Der Verfahrenstechniker DETLEV WÖSTEN ist Ingenieur und Betriebswirt in einer Person. Was das eine Ich als technische Lösung erfindet, prüft das andere Ich auf seine Realisierbarkeit.

Der Hafen ist Schnittpunkt zahlloser Energien. Für Detlev Wösten ein Ort, an dem sich Natur und Technik begegnen.

Als begeisterter Wanderer und Golfer erlebte Detlev Wösten immer wieder, wie sich seine körperlichen Energien verbrauchten, während die Freude am Sport ihm gleichzeitig neue Energien zuführte. Es war, als würde er bei diesem Prozess ein Naturgesetz am eigenen Leibe erfahren: das Gesetz von der Erhaltung der Energie. „Energie“, erklärt er, „verschwindet ja nie. Sie wird immer bloß umgewandelt.“ Mit diesem Grundsatz aus dem Lehrbuch der Physik ist sein Gedanke jedoch noch nicht zu Ende. Einen Moment lang fällt sein Blick aus dem Fenster seines Büros am Sandtorkai auf die Hafencity, wo die Umwandlung von Energie, sichtbar und unsichtbar zwischen den kreischenden Baukränen und den lautlosen Modulen elektronischer Datenverarbeitungssysteme allgegenwärtig ist.

„Bei jeder Umwandlung“, fährt er fort, „geht es auch immer um den Wirkungsgrad. Und damit ist man bei den Themen Effizienz und Prozessoptimierung bei der Herstellung von Produkten.“ Und Detlev Wösten ist bei sich selber angekommen – als Diplom- Ingenieur für Energie- und Verfahrenstechnik, stellvertretender Vorstand des Spezialchemie-Unternehmens H&R AG. War es auch, wie er selbst sagt, „dem einen oder anderen Zufall geschuldet“, dass sein Berufsweg ihn zur Energie- und Verfahrenstechnik führte, so war seine Richtung doch frühzeitig erkennbar. Als Sohn einer Bauunternehmerfamilie im Emsland wuchs er bereits mit den drei Komponenten auf, die den Charakter seiner Tätigkeit ausmachen: vom Bau die Technik, vom Unternehmertum die Betriebswirtschaft, von der ländlichen Umgebung des Schifferstädtchens Haren an der Ems die Natur.

„Diese Elemente, die man von zu Hause mitbekommt, sind meines Erachtens letztlich doch größere Werte als jeder Kurs im Studium.“ Damit will er freilich sein Studium an den Universitäten von Hannover und im nordenglischen Bradford nicht kleinreden. Kurse zum Beispiel über multivariable Systeme mit komplexen Fragestellungen haben ihn schließlich darauf vorbereitet, was im Laufe seines Berufsweges sein täglich Brot geworden ist: Kosten und qualitätsoptimierte Entscheidungen zutreffen – und dabei das Mögliche mit dem Realisierbaren auszubalancieren.

An der Universität hatte er allerdings noch keine Vorstellung von der Vielzahl und Komplexität der Lebensbereiche, in die ihn sein Weg führen würde. Vom optimalen Rohstoffeinsatz bei der Weißölproduktion, zu Lippenstiften, Druckfarben, Autoreifen… Alles Produkte, deren Herstellung von den 800 rohölbasierten Erzeugnissen der H&R-Gruppe ermöglicht wird, die 2008 zum ersten Male die Umsatzschwelle von einer Miiliarde Euro übertraf. Fragt man Detlev Wösten, ob er sich im Grunde seines Herzens mehr als Entwicklungstechniker oder mehr als Betriebswirt empfindet, antwortet er ohne Zögern: „Wesentlich ist es als Entscheider, beides unter einen Hut zu bringen.“ Das sei ja gerade der besondere Reiz.

Angesichts der neuen Herausforderungen durch die Energiewende beschäftigte er sich mit der Frage, wie sich die Kosten für Strom einerseits und für Wärme und Kälte andererseits entwickeln würden, da letztlich alle Energien unverzichtbar für petrochemische Prozesse sind.

Einige Zeit später stellte er auf eine betriebswirtschaftliche Basis, was dem Ingenieur Wösten zu dieser Kostenproblematik technologisch eingefallen war. Nämlich ein Verfahren, Kälte nicht mehr aus teurem Strom zu erzeugen, sondern aus dem Abfallprodukt Abwärme. „Man muss“, sagt Wösten, „eben immer neue Formen der Energieumwandlung finden.“ In der Produktion, im Büro am Schreibtisch wie in der Natur beim Sport.

 

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Text: Uwe Prieser Foto: Martina van Kann