Wirtschaftssenator MICHAEL WESTHAGEMANN sieht Nachholbedarf bei der Präsentation Hamburgs als wichtigen Messestandort. Im Gespräch mit club! sagt er, wie die Hansestadt zum Hot-Spot für Messen werden kann.

club!: Herr Westhagemann, die Messe ist eines der städtischen Unternehmen, das durch Corona tief in die rotenZahlen gerutscht ist. Wie sehen Sie den Status Quo des Jahres 2022?
Michael Westhagemann: Die Messe hat das Licht am Ende des Tunnels entdeckt. Man hat sich ja ehrlicherweise nie vorstellen können, eines Tages solche Veranstaltungen wirklich komplett runterfahren zu müssen – aber so kam es ja während Corona! Und es wird zukünftig viele geben, die sagen: Drei, vier Tage Messe sind mir zu lang, da will ich gerne digital teilhaben. Hybridformate
werden deshalb eine Richtigkeit haben. Komplette Präsenzveranstaltungen machen aber Sinn, wenn Messen mehr Eventcharakter bekommen – wie etwa bei der auch dieses Jahr toll gelaufenen OMR. Warum? Weil es für die jungen Menschen abends einfach weitergeht mit Party! Ich hab deshalb gesagt: Denkt doch mal darüber nach, ob wir uns so coole Veranstaltungen auch im Technologiesektor vorstellen können.

Wie eng ist denn der Austausch zwischen Wirtschaftssenator und Messemachern?
Es ist ein Immer-wieder-mal-Kontakt, ich bin ja auch nicht im Aufsichtsrat der Messe. Aber wenn ich dazukomme, sind die nicht immer so happy. Weil ich dazu neige, gerne mal unzufrieden zu sein. Ich habe immer wieder gesagt: Besinnt euch auf die Stärken, die ihr habt! Und wenn Hamburg etwas hat, dann ist es das Vielfältige auf engstem Raum. Meines Wissens gibt es weder in Deutschland noch in Europa so eine tolle Kombination von bester Messefläche, familiär und intim, mitten in einer so attraktiven Stadt. Das muss ich besser bespielen können, das kann mir doch keiner erzählen! Jedenfalls habe ich das meinen Leuten in die Bücher geschrieben und Herrn Aufderheide auch. Ich bin zutiefst und felsenfest davon überzeugt: Wir haben so eine Stärke mit diesem Standort mitten in der Stadt, dass Hamburg Messe eine gute Zukunft hat. Gerade auch mit dem neuen CCH, von dem bin ich total begeistert. Im Bereich Kongresse und Management-Foren geht da deshalb zukünftig sicher noch einiges mehr.

Das klingt, als habe die Messe große Aufgaben vor sich und noch nicht alle Hausaufgaben gemacht …
Genau. Meine Erwartungshaltung ist: Wir müssen mehr wagen! So etwas wie die Gamescom in Köln – warum ist die nicht in Hamburg? Oder Messen mit Eventcharakter für Startups, gerne aber auch fürs Anwerben neuer Fachkräfte: Unser Mangel da ist ja unglaublich, und man hilft jungen Menschen heute, wenn man ihnen sagt, dass nicht alle Akademiker werden müssen. Oder künstliche Intelligenz, Quantencomputer, Blockchains, Biotechnologie – Sie sehen, mir fallen viele Stichworte ein. Da brauche ich Offenheit und Mut zum Auszuprobieren, wobei klar ist: Man wird da mit einem neuen Format auch mal scheitern. Wir präsentieren gerade peu à peu eine neue städtische Marketingkampagne, um nach den drei Corona-Jahren Hamburg nach außen noch mal ganz aktuell zu präsentieren. Und da werden Messe und CCH ein Baustein sein. Denn natürlich ist es wichtig, dass wir international mehr Sichtbarkeit bekommen.

Hat Hamburg ein Wahrnehmungsproblem?
Nicht an allen Stellen, aber an einigen haben wir Nachholbedarf. Insbesondere dann, wenn wir verglichen werden mit anderen Messestandorten. Mal ein Beispiel: Die Hannover-Industriemesse ist eine Weltmesse, die ist gesetzt, die kennt jeder. Oder die Internationale Funkausstellung in Berlin. Warum aber ist der Standort Hamburg zukünftig interessanter? Weil man überall viel mehr Wert legen wird auf Nachhaltigkeit – und das müssen sich auch und gerade diese Großmessen fragen lassen. Wir in Hamburg haben dafür eine sehr gute Ausgangsposition, da müssen wir weiter schieben. Die Messe hat ja auch eine Scharnierfunktion – nämlich die, noch mehr Gäste in die Stadt zu bekommen. Insbesondere im Businessbereich, weil deren Klientel geht auch mal in Hotels der höheren Kategorien. Deshalb der Auftrag: Zukunftsthemenfelder frühzeitig aufgreifen, Formate entwickeln. Es gibt hier zwei Messen, die extrem gut laufen: die alle zwei Jahre stattfindende WindEnergy und die SMM. Es braucht aber neue Leuchttürme!

MICHAEL WESTHAGEMANN
ist 65 und seit November 2018 Senator für Wirtschaft, Verkehr und Innovation. Der gelernte Starkstromelektriker studierte Informatik und arbeitete für den Computerhersteller Nixdorf. Zu Beginn der 90er Jahre wechselte ins Management von Siemens. Ab 2003 war er von Hamburg aus für den norddeutschen Bereich verantwortlich. Westhagemann leitete den Industrieverband und engagierte sich bei der Hamburger Handelskammer.

 

Text:  Jochen Harberg