Bei der UNTERNEHMENSFINANZIERUNG gibt es heute viele verschiedene Möglichkeiten, an Geld zu kommen. Immer mehr Unternehmer und Gründer entscheiden sich für alternative Wege zur klassischen Bankfinanzierung.

Bei einem Grillabend trafen Christoph Ahmadi und Till Walz die Entscheidung: Sie würden es wagen und sich gemeinsam selbstständig machen. Die Idee: Trampolinhallen eröffnen. Der Name: „Jump House“. Das Thema Trampolin war den beiden Jugendfreunden aus Ahrensburg vor einigen Jahren erstmals in den USA begegnet. Bei einer Messe erzählte ihnen ein gemeinsamer Geschäftspartner von einer Halle in Las Vegas. „Damals schien das alles noch gar nicht so mitreißend“, sagt Christoph Ahmadi. Trotzdem verfolgten sie die Entwicklung weiter. Einen Tag vor dem Grilltreffen bekamen sie ein Update aus den USA. Tenor: Die Geschäftsidee flog regelrecht durch die Decke. Für Ahmadi und Walz eine Motivation mehr, das Projekt in Deutschland zu starten. Doch wie sollten sie das Ganze finanzieren? „Wir haben viele Wege sondiert“, erzählt Ahmadi. Einer führte auch zur Bank. Die „sehr konstruktiven“ Gespräche, die sie dort hatten, brachen sie allerdings vorzeitig ab. Der Grund: eine bessere Alternative. Zwei Privatinvestoren aus ihrem Umkreis wollten sich an dem Projekt beteiligten. „Im Vergleich war das, was die Banken uns anbieten konnten, für eine Start-up-Finanzierung nicht so attraktiv wie das Investorenmodell“, erklärt Ahmadi. Gleichzeitig hatten sie so Partner im Team, „die uns sehr viel Know-how geben und das Unternehmen weiterbringen“. Business Angels statt Bankkredit – eine Finanzierungsform, die sich als äußerst erfolgreich erweisen sollte.
Wer heute ein Unternehmen finanzieren möchte, kann verschiedene Wege einschlagen. Um die Bank als traditionellen Partner machen dabei viele Unternehmer einen Bogen. Und das, obwohl die Situation für Bankkredite günstig scheint: Die Zinsen der Kreditinstitute sind niedrig und es herrscht Investitionsstimmung. In einer Unternehmensbefragung der Förderbank KfW aus diesem Jahr heißt es, das Finanzierungsklima der Unternehmen befinde sich auf einem „Allzeithoch“. Der Run auf Kredite müsste demnach groß sein. Doch Fehlanzeige. „Es war noch nie so günstig, an Kredite zu kommen, wie zurzeit“, sagt Reiner Brüggestrat, Vorstandssprecher der Hamburger Volksbank. Dennoch sei die Kreditnachfrage von Unternehmen „moderat“. Den Grund dafür sieht er vor allem in der florierenden Wirtschaft. Da es den Unternehmen sehr gut ginge, investierten sie einen großen Anteil mit eigenem Geld. „Die Kreditnachfrage hat sich sehr gespreizt“, erklärt der Bankvorstand. „Kredite für langfristige Investitionen werden nach wie vor benötigt, insbesondere für Immobilien und Betriebsmittel.“ Nicht so stark nachgefragt würden Kredite, die man in zwei bis fünf Jahren zurückzahle.
Die Zurückhaltung der Unternehmer könnte allerdings noch andere Gründe haben. Ein „krisenbedingtes Restmisstrauen“ vermutet Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank in einem Artikel der „Wirtschaftswoche“. Aufgrund schlechter Erfahrungen in der Wirtschaftskrise hätten vor allem kleinere Unternehmen das Bestreben, unabhängiger von Fremdkapital zu sein. Die große Sorge: Was, wenn bei Marktschwankungen der Geldfluss nicht mehr funktioniert?
