Strom, Wasser, Verkehr, Internet: Jeden Tag kümmern sich Menschen um das, was viele für selbstverständlich halten – die Grundversorgung der Hansestadt. club! hat einige der Personen, die Hamburg vernetzen, an ihrem Arbeitsplatz besucht.

Für Thomas Dankers ist es ein Job am Puls der Stadt. Der 55-Jährige leitet die Busleitstelle der Hamburger Hochbahn. Insgesamt 115 Linien in einem Streckennetz von 927 Kilometern haben er und seine Kollegen im Blick. Sie überwachen die Verkehrslage auf je sechs Bildschirmen pro Arbeitsplatz und der großen Bildschirmwand am Kopfende. Verschiedene Farben – grün für planmäßig, blau für verspätet und rot für Störungen – zeigen, wie die Situation aktuell auf den Buslinien ist. Sind die Knotenpunkte der Stadt verstopft, gibt es einen Unfall oder eine Sperrung, muss die Leitstelle für Ersatz-Busse oder neue Routen sorgen.
Wer Dankers an seinem Arbeitsplatz über die Schulter schaut, der blickt auf eine vernetzte Stadt. Die Live-Bilder von den Straßen in der City, die aufeinander abgestimmte Taktung der Buslinien: Alles ist im Fluss, ein Rad greift in das andere – und einige wenige Menschen halten die Fäden in der Hand. Wenn es einen Fehler gibt im System, eine Störung, dann sollen die Leute in der Stadt möglichst wenig, am besten gar nichts davon mitbekommen. Ein bisschen ist es wie bei Fußballschiedsrichtern: Wenn sie nicht auffallen, haben sie in der Regel einen guten Job gemacht.
Von diesen Schiedsrichtern gibt es eine ganze Menge in Hamburg. Menschen, die sich um das kümmern, was viele für selbstverständlich halten: die Grundversorgung der Hansestadt. Sie sorgen dafür, dass die Verbindung ins Internet funktioniert, der Strom aus der Steckdose kommt, das Wasser aus dem Wasserhahn fließt oder die Wohnung geheizt werden kann. Dass die Busse pünktlich abfahren, die Schiffe im Hafen mit grüner Energie versorgt werden können oder das schmutzige Abwasser vom Dreck befreit wird.
In einer so sehr vernetzten Stadt wird eine Sache immer wichtiger: die Versorgung mit schnellem Internet. Warum das so ist, wird im Gespräch mit Ulf Jasser deutlich. Er ist Leiter der Abteilung „Connected Cities and Regions“ bei der Telekom-Tochter „t-systems“. Mit seinem Team aus insgesamt acht Mitarbeitern macht er Hamburg jeden Tag ein bisschen smarter. Zum Beispiel beim Thema Mobilität. Ein Parksystem für Autos mit Schnittstelle zum öffentlichen Nahverkehr, intelligente Ampeln oder ein Taktungstool für Lastwagen auf dem Weg zu den Terminals im Hamburger Hafen gehören zu seinen Smart-City-Projekten. Damit sie gelingen, ist ein leistungsstarkes Internet die wichtigste Voraussetzung. Und darum kümmert sich die Telekom direkt selbst. Zum Beispiel, in dem sie den 5G-Ausbau in der Innenstadt vorantreibt und die Lücken im Glasfasernetzt schließt – sowohl für Unternehmen als auch für die privaten Haushalte in der Stadt.
Neben dem Internet gibt es in der Hansestadt noch mehr smarte Systeme, die Hamburg miteinander vernetzen – und zentral gesteuert werden. Gerade dieser Aspekt wird in einer sich wandelnden Metropole immer wichtiger, weil die Anforderungen an ihre Infrastruktur steigen. Zum Beispiel bei der Stromversorgung. Aktuell sind in Hamburg bereits mehr als 5000 Elektro- oder Hybridfahrzeuge unterwegs. In fünf Jahren sollen es zehnmal so viele sein – und alle müssen sie irgendwie geladen werden. Damit die Ladestationen und Anschlüsse für zu Hause das Netz nicht überlasten, wollen Stromnetz Hamburg und Siemens auch diese Netzstationen digitalisieren, um aus der Ferne darauf zugreifen zu können. Das Pilotprojekt dazu ist gerade gestartet.
Eine ähnliche Herausforderung stellt die Versorgung der Schiffe im Hafen mit Landstrom dar. Bisher lassen die Brummis ihre Dieselaggregate für die Stromerzeugen einfach laufen. Das ist schlecht für die Umwelt, daher will die Stadt sie mit grüner Energie von Land versorgen. Nur: Wenn ein Kreuzfahrtschiff am Kai an- und schon nach wenigen Stunden wieder ablegt, dazwischen aber Spitzenlasten von bis zu 13 Megawatt fordert, ist das eine große Belastungsprobe für das Stromnetz. Aber auch hierfür gibt es schon Lösungen.
Beim Thema Wärme spielt Umweltschutz ebenfalls eine gewichtige Rolle. Das liegt auch daran, dass Hamburg nach wie vor einen Großteil der Energie für das Wärmenetz der Stadt aus der umweltschädlichen Steinkohle gewinnt. Der städtische Energieversorger Hamburg Energie antwortet darauf mit Quartierslösungen. Mit dezentralen Kraftwerken wird die Energie dort erzeugt, wo sie verbraucht wird: vor Ort im Wohngebiet.
Ob bei „t-systems“, der Hochbahn, Stromnetz Hamburg, Hamburg Wasser, Hamburg Energie oder bei Becker Marine Systems im Harburger Hafen: Überall in der Stadt ist zu sehen, wie intelligente Netze das Leben in der Metropole fast unbemerkt erleichtern. Das club!-Magazin hat die Menschen besucht, die Hamburg vernetzen.

