Katja Kraus, 50, war Fußball- Nationalspielerin, beim HSV acht Jahre im Vorstand. Bei Jung von Matt/sports ist sie geschäftsführende Gesellschafterin, mit Ehefrau Katrin Suder betreibt sie die Beratungsagentur TAE.
Für Sportler ist es das Größte, ihr Können vor Publikum zu zeigen. Sportliche Wettkämpfe erzeugen beim Publikum ein unvergleichbares Gemeinschaftsempfinden. Sie sind Katalysator, Gesprächsstoff und Alltagsferien. Seit Corona ist das nicht mehr selbstverständlich. Die Ansteckungsgefahr hat die Menschen ängstlicher gemacht. Wir haben uns das Händeschütteln, die Umarmung nahezu abgewöhnt. Das verändert Begegnungen. Und es verändert den Sport, wenn er weitgehend ohne Zuschauer stattfindet.
Das beginnt beim Fußballtraining der Kinder, die das Tor für ihr Team nicht mit stolzem Blick zur Seitenlinie feiern können, weil Eltern am Rand auch bei den Kleinsten nicht erlaubt sind. Und betrifft die Profisportler, für die unmittelbare Resonanz des Publikums auf ihre Leistung Ansporn, manchmal Bürde, vor allem aber das Elixier ihrer Leidenschaft sind. Selbst dort, wo Tausende unter strengsten Hygienevorschriften erlaubt sind, pilgern die Zuschauer derzeit nicht in Scharen in die Sportarenen. Zu groß ist die Verunsicherung.
Doch was ist, wenn die Stadien wieder für Publikum geöffnet werden? Werden Sie sich füllen, wie in all den krisensicheren Jahren, als die Vereine sich auf eines immer verlassen konnten, die leidenschaftliche Anwesenheit ihrer Fans? Ich wünsche es mir sehr, aber ich fürchte, es wird dauern. Es ist aber eine Chance für die Veranstalter und insbesondere für die Fußballclubs, sich intensiver als bisher mit den Bedürfnissen der Menschen auseinanderzusetzen.
Ob gerade junge Fußballfans zukünftig noch alle zwei Wochen ins Stadion gehen, um ihren Club zu unterstützen, ist eine dieser Fragen. Und wie muss dieses Event dann gestaltet sein? Ist Sicherheit das oberste Bedürfnis, Entertainment, die Integration digitaler Formate, oder irgendwann vielmehr die Rückkehr zum puren Sport? Es wird in jedem Fall notwendig, den Fan als komplexen Menschen zu verstehen, um entsprechende Angebote, am besten unter Berücksichtigung der Dynamik von Veränderung, zu machen. Der Sport und besonders der Fußball sind ein unverzichtbarer Impulsgeber für die Gesellschaft. Wie Unternehmen und Institutionen auch, stellt sich Verbänden und Vereinen die Frage, wie sie die Zukunft positiv gestalten. Eine Antwort ist Haltung. Ein starkes Bekenntnis zu Werten, dem eigenen Beitrag zu einer funktionierenden Gesellschaft. Identifikation entsteht dort, wo Identität sichtbar wird und von konsequentem Handeln gestützt ist. Viel zu oft agieren die Clubs zu beliebig, haben kein sichtbares Verständnis für ihre eigene Rolle und verspielen damit ihre enorme Wirkungskraft. Diese Epidemie wird wie in allen Bereichen unseres Lebens Veränderungen beschleunigen und so manchen Verein von der Landkarte fegen, den wir jetzt noch für unverzichtbar halten. Und es ist eine Gelegenheit zu einem neuen Bekenntnis, mit Haltung und nachhaltigem Handeln, innovativ mach vorne zu gestalten und damit die Zukunftsfähigkeit des Fußballs zu sichern – und des Sports im Allgemeinen.