„Bei langfristigen Krediten und hohen Beträgen gibt es keine echte Alternative zur Bank“, glaubt Bankvorstand Reiner Brüggestrat. Mad Dabelstein, Gründer und Geschäftsführer von MarConsult Schiffahrt, einem Reederei-Unternehmen, das eine Flotte aus Container-, Massengut- und Vielzweckschiffen in weltweiter Fahrt zum Einsatz bringt, sieht das anders. „Das nachhaltige Vetrauensverhältnis zu den Banken ist stark beeinträchtigt“, sagt er. Grund dafür sind „die den Banken auferlegten Vorgaben“. Nach mehr als 20 Jahren intensiver Zusammenarbeit mit Kreditinstituten stellt er fest, „dass die Bank nicht wie früher ein Partner des Unternehmers ist“. Vielmehr seien es die nicht nachvollziehbaren Richtlinien aus Brüssel, die die bisherige Geschäftspolitik der Bank beeinflussen und dem Darlehensnehmer nicht mehr das sichere Gefühl geben wie vor der Banken- und Finanzkrise. „Die Bankenwelt ist von einer Regulatorik gesteuert, die niemand durchschaut“, sagt Marcel Becker, CFO der Reederei. „Unternehmer wissen nicht, ob der Banker, der ihnen ein Darlehen gibt, morgen noch dazu stehen kann.“ Dadurch entstünden Risiken, die für einen Unternehmer unkalkulierbar seien. Die Folge: „Wir müssen alternative Finanzierungsmöglichkeiten schaffen und die Finanzierung unserer Schiffe auch über Privatinvestoren realisieren“, sagt Dabelstein. Mit ihnen hat er gute Erfahrungen gemacht. Bereits vor über 20 Jahren konnte die Reederei dank guter Kontakte ohne Bankkredit aufgebaut werden. Trotz oder gerade wegen des schwierigen Marktumfeldes zurzeit sieht die Geschäftsleitung der Reederei interessante Investitionsmöglichkeiten für private Investoren. Ihr Credo: „Die Grundlage eines jeden Geschäftes ist und bleibt unbedingtes Vertrauen zwischen den Partnern.“
Der herrschende Anlagedruck vermögender Finanziers nährt die Hoffnung manch eines Gründers oder Unternehmers mit Finanzierungsbedarf auf eine businessbeschleunigende Beteiligung von Privatinvestoren. Doch gerade in Hamburg, einer Stadt mit viel „altem Geld“, sind Risikokapitalgeber schwer zu finden. Christoph Birkel, Geschäftsführer des Technologiezentrums hit-Technopark und einer der Investoren beim Jump House, kennt die Szene. „Das Venture Capital mit all seinen Facetten hat in den letzten Jahren eine Renaissance erfahren“, erklärt er. Allerdings könnte die Szene in Hamburg noch viel mehr „Schlagkraft“ entwickeln. „Die Hamburger Pfeffersäcke sind zu traditionell und zurückhaltend“, kritisiert Birkel. „Bisher ist es noch nicht gelungen, das Privatvermögen der Stadt richtig strukturiert anzuzapfen.“ Und die Banken? „Zu denen kann man gehen, um ein Konto zu eröffnen, aber nicht, um einen Geldgeber zu finden“, meint Birkel. Wie Reederei-Inhaber Dabelstein ist er überzeugt: Der Banker als langjähriger Partner und Vertrauter, der in der Krise zu einem steht, das war einmal. Diese Rolle übernehmen heute andere Kapitalgeber. Und diese kommen immer öfter auch aus dem Ausland.
Nachdem Berlin durch die Samwer-Brüder mit ihrem Internetinkubator Rocket Internet in den letzten Jahren weltweit Aufmerksamkeit erregt hat, rückt Deutschland und damit auch Hamburg stärker ins Sichtfeld anlagewilliger Adleraugen aus der ganzen Welt. Vor allem für die Online-Branche ist das interessant. Hier sind Banken ohnehin keine Option. Als Hochrisiko- Asset eingestuft, bekommen Online-Start-ups von klassischen Kreditinstituten schnell die Tür vor der Nase zugeschlagen. Da gleichzeitig über 60 Prozent der Neugründungen digital sind, ist eine riesige Anzahl an Gründern gezwungen, sich nach Alternativen umzugucken.
