Viele Projekte, die das Leben in der Zukunft verändern werden, sind in Hamburg bereits auf den Weg gebracht. Der Erste Bürgermeister PETER TSCHENTSCHER sagt, was geplant ist.

Club!: Herr Tschentscher, Busse fahren autonom, Drohnen liefern Pakete aus: Sieht so die Mobilität der Zukunft aus?
Peter Tschentscher: Diese Beispiele sind bereits Realität und werden in Hamburg getestet. Darüber hinaus gibt es On-Demand-Shuttles, digitale Mobilitätsplattformen und in Zukunft auch autonom fahrende U-Bahnen. Vieles davon wird im Herbst beim Weltkongress für Intelligente Transportsysteme ITS 2021 präsentiert. Wir bauen unser Radwegenetz aus und investieren Milliarden in das U- und S-Bahn-System, mit neuen Linien, dichteren Takten und modernen Fahrzeugen. In den kommenden Jahren bis 2030 wollen wir den Hamburg Takt aufbauen, mit dem man überall in der Stadt innerhalb von fünf Minuten ein Angebot des Öffentlichen Nahverkehrs erreichen kann. Auch die Logistik soll nachhaltiger und effizienter werden. In der City wird der Lieferverkehr bereits zu einem großen Teil CO2-frei abgewickelt. Das wollen wir für die ganze Stadt erreichen. Kurz gesagt: die Mobilität der Zukunft in Hamburg ist emissionsfrei, komfortabel und digital vernetzt.

Die Bevölkerung wächst weiter, aber Menschen zieht es auch aufs Land. Wie verändert sich das Leben in der Stadt?
Hamburg hat seit 2011 ein deutschlandweit einmaliges Wohnungsbauprogramm umgesetzt und ermöglicht jedes Jahr den Bau von 10 000 Wohnungen. Dadurch ist es gelungen, den starken Anstieg der Mieten zu bremsen. Mit dem Hamburger Drittelmix stellen wir sicher, dass viele Neubauwohnungen öffentlich gefördert werden und für Menschen mit geringem Einkommen zur Verfügung stehen. In vielen Stadtteilen entstehen Quartiere von hoher Lebensqualität: mit Kitas und Schulen, Spiel- und Sportplätzen, mit Parks, Einkaufsmöglichkeiten und guter Anbindung an Bus und Bahn. Große Projekte sind die HafenCity, die Mitte Altona oder der Grasbrook. Vielfältige Quartiere sind wichtig, denn das unmittelbare Wohnumfeld wird wieder stärker zum Lebensmittelpunkt der Bürgerinnen und Bürger. Viele arbeiten häufiger von zuhause aus und kommunizieren digital. Das wird in einem gewissen Umfang auch nach der Corona-Pandemie so bleiben.

Der Hafen als Wirtschaftsfaktor für Hamburg schwächelt. Wie findet er zurück zu alter Stärke?
Der Hamburger Hafen ist stark und kommt besser durch die Corona-Krise, als viele es vorausgesagt haben. Nach einer Studie des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik erzielt er deutschlandweit eine Bruttowertschöpfung von rund 50 Mrd. Euro, mehr als 600 000 Arbeitsplätze sind direkt und mittelbar mit ihm verbunden. Ein großer Vorteil gegenüber Rotterdam und Antwerpen ist die hervorragende Schienenanbindung, über die Güter schnell, wirtschaftlich und klimafreundlich weitertransportiert werden können. Hamburg ist der größte Eisenbahnhafen in Europa. Durch die Elbvertiefung können auch die größten Containerschiffe Hamburg wieder einfacher und mit mehr Ladung anlaufen. Die Bauarbeiten sind abgeschlossen, die Freigabe erfolgt voraussichtlich bis Mitte des Jahres. In den nächsten Jahren werden die Abläufe im Hafen weiter modernisiert. Dabei setzen wir auf Digitalisierung, Vernetzung und Verringerung von Emissionen.

Eine Stütze soll auch das frühere Kohlekraftwerk in Moorburg werden – als Produzent von grünem Wasserstoff. Wo entstehen die Technologien, die Hamburg in Zukunft erfolgreich machen?
Wasserstoff ist ein zentraler Energieträger der Energiewende. Hergestellt aus erneuerbaren Energien kann er fossile Quellen ersetzen: in der Industrie, im Verkehr, als flexibler Energiespeicher und in vielen weiteren Bereichen. Unser Ziel ist es, der größte Wasserstoff-Standort im Norden zu werden. In Moorburg planen wir einen 100-Megawatt- Elektrolyseur zur Herstellung von grünem Wasserstoff aus norddeutscher Windenergie. Der Umstieg auf klimafreundliche Technologien ist ein Transformationsprozess von historischer Dimension. Wer bei der Entwicklung dieser Technologien erfolgreich ist, wird auch wirtschaftlich gewinnen. Es geht um die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie, es geht um Wertschöpfung, Wohlstand und gute, zukunftsfähige Arbeitsplätze. An vielen Orten in Hamburg werden zukunftsweisende Technologien entwickelt: auf Finkenwerder im Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung, in Harburg maritime Logistik und Klimaschutztechnologien und in Bergedorf Windenergie und Lasertechnik. Der größte Hamburger Innovationspark entsteht in Altona im Umfeld des DESY. Mit der zukünftigen „Science City Bahrenfeld“ widmen wir einen gesamten Stadtteil der Forschung und Entwicklung.

Gesundheit war schon vor Corona ein Lifestyle-Trend. Was sind die Lehren aus der Krise – und was die Chancen?
Hamburg hat ein hervorragendes Gesundheitssystem und bietet der gesamten Metropolregion eine medizinische Versorgung auf höchstem Niveau. Das Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf gehört zu den besten Einrichtungen der Universitätsmedizin in Europa und war eines der ersten komplett digitalisierten Krankenhäuser Deutschlands. Die Hamburger Gesundheitsämter haben in der Corona-Pandemie in wenigen Monaten und damit deutlich früher als in anderen Bundesländern ein integriertes IT-System eingeführt, mit dem alle wesentlichen Schritte der Infektionserfassung, Kontaktverfolgung und Quarantäneüberwachung digital bearbeitet werden können. Roboter können Präzision und Sicherheit in der operativen Medizin verbessern und werden in den Hamburger Kliniken bereits eingesetzt. Auch die Telemedizin wird in Hamburg bereits genutzt, um zum Beispiel in der Psychiatrie, der Rheumatologie oder der Kardiologie medizinisches Expertenwissen in eine breitere Anwendung zu bringen. Mit dem Hamburger „Digital Health Hub“ arbeiten Wissenschaftler, Start-ups und etablierte Unternehmen gemeinsam an vielen weiteren Projekten, um die Digitalisierung und Innovation in der Medizin voranzubringen.

 

Foto: Roland Magunia