In Hamburg hat der Handel eine lange Tradition. Heute bieten mehr als 22 000 Unternehmen Bewohnern und Besuchern alles, was sie wünschen. Die vielfältigen Angebote machen die HANDELSMETROPOLE für die Menschen besonders attraktiv.

Die schmale Treppe hoch: Herrenschuhe, eine noble Auswahl. Und ein Verkäufer, der höflich, aber entschieden davon abrät, Fullbrogues zum Dinner-Jacket zu kombinieren. Schon gar nicht in Braun. Das passende Sakko aus Harris-Tweed gäbe es im Erdgeschoss. Seit 1845 versteht sich Ladage & Oelke als eine Art Vorposten der englischen Lebensart in Hamburg; mittlerweile, so heißt es, kommen Kunden selbst aus England an den Neuen Wall.
Nebenan in der Bücherstube Felix Jud: Annegret Schult ist eine sehr hanseatische Dame, blond, ein bisschen streng, freundlich, sehr distinguiert. Zwei, drei Sätze einer Konversation genügen ihr, und sie kann sagen, welcher Roman zu welchem Leser passt. Ähnliche Tiefblicke sind übrigens auch bei Christiansen in Ottensen zu erleben, bei Lüders im Heußweg oder bei Stephan Samtleben im Literaturhaus. Jede Branche hat ihre Feinkostabteilung. Und jede ihren McDonald’s.
Schiffsausrüstung, Haute Couture, japanische Küchenmesser. Fangfrischer Seefisch, digitale Technologie und junge Mode. Bettwäsche aus Damast, französisches Parfum und klassische Rennräder. Italienische Pasta und Wein in den Lagerhallen von Andronaco, 1643 Sorten Whisky bei Lühmann an der Lübecker Straße oder gelesene Bücher für’n Euro in der Passage unter dem Rathausmarkt: 22 000 Unternehmen liefern und präsentieren, was Besucher und Bewohner der Stadt begehren. Hamburg handelt. Aale-Dieter auf dem Fischmarkt in Altona und der Makler, der die Stufen zur Hamburger Börse hinaufeilt: Beide gehören zum Stadtbild – und zum Hamburger Wirtschaftsleben wie die Gründerin Edlyn Mauke, die über das Internet freche Dessous für die liaison dangereuse, die gefährliche Liebschaft, anbietet. Oder Unternehmen wie Otto, Tchibo und Globetrotter, die als Marktriesen im Onlinehandel längst Ton und Rhythmus vorgeben.
Online wächst. In sechs, acht Jahren, sagt die Betriebswirtin Brigitte Engler, die für das Citymanagement in Kooperation mit der Handelskammer rund 900 Geschäftsbetreiber, Gastwirte, Hoteliers, Dienstleister und Interessenverbände in der Innenstadt über die Handelspolitik der Hansestadt auf dem Laufenden hält und gemeinsame Projekte koordiniert – um 2025 werden wir 20 Prozent des Handels allein im Fashion-Bereich über das Internet abwickeln. Hält kurz inne und fährt mit einem Lächeln fort: Das heißt, dass sich bei 80 Prozent immer noch der Händler und sein Kunde direkt begegne
Das lässt sich arrangieren! Bei Birgit Basedahl in Ottensen einen Bikini aussuchen und es dann schaffen, an den Pralinen im vorderen Teil des Lädchens vorbei zu kommen. Bei Paul Löffler und Herbert Sembritzki am Grindelhof dem Knistern einer Stones-LP in Erstpressung lauschen. Unter den Gleisen der U-Bahn auf dem Isemarkt an Äpfeln aus dem Alten Land schnuppern. Bei Ernst Brendler neben dem Rathaus einen Tropenanzug anprobieren, den Helm gleich dazu. Oder bei Kendzia in der Sierichstraße eine Zeichnung von Horst Janssen entdecken und ersteigern. Was zählt, sind Begegnung, Gespräch, Austausch.