 

Internet

Smarte Stadt


Ohne Internet ist Ulf Jasser aufgeschmissen. Der IT-Experte ist Leiter des Teams „Connected Cities and Regions“ bei der Telekom-Tochter „t-systems“. Mit seinen acht Mitarbeitern kümmert er sich um Smart-City-Projekte wie „Park & Joy“. Das ist ein intelligentes Parksystem, das Autofahrern in Hamburg freie Parkplätze anzeigt, sie dorthin navigiert und das Bezahlen per App abwickelt. Wo freie Flächen sind, erkennen Sensoren im Boden, die ihre Daten über das Mobilfunknetz übermitteln. „Die Grundlage dafür ist also leistungsstarkes Internet“, sagt Jasser.
Da passt es gut, dass Hamburg Vorreiter ist beim Ausbau des neuen Mobilfunkstandards 5G. Mit Bandbreiten von bis zu 10 Gigabit pro Sekunde ist diese Netzgeneration fast 100- mal schneller ist als ihr Vorgänger LTE. Bis zu 40 neue Antennen hat die Telekom gemeinsam mit der Stadt Anfang des Jahres bereits installiert. Neben dem mobilen Netz kümmert sich die Telekom in Hamburg auch um den Breitbandausbau. Lediglich ein bis zwei Prozent der Haushalte sind hier noch unterversorgt. Diese Lücke will die Stadt gemeinsam mit dem Bonner Konzern schließen und die rund 9300 Haushalte und 1000 Unternehmen bis Anfang 2021 mit schnellem Internet versorgen. Ein Erfolg, über den sich auch Ulf Jasser freut.

 

Trinkwasser

Wasser Marsch!


Dass er inzwischen mehr Verständnis hat für das Spiel und dessen Bedeutung für den Wasserverbrauch in der Stadt, verdankt Viktor Leikam seinem zehnjährigen Sohn. Der ist Fußballfan, genauer gesagt HSV-Anhänger, und hat dem eher nicht fußballinteressierten Vater erklärt, warum man als Zuschauer beispielsweise für den Toilettengang möglichst bis zur Halbzeit wartet.
Als es in seiner Schicht zum ersten Mal passierte, hatte Leikam, Wassermeister des Hauptpumpwerks in Rothenburgsort, keine Idee für den ungewöhnlichen Kurvenverlauf auf seinem Monitor. Inzwischen hat sich der 43-Jährige darauf eingestellt, dass etwa während eines Champions League-Finales mit deutscher Beteiligung die Halbzeit von den Fernsehzuschauern als Pinkelpause genutzt wird. Das System schlägt Alarm, weil es denkt, es handle sich um einen Rohrbruch. In diesem Fall schaltet Leikam eine zusätzliche Pumpe dazu, um den Druckausfall im Wassersystem der Stadt auszugleichen.
Seit 1994 arbeitet er bei Hamburg Wasser. 1990 kam er mit seinen Eltern als Aussiedler aus einer russischen Kleinstadt nahe Wolgograd. Nach einer Lehre als Industriemechaniker machte er noch seinen Handwerksmeister und begann als Maschinist in der Leitwarte. Seit zehn Jahren ist er Wassermeister und damit zuständig für Qualität und gleichmäßige Versorgung von Haushalten und Unternehmen in der Zone Mitte. Er und seine Kollegen arbeiten rund um die Uhr im Schichtdienst.
Die Leitwarte ist zugleich Zentralstelle für alle Störmeldungen und allgemeine Anliegen aus dem Versorgungsgebiet. Die riesigen unterirdischen Reinwasserbehälter in Rothenburgsort haben ein Speichervolumen von rund 100 000 Kubikmetern. Sie wirken als Puffer zwischen den Förderbrunnen und Aufbereitungsanlagen, die möglichst gleichmäßig betrieben werden müssen, um den schwankenden Wasserbedarf auszugleichen. Hamburgs Trinkwasser wird zurzeit aus rund 470 Brunnen gespeist. In 16 Wasserwerken wird es aufbereitet und läuft dabei durch Filter in Speichersysteme. Eines der Wasserwerke befindet sich in Rothenburgsort. Von hier aus wird es ins Versorgungsnetz eingespeist und versorgt das Zentrum der Stadt sowie den gesamten östlichen Teil Hamburgs – von Winterhude bis Altengamme.
In der Leitwarte in Rothenburgsort werden die aus Sicherheitsgründen doppelt vorhandenen Pumpen gesteuert sowie die gespeicherten Wassermengen geregelt. Von hier aus können auch sämtliche Wasserwerke überwacht und gesteuert werden. Mit Prozessrechnern und Programmen werden Wasserbedarfsprognosen und Modellrechnungen für den Betrieb der Wasserwerke erstellt. Die Monitore an Leikams Arbeitsplatz sowie eine große Tafel mit Schaltkreisen am Kopf des Raumes zeigen die Leitungen und Pumpstationen der Stadt. Leuchtet eine rote Warnleuchte auf, heißt das, ein Aggregat oder eine Pumpe muss eventuell von der Leitung genommen werden, ein Ersatz zugeschaltet. Auch Wartungsarbeiten gehören zum Job des Wassermeisters. Hat er Bereitschaft, muss er notfalls auch mal rausfahren zum Ort der Störung. „Das macht meine Arbeit so spannend“, sagt Leikam. „Man weiß nie, was der Tag bringt.“

