Immer mehr Angestellte trauen sich, das Unternehmen, in dem sie arbeiten, zu erwerben. Zu Recht: Ein gut geplanter MAGANGEMENT BUY-OUT eröffnet nicht nur für den neuen Chef, sondern auch für die Firma große Chancen.

Nikolaus Förster erinnert sich noch sehr genau, wie ihn manche damals genannt haben: „Verrückt“. Aber vielleicht gehört eine gewisse Verrücktheit ja sogar dazu, um das zu machen, was Nikolaus Förster angepackt hat – nämlich selbst das Unternehmen zu kaufen, in dem man tätig ist. Als Management Buy-out (MBO) wird ein solcher Vorgang bezeichnet. Knapp zweieinhalb Jahre ist es jetzt her, dass Förster, der auch Mitglied im Business Club Hamburg ist, dem Verlag Gruner + Jahr im Rahmen eines MBO „Impulse“ abgekauft hat. Er, der Chefredakteur des Mittelstandsmagazins, wurde damit selbst zum Mittelständler. „Ich würde es sofort wieder tun“, sagt Förster heute. Eines allerdings würde er ganz gewiss anders machen: „Ich würde noch radikaler sein, noch mutiger.“

Wie Förster trauen sich in Deutschland immer mehr Manager, das Unternehmen zu erwerben, in dem sie angestellt sind: 127 Buy-outs hat der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BDK) im vergangenen Jahr registriert, nach einem leichten Rückgang auf 98 Buy-outs 2013 ist die Tendenz damit wieder steigend (2012: 116 Buy-outs). „Diese Entwicklung ist sicher auch auf das vorteilhafte Finanzierungsumfeld zurückzuführen sowie auf die guten wirtschaftlichen Ergebnisse und Perspektiven der Zielunternehmen“, sagt BDK-Sprecherin Janine Heidenfelder. Zudem hätten viele deutsche, aber auch internationale Fonds in den letzten Jahren neue Fonds schließen können, die nun mitten in der Investitionsphase steckten.

Dass sich überhaupt die Option für einen Management Buyout eröffnet, ist grundsätzlich bei vier Szenarien denkbar: So kann der Buy-out erstens zum Fortbestand eines Unternehmens dienen, wenn es keine Erben gibt und Beteiligungsgesellschaften im Zuge einer Unternehmensnachfolge das Unternehmen von den bisherigen privaten Eignern oder Familieneigentümern übernehmen.
Zweitens kann durch einen Buy-out ein Tochterunternehmen oder eine Geschäftseinheit eines größeren Unternehmens durch eine Beteiligungsgesellschaft übernommen werden. Drittens können Unternehmen über einen so genannten Secondary Buy-out von einer Beteiligungsgesellschaft an eine andere veräußert werden. Bei der vierten Option ist das Unternehmen wirtschaftlich angeschlagen oder dessen bisherige Inhaber wollen es nicht mehr finanzieren.

2014 gab es in Deutschland 127 Management Buy-outs – Tendenz steigend.

„Sinnvoll erscheint ein MBO insbesondere dann, wenn verhindert werden soll, dass die Konkurrenz das Geschäft beziehungsweise die auszugliedernde Sparte übernimmt“, sagt Doreen Hotze, Expertin für Unternehmensförderung in der Handelskammer Hamburg. Mit der Veräußerung an interne Führungskräfte könne sich der abgebende Unternehmer üblicherweise der Wahrung der Diskretion hinsichtlich unternehmensinterner Informationen sicher sein: „Damit ist  gewährleistet, dass sensible Daten nicht auf den freien Markt und besonders nicht in die Hände der Wettbewerber fallen.“

