„Hamburg hat bundesweit einen Vorsprung“

Als Leiter des Vereins Hamburg@work ist Uwe Jens Neumann seit Jahren aktiv, um den Digitalisierungprozess in Hamburg zu unterstützen. Der engagierte Netzwerker bringt Menschen zusammen und sorgt für die Vernetzung der verschiedenen Cluster.

club!:Herr Neumann, Sie haben den Verein Hamburg@work 1997 mitgegründet. Was tun Sie genau?
Uwe Jens Neumann: Wir sind ein Netzwerk der digitalen Wirtschaft, übrigens das älteste seiner Art in Deutschland. Unser Ziel ist es, Brücken zu bauen zwischen den einzelnen Clustern und in die Branchen. Wir wollen digitale Transformationsprozesse in der Wirtschaft unterstützen.

Wie sieht das konkret aus?
Wir bringen die Akteure zusammen. Wir vernetzen. Zum Beispiel auf Events wie den IT-Strategietagen. Dort treffen sich über 800 Konferenzteilnehmer, überwiegend CIOs und andere ITEntscheider plus Unternehmensberater und Hersteller.

Wie ist Hamburg@work entstanden?
Unsere Anfänge liegen in der Digitalisierung der Medienwirtschaft. Das liegt daran, dass vor gut 20 Jahren das Thema Internet auch in Hamburg angekommen war und die Medienleute die ersten waren, die das Thema aufgriffen, während alle anderen noch gar nicht wussten, was sie damit anfangen sollten. Damals nannten wir uns „Förderkreis Multimedia“ und die gemeinsame Initiative mit der Stadt „hamburg-newmedia@work“. Als die New-Media-Blase platzte, haben wir den Namen geändert. Heute vernetzen wir vor allem cluster-übergreifend. Besonders die Branchen der Medienwirtschaft, Logistik, Gesundheits- und Finanzwirtschaft.

Wie ist Hamburg beim Thema Digitalisierung aufgestellt?
Die Stadt hat sich sehr früh mit dem Thema befasst. Und kann sich damit durchaus rühmen. Dadurch hat Hamburg im bundesweiten Vergleich einen Vorsprung. Den gilt es zu halten. In Berlin gibt es zwar eine sehr kreative Start-up-Szene, die sich über alle Bereiche erstreckt, aber wenn Sie Wirtschaftskraft und echte Fachleute mit Erfahrung suchen, finden Sie die eher in Hamburg als in Berlin.

Was ist die größte Herausforderung in Zukunft?
Die Stadt muss mit ihrer eigenen Organisation die fortschreitende Digitalisierung unterstützen lernen und erforderliche Prozesse selber abbilden. Wenn man zum Beispiel eine Genehmigung für Innovatives braucht, die verschiedene Behörden betrifft, hätte man ein Problem, wenn diese nicht miteinander reden würden. Dass die Leitstelle Digitale Stadt eingerichtet wurde, die so etwas koordiniert, ist ein wichtiger Schritt und eine Folge der Initiative nextmedia.Hamburg und Hamburg@work. Gleichzeitig gilt es für den Bund, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der Digitalisierung besser unterstützt und auch von den Ländern umgesetzt werden kann. Olaf Scholz ist da übrigens ein innovativer Vorreiter, um solche Themen durch den Bundesrat zu treiben.

Ein entscheidendes Thema ist der Datenschutz.
Genau. Dinge müssen möglich, aber auch sicher gemacht werden. Die Daten werden eh erhoben, da habe ich sie doch lieber in einem eigenen europäischen System. Ich persönlich empfehle, die erforderliche Gewinnung von Daten nicht zu beschränken, sondern sicherzustellen, dass sie anonymisiert bleiben. Dann bleiben auch persönliche Daten sicher.

Welche Branche braucht denn bei der Digitalisierung am meisten Hilfe?
Die meisten Branchen haben in den letzten Jahren noch wenig Digitalisierung in den Kernprozessen erfahren und bieten demzufolge großes Potenzial. Die Medienwirtschaft hat dagegen weniger Potenzial, weil sie einfach schon einen sehr hohen Digitalisierungsgrad erreicht hat. Entscheidend ist, dass die Kernprozesse eines Unternehmens digitalisiert werden. Nur weil man einen Rechner auf dem Tisch hat, heißt das nicht, dass man sein Unternehmen digitalisiert hat.

Was machen Sie mit den Branchen, die sich sträuben?
Wir drängen uns nicht auf, wir bieten uns an. Und so richtig sträubt sich ja niemand. Manche gehen eher zurückhaltend vor. Nehmen wir die Finanzwirtschaft. Die stellen plötzlich fest, dass ihr klassisches Angebot von der Generation Y gar nicht abgefragt wird. Die jungen Leute wollen keine klassische Filiale, keine Kreditkarte, die wollen Bitcoins und mit dem Handy zahlen. So lange keiner ein bahnbrechendes Angebot auf den Markt bringt, ist es einfach nur eine blöde Entwicklung. Hinzu kommt, dass es sich bei der Finanzwirtschaft um einen regulierten Markt handelt. Doch plötzlich taucht ein innovativer Branchenfremder mit Geld auf und fährt den Banken in die Seite. Geschäftsmodell perdu! Das nennt man dann Disruption.

Sie spielen auf das Hamburger Unternehmen Kreditech an?
Richtig. Das Irre ist ja, dass Kreditech in Deutschland noch keine Leistung anbieten darf, weil das Unternehmen nach deutschen Regeln keine Bankenlizenz bekommt. Die bedienen aber mittlerweile von Hamburg aus die halbe Welt. Wenige dieser jungen Innovativen bei Kreditech haben eine Bankausbildung. Die haben einfach schlaue Ideen und können mit IT umgehen. Da bleibt Deutschland irgendwann nichts anderes übrig als zu sagen, wir akzeptieren das jetzt. Diese neuen Finanzhäuser heizen dem Markt mächtig ein.

Und Sie beraten die alten Banken?
Wir werden angesprochen und wir und unsere Mitgliedsunternehmen helfen gern. Es gibt Anfragen von Bankvorständen, ob wir uns „nicht mal zusammensetzen“ können.

Ihr Ziel für das Jahr 2025?
Wir wollen im Jahr 2025 DAS „Hamburger Innovation Cluster“ sein und einen Beitrag liefern, dass die Digitalisierung in allen Branchen so funktioniert, wie es in der Medienwirtschaft schon heute der Fall ist.

 

Uwe Jens Neumann ist Vorsitzender des Vorstands und Mitbegründer von Hamburg@work e.V. Er ist zudem Mitglied im Lenkungsausschuss der Initiative nextmedia.Hamburg der Hamburger Senatskanzlei, die sich speziell mit dem Digitalisierungsprozess in der Medienwirtschaft befasst. Neumann hat langjährige Berufs- und Managementerfahrung in Vertrieb, Marketing und Projektmanagement großer deutscher und internationaler IT- und Telekommunikationsunternehmen und in der Wirtschaftsförderung.

 

Gespräch: Nina Schwarz Fotos: Martina van Kann