 

Strom

Unter Spannung


Hochspannungsarbeit liegt Konstantin Fiz in den Genen. Sein Vater ist Mechatroniker, die Mutter Elektro-Ingenieurin. Und der 36-Jährige sitzt dort, wo Elektroenergie zusammenläuft: in der Netzführung, der Schaltzentrale des Verteilungsnetzes von Stromnetz Hamburg. Hier kümmern er und seine Kollegen sich um eine reibungslose Verteilung im Stromnetz der Stadt.
Vier Übertragungsnetzbetreiber transportieren Strom hierzulande zu etwa 900 Verteilnetzbetreibern. Über Höchstspannungsleitungen (380 Kilovolt) gelangt die elektrische Energie nach Hamburg. Hier wandeln sie drei große Hauptverteilwerke auf 110 Kilovolt um und speisen sie ins Verteilernetz ein. In 54 Umspannwerken wird der Strom von der Hoch- auf die Mittelspannung (10 Kilovolt) transformiert und gelangt über 7681 Kunden- und Netzstationen ins Netz der Niederspannungsebene (400 Volt), also an Haushalte und Gewerbebetriebe.
Kommt es zur Störung, ist Fiz gefragt. Auf einem seiner fünf Monitore leuchtet die Fehlermeldung rot auf. Für den Ernstfall ist vorgesorgt: „Alle Systeme sind redundant“, sagt Fiz. Im besten Fall bekommt der Kunde von der Störung nichts mit – und im Schnitt ist sie nach elf Minuten behoben. Der anspruchsvolle Job in der Netzführung bedarf einer umfassenden Ausbildung. Fiz hängte zudem ein Studium als E-Techniker an. Stressresistenz ist an seinem Arbeitsplatz Voraussetzung. „Wir müssen jedes Jahr zur Schulung, um den worst case zu proben“, sagt er. Da helfen ein gewisses Phlegma – und sicher auch die Gene.

 

Wärme

Energie aus der Erde


„Heute ist ein aufregender Tag“, sagt Ingo Schultz und schnappt sich seinen Bauhelm. Zwei Jahre hat er mit seinen Kollegen die Wärmeversorgung für das Wohnquartier der Hansa-Baugenossenschaft am Billstedter Dudenweg geplant. „Seit gestern läuft das Blockheizkraftwerk“, sagt er auf dem Weg zur Baustelle.
Schultz war Leistungssportler. Deutscher Meister, Europa- und Vizeweltmeister über die 400-Meter-Strecke. Entdeckt in einer Sportgruppe der Bundeswehr, an deren Universität er Elektrotechnik studierte. Heute ist der 44-Jährige Teamleiter Wärme beim städtischen Energieversorger Hamburg Energie. Mit seinem Team entwickelt er autarke Wärmekonzepte für Wohnquartiere. Also Lösungen, die unabhängig sind vom Fernwärmenetz der Stadt, das seine Energie immer noch zu zwei Dritteln aus umweltschädlicher Steinkohle gewinnt. Hamburg Energie hingegen will mit seinen Quartierslösungen die Energie dort erzeugen, wo sie auch verbraucht wird: vor Ort.
Zum Beispiel am Dudenweg. Herzstück des Wärmekonzepts ist das unterirdische Blockheizkraftwerk. Hier treiben Bio- oder Erdgas einen Generator an, der mechanische in elektrische Energie umwandelt – also in Strom. Neben Strom entsteht dabei aber auch Wärme, die gespeichert oder direkt an die künftig mehr als 600 Haushalte im Quartier abgegeben wird. Zusätzlich wandelt eine Solarthermieanlage Sonnenstrahlen in Wärme. „So sparen wir etwa 850 Tonnen C02 im Jahr“, sagt Schultz – „und wir fangen gerade erst an.“ Zehn weitere Projekte sind zurzeit schon in Planung.