In diese Lücke springt das Hamburger Unternehmen Hanse Ventures, das als Co-Gründer im Bereich Internet und Mobile agiert. Der Company Builder aus der HafenCity baut Start-ups auf und setzt spannende Ideen mit passenden Gründerteams um. „Unser Geschäft funktioniert mit Risikokapital und fällt damit in eine Risikoklasse, die viele Banken nicht eingehen können“, sagt Geschäftsführer Tobias Seikel. Rund eintausend Ideen landen jährlich bei ihm und seinem Team auf dem Tisch. Davon schaffen es grob drei bis fünf zur Gründung. Findet Hanse Ventures eine Idee und/oder den Gründer gut, werden im hauseigenen Netzwerk unter anderem geeignete Investoren für die jeweiligen Finanzierungsrunden gesucht, Formalitäten geregelt, Büros zur Verfügung gestellt. Rund 25 Experten aus allen relevanten Bereichen wie IT, Design, Business Intelligence und Onlinemarketing stehen zur Unterstützung bereit. Der Vorteil: „Eine enorme Beschleunigung“, sagt Seikel. „Der Gründer kann sich ganz darauf konzentrieren, das Unternehmen aufzubauen, während erfahrene Leute die jeweiligen Bereiche in die richtige Richtung anschieben.“ Der Preis für den Rundum-Service sind Anteile. Einen Großteil von ihnen hält bei der Gründung Hanse Ventures. Dennoch sind die Gewinne verlockend. „Wenn alles nach unseren Vorstellungen läuft, ist die Rendite nicht vergleichbar mit anderen Investitionsklassen“, schwärmt Tobias Seikel. Läuft es schlecht, droht der „Totalausfall“.
Wer sich vor großen Verlusten, verärgerten Investoren und einer Einmischung von außen schützen will, kann es auch komplett ohne Fremdkapital versuchen. Das „Bootstrapping“, das Gründen aus eigenen Mitteln, ist eine Option, die heute immer attraktiver, weil immer einfacher wird. Thorsten Kucklick, Unternehmer und Autor eines E-Books mit dem Titel: „Das 1000 Euro-Start-up“, kennt sich mit der Methode aus. Er selbst hat das Online-Unternehmen „Mein Spiel“ per Bootstrapping gegründet. Diese Form der Erstfinanzierung „passt nicht auf jedes Geschäftsvorhaben“, sagt er. „Aber die Bereiche, wo es passt, werden immer mehr.“ Grund dafür sind immer neue Online- Tools, die man für günstiges Geld mieten kann und die teure Software überflüssig machen. „So kann man sich relativ einfach eine funktionierende Unternehmensstruktur aufbauen, leichtgewichtig starten und den Markt erst einmal testen.“ Statt eines teuren Teams werden Netzwerke genutzt. Der Vorteil: absolute Unabhängigkeit. Der Nachteil: es muss gespart werden, wo es nur geht. Das ist nicht sonderlich „sexy“ und erst recht nicht spektakulär. Aber für die Anfangsphase oft sinnvoll. Wer dann einen positiven Track Record aufbaut, weckt eventuell bei einer Bank Interesse. Auch Crowdfunding oder Crowdinvesting ist bei bestimmten Vorhaben oder Projekten eine gute Möglichkeit der Finanzierung. Allerdings ist der Verwaltungsapparat enorm. Für die Aufstockung des Eigenkapitals, als Marketinginstrument oder Marktanalyse-Tool ist die Schwarm-Finanzierung bei bestimmten Vorhaben oder Projekten sinnvoll.
Die Jump House-Gründer Christoph Ahmadi und Till Walz sind aus der Erstfinanzierungsphase längst heraus. Sie haben kürzlich ihren vierten Standort eröffnet, sechs weitere Hallen sollen 2017 folgen. Von der Gründung bis heute bezeichnen die Gründer die Zusammenarbeit mit ihren Investoren als „äußerst fruchtbar und partnerschaftlich“. Die Wellenlänge zwischen den Partnern stimmt und sie sind „schnell entscheidungsfähig“. Um weiterhin schnell wachsen zu können, haben sie nun auch mit Banken wieder Gespräche aufgenommen.
Der Unterschied zu damals: ein beachtlicher Track Record, eine Auszeichnung mit dem Hamburger Gründerpreis – und Angebote der Banken mit deutlich besseren Kreditkonditionen als noch vor zwei Jahren bei der Neugründung.

 

Text: Nina Schwarz Illustration: Raphaela Schröder