Im Fall von „Impulse“ hatte Gruner + Jahr Ende 2012 beschlossen, sich von nahezu all seinen Wirtschaftstiteln zu trennen. Die „Financial Times Deutschland“ wurde eingestellt, auch „Impulse“ – seit 30 Jahren im Portfolio des Verlags – drohte das Aus. Das wollte Nikolaus Förster nicht kampflos hinnehmen. Seit 2009 hatte er das Magazin als Chefredakteur geführt. „Ich war so verwoben mit der Marke. Ich hätte mir das ein Leben lang nicht verziehen, wenn ich zumindest nicht versucht hätte, ‚Impulse’ zu retten.“ Gerade weil er den Titel mit all seinen Stärken – und Schwächen – kannte, hätte es wohl keinen besseren Käufer geben können als ihn. Dennoch musste sich Förster im Rahmen eines Bieterverfahrens gegen 19 andere Wettbewerber durchsetzen – und überzeugte am Ende offensichtlich mit dem schlüssigsten Konzept und der besten Finanzierungsstrategie. Klar war jedoch: Alleine konnte er den Kauf nicht stemmen. An seine Seite holte er als Minderheitsgesellschafter deshalb den Hamburger Kaufmann Dirk Möhrle, der bis 2005 die Baumarktkette Max Bahr als Vorstandschef führte und seitdem in der Immobilienbranche tätig ist. „Bei einem Buy-out muss man sich sehr genau überlegen, wen man als Finanzierungspartner mit ins Boot holt, denn derjenige diktiert die Bedingungen. Damit der MBO auch nachhaltig funktioniert, müssen die Partner die gleichen Werte und Ziele haben. Sonst knallt es sehr schnell“, sagt Unternehmer Förster.

Auch der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften betont, dass bei einem MBO das Hauptaugenmerk auf der Finanzierung liegen sollte. Da eine Übernahme selbst kleinerer Unternehmen schnell die finanziellen Möglichkeiten eines privaten Käufers überschreite, sollte man frühzeitig geeignete Finanzierungspartner suchen. „Das kann eine Bank sein, wenn genügend Eigenkapital vorhanden ist“, erklärt BDK-Sprecherin Heidenfelder, „dagegen sind Beteiligungsgesellschaften interessante Eigenkapitalpartner, können aber auch Mezzanine-Kapital für die Finanzierung bereitstellen und sind Experten bei der Aufstellung eines geeigneten Finanzierungskonzeptes.“ Zu beobachten sei derzeit, dass Beteiligungsgesellschaften bei der Finanzierung von Buy-outs vermehrt auf spezialisierte Fremdkapitalfonds zurückgreifen würden statt auf Bankenfinanzierung. „Hier haben sich in der jüngeren Vergangenheit neue spezialisierte Fonds gebildet, die den Beteiligungsgesellschaften alternativ zu den Banken Fremdkapitalfinanzierungen aus einer Hand anbieten. Derzeit sieht es so aus, als ob diese Finanzierungsform an Bedeutung gewinnt“, sagt Heidenfelder. Förster betont, dass es bei der Suche nach einem MBO-Partner aber nicht allein um finanzielle Unterstützung gehe: „Im besten Fall bringt dieser nicht nur Kapital mit ein, sondern auch unternehmerische Erfahrung und Kontakte.“

Diesen Punkt hebt auch Thorsten Droste hervor, der im September 2014 den Personaldienstleister TimePartner mit Hauptsitz in Hamburg im Rahmen eines MBO zusammen mit Sven Kilian übernommen hat: „Den richtigen Investor zu finden, ist bei einem MBO sicher das kritischste Kriterium für den Erfolg. Denn wenn man demjenigen womöglich noch erklären muss, wie die Branche funktioniert, wird der ohnehin komplexe Vorgang noch komplizierter.“

Droste und Kilian waren bereits einige Jahre vor dem MBO Geschäftsführer bei TimePartner. Zunehmend sei bei ihnen jedoch der Wunsch gereift, selbst in die Unternehmerrolle zu wechseln, erklärt Droste als Grund für den Buy-out. „Ein internationales Bankenkonsortium mit 13 Kreditgebern bringt jede Menge Komplexität mit sich“, so Droste. Durch den MBO seien die Strukturen nun deutlich verschlankt worden. 50 Prozent haben die beiden Neu-Gesellschafter an TimePartner übernommen, der Mittelstandsfonds Auctus Capital – der den Aufbau von TimePartner bereits begleitet hatte – die anderen 50 Prozent. Zwei Jahre habe die Vorbereitung des Verkaufsprozesses gedauert. Drostes Tipp für einen möglichst reibungslosen Ablauf: „Strukturelle Hausaufgaben im Vorfeld lösen. Denn während der heißen Phase eines MBO bleibt wenig Zeit für das Tagesgeschäft.“