 

Landstrom

Schwimmende Akkus


Ein Blick aus seinem Bürofenster genügt – und Dirk Lehmann ist direkt beim Thema. „Von dort kommen 85 Prozent des Hamburger Stroms“, sagt er und zeigt auf die qualmenden Türme des Kohlekraftwerks Moorburg – „das dreckigste Kraftwerk des Landes, 2014 ans Netz gegangen. Und wir reden vom Kohleausstieg.“
Kohleausstieg? Eigentlich sollte es mit dem Chef von Becker Marine Systems um die Energieversorgung des Hafens gehen. Aber genau dort schließt sich der Kreis zu Moorburg.  Wird ein Kreuzfahrtschiff mit Landstrom versorgt, kommt auch der zu großen Teilen aus dem Kohlekraftwerk. „Das heißt, die sollen ihre Dieselmotoren abschalten, um sich an so eine Dreckschleuder zu stöpseln“, erklärt Lehmann. Das alles ärgert den 56-Jährigen gerade deshalb so sehr, weil seine Firma, Weltmarktführer von Schiffsrudern und Antriebssystemen, die ideale Lösung längst parat hatte: Ein Lastkahn, Barge genannt, der mit Hilfe mehrerer Schiffsmotoren aus Erdgas Strom erzeugt und Kreuzfahrtschiffe vom Wasser aus mit grüner Energie versorgt. Das Projekt wurde mit 7,2 Millionen Euro vom Bund und der EU gefördert und von Aida Cruises unterstützt. „Aber die Stadt hatte scheinbar kein Interesse“, sagt Lehmann.
Dennoch hat sich der Aufwand gelohnt. Dank eines Deals mit der HHLA ist das schwimmende Blockheizkraftwerk nun für die Energieversorgung zweier Terminals im Einsatz. Darüber hinaus versorgt es den Süden der Stadt vom Wasser aus mit Wärme. Zudem ist die Barge zum Vorbild geworden für eine ganz neue Technologie: der Powerbox. Das ist ein mit Motor und Gastank aufgerüsteter Container, der auf dieselbe Weise Strom erzeugt wie der Lastkahn. Nur schwimmt die Powerbox nicht auf dem Wasser, sondern steht an Land – und versorgt das Schiff quasi mit Landstrom. Zwei Powerboxen testet Becker Marine Systems bereits im Hafen. So kommen Lehmann und die Stadt vielleicht doch noch zusammen.

 


Abwasser

Kleine Dreckfresser


Der milde Winter war ein gefundenes Fressen für die Bakterien, denn bei warmen Temperaturen erledigen sie ihre Arbeit am liebsten. In den Faultürmen von Hamburgs einzigem Klärwerk wandeln sie Klärschlamm in Methan, indem sie den Dreck wegfressen und in Energie umwandeln. Dieter Zwillus und seine 50 Kollegen haben diesen Vorgang genau im Blick – an fünf Monitoren kann der Abwassermeister die Messkurve ablesen.
In der Anlagen nahe der Köhlbrandbrücke wird das Abwasser der gesamten Metropolregion Hamburg gereinigt. Bis zu 400 000 Kubikmeter kommen täglich hier an. Das entspricht in etwa der Wassermenge der Binnenalster.
Zunächst wird der grobe Dreck mechanisch aus dem Schmutzwasser geholt. Nach einer ersten biologischen Bearbeitung in den Klärbecken kommt der Klärschlamm in die „Eier“ genannten Faultürme. Dort zerlegen Bakterien bei 36 Grad und luftdicht abgeschlossen die organischen Stoffe in Methan und CO2. Die so entstandene Energie nutzt das Klärwerk zur Stromversorgung, das Faulgase wird ins Gasnetz der Stadt eingespeist und das saubere Wasser in die Elbe geleitet.

 

Text: Alexander Siebert Fotos: Martina van Kann