Vorbei die Zeiten, in denen ein Elektrokaufhaus wie Brinkmann in der Spitalerstraße vom Markt verschwand, weil die Kunden sich gern von sachkundigen Verkäufern beraten ließen, um dann den Commodore 64 oder die Stereoanlage im Versandhandel zu bestellen. Heute fahren die meisten Händler zweigleisig; nicht nur Warenhausketten wie Peek&Cloppenburg bieten ihre Produkte auf beiden Kanälen an, auch Fachgeschäfte mit wenig Personal wie Felix Jud oder der auf Land- und Seekarten spezialisierte Dr. Götze bewegen sich im Onlinehandel wie alte Profis. Und Sabine Falkenhagen, die patente Putzmacherin aus der Schauenburgerstraße, freut sich, wenn ihre Kunden sich schon auf der Homepage für ein kesses Hütchen entschieden haben: Manche kommen, um es noch einmal aufzuprobieren. Und manche verlassen das Geschäft dann mit einer viel mutigeren Kopfbedeckung.

Elf Milliarden Euro Umsatz im Jahr
Wir haben eine richtig tolle Innenstadt, schwärmt Brigitte Engler, die Citymanagerin: Schlendern Sie mal über den Jungfernstieg, machen Sie eine kleine Kreuzfahrt mit der weißen Alsterflotte. Bummeln Sie durch eine der Passagen, die Kaiserpassage zum Beispiel, setzen sich in ein Bistro, essen einen Salat oder nippen an einem Cappuccino. Elf Milliarden Euro Umsatz macht der Einzelhandel der Stadt pro Jahr, 18 Prozent davon entfallen auf die Geschäfte der Innenstadt. Das ist von einem eindrucksvoll großen Kuchen zwar das größte Einzelstück, aber in anderen Städten steht da bisweilen eine größere Zahl. Kein Problem, die Interessenvertreterin kennt sich aus mit den Prozentzahlen: Wir haben zwar eine städtebaulich unfassbar attraktive City, erläutert sie, aber eben auch sehr attraktive Bezirke. Und wieder stellt sie die Gegenrechnung auf: 82 Prozent also entfallen auf Alster und Elbe, auf Harburg, Wandsbek, das Karoviertel, die Schanze…
Um den Wettbewerb zu befeuern, schließen sich Eigentümer zu Initiativen zusammen, entwickeln Konzepte, ihr Umfeld noch schöner zu gestalten: neue Beleuchtung, breitere Gehwege, grüne Inseln – auf eigene Kosten zwar, aber Experten von Handelskammer und Bezirksverwaltung helfen bei Koordination und Umsetzung. Rund zwei Dutzend solcher Innovationsbereiche sind seit 2005 entstanden; im Jargon der Developer heißen sie BID, also Business Improvement Districts. Knapper: Unsere Einkaufsstraße soll schöner werden! Zur Freude der Kunden, zum Wohl der Geschäftsleute – das Sachsentor in Bergedorf, Waitzstraße und Beseler Platz in Othmarschen, Gänsemarkt und Neuer Wall in der Innenstadt und demnächst das Nikolai-Quartier zwischen Handelskammer und Rödingsmarkt für 9,3 und die Mönckebergstraße für 10,3 Millionen Euro.
In der Großen Elbstraße stehen solche Verbesserungen nicht zur Debatte. Ein paar Wirte haben Tische und Stühle auf den Bürgersteig gerückt, gleich gegenüber die Fischauktionshalle in dunkelrotem Backstein, dahinter die Elbe, silbrig und weit, der Hafen, riesige Containerschiffe, ein Meer von Kränen: Wer einen Geschäftsklima- Index als Zahlenwerk versteht, der hat nie den Betrieb auf der Straße erlebt, Leute, die hier wohnen, Einkaufsbummler, Touristen. Und der hat nie aus einem der Fenster in den oberen Etagen gesehen. Gerade ist Julius Wolf mit seiner Mannschaft aus einer Industriehalle in Langenhorn hierher gezogen; die Stimmung zwischen den Schreibtischen und Bildschirmen in dem offenen Großraum ist euphorisch. Aber schon wird es wieder eng. Pappkartons versperren den Durchgang, ein Lieferant aus China hat ein paar tausend Papiertüten mit dem Firmenlogo bedruckt. Aber die Messe, auf der sie verteilt werden sollten, ist leider beendet. Geht alles zurück, sagt der junge Gründer. Lästig!