„Ich würde es wieder tun, aber noch mutiger sein.“
Impulse-Besitzer Nikolaus Förster

Steuer-, Rechts- und Wirtschaftsprüfungsexperten sind bei einem MBO gefragt, um das zu übernehmende Unternehmen auf Herz und Nieren zu prüfen. Hilfe bei der Erstellung des Businessplans bietet auch die Handelskammer Hamburg. „Denn neben der Finanzierung ist der Businessplan der zweite entscheidende Punkt bei einem MBO. Die Marktsituation mit Blick auf Kunden, Wettbewerber und Entwicklungspotenzial des Unternehmens gilt es dabei realistisch zu bewerten“, sagt Doreen Hotze.

Im Nachhinein würde Förster seinen Businessplan für „Impulse“ anders angehen. „So präzise wir damals Kosten und Erlöse zusammengetragen und prognostiziert haben, so unpräzise waren wir bei der Beschreibung unserer Strategie.
Letztlich schrieb der Plan in großen Teilen nur das weiter, was wir über Jahre hinweg mit Erfolg getan hatten – ein Unternehmermagazin herauszugeben und es mit neuen, margenträchtigeren Nebengeschäften zu ergänzen“, erklärt er in seinem Blog auf der „Impulse“-Website, wo er außergewöhnlich transparent Einblick in den Buy-out-Prozess gibt. Es habe mehr als ein Jahr gedauert, bis sich das Team vom Ballast der Vergangenheit befreit habe. Heute setzt er auf eine Premiumstrategie. „Impulse“ soll nicht mehr nur für ein Magazin stehen, sondern für ein Netzwerk, zu dem neuerdings auch eine Akademie gehört.

Selbstständige und Unternehmer sollen gezielt für die Marke begeistert werden, sie sollen nicht nur Leser, sondern Kunden sein. Bei diesem Umstrukturierungsprozess wäre er heute mutiger, sagt Förster. „Wir haben beispielsweise den Verkaufspreis von 7,50 Euro auf 9,90 Euro erhöht. Das ist super gelaufen und hätte man gleich damals machen können.“ Unterschätzt habe er auch die Bedeutung des Teams. „Irgendwie war es in dieser Gründungsphase verführerischer, sich mit Verve auf Zahlenkolonnen, AGB-Klauseln, Vermarktungskonzepte oder Vertriebsstrategien zu stürzen.“ Erst nach ein paar Monaten sei ihm klar geworden, wie wichtig es ist, die besten Mitarbeiter an sich zu binden, dafür zu sorgen, dass sie in einer guten Umgebung arbeiten können. „Heute bin ich davon überzeugt, dass es keinen wichtigeren Erfolgsfaktor gibt als eine herausragende Firmenkultur.“

Doch hat Förster allein schon damit seinen großen Mut bewiesen, dass er sich überhaupt für einen MBO entschieden hat in der ohnehin schwierigen Medienbranche. Zwar ist „Impulse“ aufgrund der großen Investitionen in Personal und Umbau der Marke 2014 mit einem Minus von rund 420 000 Euro in die roten Zahlen gerutscht. Schon 2015 aber will Förster mit seinem Unternehmen wieder ins Plus kommen. Ziel sei kein kurzfristiger Profit, sondern der nachhaltige Erfolg.

Ein guter Chef, so titelte das Magazin kürzlich, soll sich nicht beliebt machen – sondern überflüssig. Das hat auch Förster selbst in den vergangenen zwei Jahren seit dem MBO gelernt. Er nimmt sich nun bewusste Auszeiten – Kraft schöpfen für neue Impulse.

 

Text: Sonja Àlvarez      Illustration: Raphaela Schröder

Sonja Álvarez schreibt für den Tagesspiegel in Berlin und das Handelsblatt in Düsseldorf – dank moderner Kommunikationstechnik ist der Standort der Redaktion aber kaum von Bedeutung.