher sich die Erkenntnis durchsetzt, dass es keine ,normalen’ Jahre mehr geben wird – desto besser für das Unternehmen.“
Wenn aber Veränderung das einzig Verlässliche bleibt, wie müssen sich dann Führungskräfte verhalten, um Unternehmen in die richtige Richtung lenken zu können?
„Mit der klassischen Blut-, Schweiß- und Tränenrede lassen sich Menschen allenfalls sehr kurzfristig von einer schmerzhaften Notwendigkeit überzeugen“, heißt es in der aktuellen Change Management-Studie des Beratungsunternehmens Cap Gemini. „Um Begeisterung, Mitmachlust und Commitment zu erzeugen Sonja Álvarez schreibt für den Tagesspiegel in Berlin und das Handelsblatt in Düsseldorf – dank moderner Kommunikationstechnik ist der Standort der Redaktion aber kaum von Bedeutung. Event Tipp und über eine lange Durststrecke hinweg zu bewahren, brauchte es schon immer redegewandte, glaubwürdige und überzeugende Anführer. Leader, die es verstehen, das Ziel in leuchtenden Farben auszumalen und mit dieser Vision den beschwerlichen Weg dorthin zu pflastern oder auszuschmücken.“
Doch auch wenn der Wandel von der Spitze geplant und gesteuert werden müsse, werde er nur erreicht, wenn auch die Mitarbeiter eingebunden und motiviert werden, erläutert Horst Tisson: „Was nutzen die besten Prozesse, wenn die Mitarbeiter nicht mitziehen? Deshalb ist es stets wichtig, Mitarbeiter in die
Wichtig ist eine offene und ehrliche Kommunikation mit den Mitarbeitern.
Prozesse zu integrieren.“ Der Chef müsse ein Klima schaffen für Veränderungen und die positiven Zukunftsszenarien ausmalen. Wenn sich das Team nicht ausreichend bewege, sei ein negatives Szenario der letzte Ausweg mit dem Hinweis: „Wenn jetzt nichts passiert, dann …“ Um die Mitarbeiter nicht zu überfordern, rät Tisson, zunächst die Veränderungen in kleinen Projekten durchzuführen: „Man sollte den Elefanten nicht in einem Stück verspeisen, sondern besser in Scheiben.“
Auch Hauke Harms, der mit seiner Laserfirma Cynosure bereits zahlreiche Change Management-Prozesse durchlaufen hat, setzt auf eine offene und ehrliche Kommunikation mit den Mitarbeitern: „In großen Change-Prozessen gibt es keinen Platz für Leute, die nicht mitziehen. Wer das nicht will, der muss gehen“, sagt Harms. Change Management heiße deshalb eben auch „Change the Management.“ Er habe gelernt, dass es hilfreicher sei, sich schnell von etablierten Strukturen zu trennen, wenn der Veränderungsprozess dies erfordere, statt lange an ihnen festzuhalten. „Damit bremst man sich nur selbst aus“, betont Harms. Auch wenn es verschiedene Wege geben könne, das Ziel zu erreichen, müsse die Zielsetzung selbst stets klar kommuniziert werden.
Der BDU bestätigt in seiner Studie, dass oft noch „personal“ gedacht wird. Eine Person, beispielsweise der Geschäftsführer oder Vorstand sei „schuld daran, dass alles so gekommen ist“ und werde ersetzt. Doch oft verpuffe die Wirkung des neuen Managements schnell und die bereits bekannten Probleme tauchen wieder auf. „Der Misserfolg ist quasi vorprogrammiert, wenn der Glaubenssatz vorherrscht, dass mit dem Auswechseln des Managements die Veränderung schon gestaltet und bewältigt ist.“ Entscheidend für die wirksame und nützliche Organisation seien aber in der Regel die entsprechenden Lernprozesse der gesamten Führungsmannschaft bezüglich beispielsweise des Führungshandelns.
So, wie es auch Lisa Buckingham bei Lincoln Financial gelungen ist. Sie hat mit dem Verhalten in Meetings nur an einer kleinen Stellschraube gedreht – und damit gleich nachhaltig die Kultur im Unternehmen verändert.