Dabei ist dieser Julius Wolf ein mitreißend sympathischer Typ. 28 Jahre alt – alterslos, weil kein Statusmerkmal sein Auftreten als Firmenchef bestimmt, kein blauer Blazer, wie er für hanseatische Kaufleute eigentlich zur Ausgehuniform gehört, keine Krawatte, nicht mal ein Haarschnitt von Marlies Möller. Auf dem Foto seiner Goodlife Company ist er einfach einer von mittlerweile 25 jungen Leuten, die dem Fotografen einen Nussriegel oder einen Vitamindrink entgegenstrecken. Halblinks hinten, der mit dem rotblonden Zauselbart und dem Düttchen von der Größe einer Walnuss. Mathematisch hochbegabt schon als Kind, Studium in Groningen und Sao Paolo, Abschluss als Bachelor in Business Administration – und damit wäre er mittendrin in seiner Geschichte.
Sie handelt vom Abenteuer eines Start-ups, von Social Media und vom schwierigen Werben um Influencer, von Pfadfindertreue und Freundeskreisen, auch von Vertrauen und Rückhalt in der Familie. Von einer Mail aus Neuseeland, in der sein Sandkastenfreund Jannik Stuhlmann schreibt: Los, Julius, lass es uns machen! Und von dem Punkt ein paar bewegte Jahre später, an dem zwei ganz junge Unternehmer entscheiden müssen, ob sie es nun wirklich ernst meinen mit ihren Produkten und den Angestellten und dem Lebensplan als selbständige Geschäftsleute.
Am Anfang standen, erstens, der Verdruss über Nahrungsmittel, die sich als gesund ausgaben, aber zu einem Drittel aus Zucker bestanden. Zweitens die Frage, warum eigentlich jeder, der nach einem ermüdenden Tag im Seminar ein Sportstudio betritt, als Muskelmacho und Doping-Sünder abqualifiziert wird. In Holland, wo die beiden ihr Studium begonnen hatten, war das ganz anders gewesen. Lockerer. Ein Eiweiß-Shake galt dort als ungefähr so sensationell wie eine Banane. Ist ein doppelter Cheeseburger mit Pommes und Cola etwa gesünder? Und drittens: Sie wollten etwas Eigenes machen. Und nicht an der Uni hocken bleiben, bloß um irgendwann einmal zehn Prozent mehr Gehalt zu bekommen.
Das erste eigene genehmigten sie sich im März 2015, nach anderthalb Jahren: 500 Euro. Dafür hatten sie anderes Kapital angehäuft, wichtigeres – hatten mit Fremdprodukten angefangen, als reine Händler, um das Risiko überschaubar zu halten, hatten sich an die Wünsche ihrer Kunden herangetastet, Vertriebswege ausprobiert und vor allem: das Spiel mit den sozialen Medien begriffen. Pamela zum Beispiel hat als Model und Bloggerin auf Instagram dreieinhalb Millionen Fans, sagt Wolf. Wenn sie denen vermittelt, wie toll unsere Nussriegel oder die Müslimischungen sind, dann haben wir mehr Kontakte und eine höhere Trefferquote, als jede Anzeige in der Brigitte oder Men’s Health erreichen kann. Und das, nebenbei, zu einem Bruchteil des Preises.

Ein Start-up auf der Erfolgsspur
Es ist der Kunde, der das Spielfeld bestimmt. Kontakte und Zustimmung sind die Anzahlung auf den Erfolg. Professionelle Influencer wie Pamela Reif vereinen den Glamour eines Popstars mit Glaubwürdigkeit und Nähe eines guten Freundes; ihr Wort gilt etwas bei denen, die den scheinbar persönlichen Meinungen und Bekenntnissen in der U-Bahn und auf dem Pausenhof per Smartphone folgen. Inzwischen hat die Goodlife Company selbst rund 55.000 treue Follower, die jedes neue Angebot sehen und bewerten. Persönliche Ansprache, überzeugend verbreitet, vielfach multipliziert. Adieu Werbeabteilung. Hallo Zukunft!
Im laufenden Jahr werden sie beim Umsatz wohl noch knapp unter einem zweistelligen Millionenergebnis liegen, sagt Wolf. Dafür haben sie sich strategisch auf eine Pole Position geschoben: Wer so stabile Sympathie bei seinen Kunden genießt, der kann eigene Produkte entwickeln und dabei neben dem Vertrieb über das Internet auch die klassischen Wege gehen, Budni, Edeka und so weiter. Die neue Marke der Company heißt Hej, weil das so schön schwedisch und entspannt klingt. Und wenn das Regal im Supermarkt auch eine besonders hitzige Arena ist – im Konkurrenzkampf gegen Power! und Attack! wird sanfte Freundlichkeit eine willkommene Erholung sein. Es sind ja nur Nussriegel, bio, glutenfrei und ohne Zucker. Aber es steckt auch eine Haltung dahinter, eine Aussage über den, der sie anbietet, und den, der sie kauft.
