Professor Dr. César Munoz Fontela, 45, ist spanischer Mikrobiologe und Virologe. Er leitet die Virus Immunologie am Bernhard-Nocht- Tropeninstitut Hamburg. In von Ebola- oder Lassafieber betroffenen Gebieten bildet er Wissenschaftler und Ärzte aus.

Um das Risiko künftiger Pandemien zu minimieren, müssen wir beginnen, menschliche Aktivitäten, die uns gefährden, zu reduzieren. Abholzung, Klimawandel, Fernreisen erhöhen die Gefahr, mit neuen Viren in Kontakt zu kommen. Aber, dies ist nicht die erste Pandemie der Menschheit: AIDS, Malaria und Tuberkulose suchen unseren Planeten noch immer heim. Es liegt jedoch sehr wohl in unserer Hand, die Maßnahmen zur Verringerung der Gefahr künftiger Pandemien umzusetzen.
Es gibt keinen anderen Ausweg als einen Impfstoff. Impfstoffe gehören zusammen mit der Entdeckung von Antibiotika zu den höchsten Errungenschaften der Wissenschaftsgeschichte. Wir neigen dazu, zu vergessen, dass bis zur Hälfte des vergangenen Jahrhunderts Infektionskrankheiten weltweit die Haupttodesursache waren, und dass leider immer noch jedes Jahr Millionen von Menschen in anderen Teilen der Welt an Krankheiten sterben, die durch eine Impfung vermeidbar gewesen wären. Während meiner Arbeit in den vergangenen zehn Jahren in mehreren afrikanischen Ländern, habe ich viele Fälle von Polio, Masern und Gelbfieber gesehen. Glauben Sie mir, es ist herzzerreißend, ein Kind zu sehen, das durch Polio verkrüppelt ist, und jedes einzelne Mal habe ich mich geschämt und gleichzeitig dankbar dafür gefühlt, dass meine eigenen Kinder in Deutschland aufwachsen und vollen Zugang zu Impfungen haben.
Das Wettrennen um einen COVID-19-Impfstoff verläuft in einem noch nie dagewesenen Tempo. Noch nie in der Geschichte der Menschheit haben Wissenschaftler in diesem Umfang kooperiert und so schnell gearbeitet, um einen Impfstoff zu erhalten. Moderne Technologie, die Fähigkeit, multiparametrische Daten sehr schnell zu analysieren, und sogar soziale Medien haben dazu beigetragen, die Impfstoffentwicklung in hohem Maße zu beschleunigen. Mitte Oktober gab es fast 200 Impfstoffkandidaten, von denen sich 25 in klinischen Studien befinden.
Ich bin optimistisch, dass wir in der ersten Hälfte des Jahres 2021 einen oder mehrere Impfstoffe gegen COVID-19 haben werden. Und ich hoffe inbrünstig, dass wir diese Anstrengung nicht durch Verschwörungstheorien und Misstrauen zunichte machen. Wenn wir wieder ein vollbesetztes Konzert oder eine Sportveranstaltung genießen wollen, werden wir einen Impfstoff brauchen. Es geht nicht darum, für die gesamte Bevölkerung eines Landes Impfstoff vorrätig zu haben. Besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen (etwa ältere Menschen, Beschäftigte im Gesundheitswesen) müssen vorrangig geschützt werden. Und wenn ein Land weiterhin Produkte an andere Länder verkaufen will, und wenn der Zustrom von Arbeitnehmern und Besuchern aufrechterhalten werden soll, müssen wir alle geschützt werden. Um die Übertragung des Virus weltweit zu verhindern, müssen fast 60 Prozent der Bevölkerung immun sein. Doch wer sorgt für eine gerechte Verteilung? Es gibt globale Bemühungen, die von der WHO und anderen internationalen Organisationen wie CEPI und der Gavi-Allianz geleitet werden. Gleichzeitig müssen wir verstehen: Viren kennen keine Ländergrenzen oder politischen Druck. Deshalb müssen wir alle an einem Strang ziehen.

 

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