Wir wollen bleiben, sagt Wolf. Wir gründen nicht, um zu verkaufen. In fünf Jahren, dann ist das Unternehmen zehn, soll Hej auch in den Regalen von Ica in Skandinavien, Carrefour in Frankreich und Albert Heijn in den Niederlanden liegen. Und die Kunden sollen sich gestatten, etwas freundlicher mit sich selbst und ihrer Gesundheit umzugehen. Der junge Unternehmer zeigt Zähne: Wir wollen die Alternative zu Snickers sein! Der übersüße Schokoriegel mit Erdnüssen ist ein Produkt von Mars Incorporated, 80 000 Mitarbeiter, 35 Milliarden Dollar Umsatz, einer der größten Konzerne der Welt. Und dann sagt dieser Julius Wolf noch etwas, was bei einem aus seiner Generation und in seiner Lebenslage zunächst ungewöhnlich klingt: Ich wollte schon immer ein ehrbarer Hamburger Kaufmann sein.
Natürlich steckt auch hinter dieser Haltung eine Geschichte. Wolfs Vater Reinhard Wolf war Geschäftsführer der Handelskammer, zuständig für Infrastruktur, die Elbvertiefung, die Olympiabewerbung. Und ein Familienmensch. Wenn sich die 1517 gegründete Versammlung eines Ehrbaren Kaufmanns zu Hamburg jedes Jahr Ende Dezember traf, um ihr Bekenntnis zu Anstand und Redlichkeit, Weitblick und Maß zu erneuern, durften die drei Kinder immer wieder dabei sein. Heute prüft und hinterfragt er jede meiner Ideen, sagt Julius, der Jüngste. Er ist mein wichtigster Sparringspartner. Aber die Werte des ehrbaren Geschäfts sind mir seit damals vertraut.
Wahrscheinlich ist es genau diese Tradition, die einen wie André Kowalew seit 25 Jahren in der Stadt hält. Wenn Besuch kommt, aus Omsk in Sibirien, von der türkischen Schwarzmeerküste, aus Moskau, Belgrad oder Warschau, dann weiß der Mann aus St. Petersburg, was er den Geschäftspartnern von seiner neuen Heimat zeigen und erzählen kann: die schönen Stadtvillen in Winterhude, weil er selbst dort wohnt, die Alster, den Michel, HafenCity und Elbphilharmonie; er weiß, warum die Reeperbahn Reeperbahn heißt – wegen der langen Schiffstaue nämlich, der Reeps, die einst dort geschlagen wurden. Und er weiß auch, warum die Handelskammer die einzige in Deutschland ist, deren Kürzel HK nicht ein „I“ für „Industrie- und“ vorangestellt ist.

Man geht hier anders miteinander um
Weil in Hamburg der Handel das Leben bestimmt. Weil er der Stadt ihren nachhaltigen Wohlstand gebracht und sogar das Wesen der Bürger geprägt hat: ihre Offenheit und Toleranz, ihre so pragmatische wie menschlich kluge Erkenntnis, dass Handel nur auf Augenhöhe Erfolg verspricht, und dass diesem Erfolg nur Dauer beschieden ist, wenn sich am Ende beide Seiten zufrieden vom Tisch erheben. Der ehrbare Kaufmann ist kein Narr, sagt Kowalew. Aber weiß auch, dass er nicht allein auf der Welt ist.
Vor zehn Jahren habe die Stadt Magdeburg ihm ein Grundstück angeboten, 20.000 Quadratmeter für einen Euro, direkt an der Autobahn. Ideal eigentlich. Er sei aber lieber in Hamburg geblieben, draußen in Billbrook, 130 Euro der Quadratmeter. Das Klima, sagt Kowalew. Man geht hier anders miteinander um. Ob er ein bisschen handeln konnte? Den Preis drücken mit Hinweis auf das Angebot der fremden Stadt? Ich bitte Sie!, antwortet er. So läuft das nicht in Hamburg!
Zahnarzt war er gewesen, doch in den 1990er Jahren, selber knapp 30, verließ er St. Petersburg. Das Leben dort, sagt er, sei nicht mehr zu ertragen gewesen. Nicht für den erfolgreichen Leiter einer Klinik jedenfalls, nicht mit einer Ehefrau, die ebenfalls Ärztin war, und mit und mit einem kleinen Sohn. Und schon gar nicht für Menschen, die eine große, schöne Wohnung hatten, ehrgeizige Pläne für den Rest ihres noch jungen Lebens, aber keinen Leibwächter.

Wodka aus Sibirien, Eiscreme aus Moskau
Nicht alles in Hamburg funktionierte, wie der Mediziner es sich vorgestellt hatte. Was aber funktionierte, waren Sprache und Kontakte, Umgangsformen und Vertrautheit mit der hier fremden Kultur, ein entschlossenes Gespür für Chance und Notwendigkeit und ein sensibles Verständnis für Heimweh. Sehr weit ist es von da nicht zu den Tugenden des ehrbaren Kaufmanns. Kowalew wuchs also in sein Geschäft hinein, eine eigene, lange Geschichte. Heute importiert er Wodka aus Sibirien und Kaviar vom Kaspischen Meer, lässt in Rostock Teigtaschen nach heimatlichem Rezept füllen und liefert Moskauer Eiscreme, extra sahnig, an so gut wie jede Supermarktkette zwischen Neumünster und Neckarsulm. 70 Millionen Euro Jahresumsatz, über 100 Mitarbeiter. Immer bis ins Regal. Ein Selfmademan ist eben einer, der die Dinge selber in die Hand nimmt.
Und längst sind es nicht mehr nur Russen oder Polen, Rumänen, Serben oder Türken, die Lebensmittel aus ihrer fernen Heimat unter Markennamen wie Dovgan oder Plombir aus den Truhen fischen – wer fünf, sechs Millionen Kunden in Deutschland erreichen will, der muss über seine Grenzen hinausspringen. Die Fußball-WM in Russland war ein großer Auftritt, Kowalew hatte sich schon vorher passend positioniert: Mainz 05 oder Borussia Dortmund sind bewährte Partner. Und der HSV? Hätte nahegelegen, räumt er ein. Irgendwann vielleicht. Aber die sind fest in den Händen von Unilever.
Ihr halbes Reich – na schön: ein gutes Stück davon hat Brigitte Engler im Blick, wenn sie aus dem Fenster ihres Büros schaut: Zu ihren Füßen überquert die Adolphsbrücke das Fleet, gegenüber kreuzt die Straße den Neuen Wall, der noch ein bisschen edler wirkt, seit die zweite Stufe der Verschönerungen im Rahmen des BID-Programms abgeschlossen und die dritte auf den Weg gebracht wurde. Investitionsvolumen: 13 Millionen Euro. Rechts beginnen die Alsterarkaden.
Die Leiterin des Hamburger Citymanagement kann also jeden Tag den Erfolg ihrer Arbeit abschätzen. Sie sieht die Passanten vor den Geschäften, weiß um die stolze Zahl von Touristen, die nach Hamburg kommen, um ihr Geld in eleganten, gepflegten, gut sortierten und exklusiven Geschäften auszugeben. Sie weiß auch, dass Hamburger auf das schöne Angebot dort unten ruhig noch ein bisschen dankbarer reagieren könnten. Und wenn sie den Blick hinaufhebt zu den Dächern, auf denen sich hier und da ein Penthouse über den Geschäftsbetrieb erhebt, dann wird ihr auch deutlich, warum ihr innerstädtischer Wirkungskreis zwischen, grob umrissen, Neustadt, Glockengießerwall und Elbphilharmonie immer wieder eine echte Herausforderung ist: Ab 21 Uhr ist es hier eher dünn besiedelt, sagt sie dann, diplomatisch gehärtet in zwölf Jahren Umgang mit ein paar Hundert Verkäufern im Dauerwettbewerb. Und fügt hinzu, als hätte nicht jeder Städteplaner davor gewarnt, seit die Innenstädte zu Business Districts ausgebaut wurden: Was uns fehlt, sind Menschen, die hier wohnen.

 

Text: Martin Tschechne