Ihr Vater gründete die S-A-M Reparaturtechnick GmbH, die auf die Reparatur von Schiffen spezialisiert ist. Tochter Birte Jung machte ihr eigenes Ding. Bis der Vater fragte, ob sie in die Firma einsteigen würde. Sie sagte zu und steht jetzt in der Männerwelt ihren Mann.

Die Funken sprühen. Die spitze Flamme leuchtet knallgelb und das Zischen von Gas und Sauerstoff macht richtig Lärm. In blauer Arbeitskleidung und mit Schutzbrille macht sich Birte Jung in ihrer Werkhalle daran, eine große Stahlplatte mit dem Schneidbrenner zu teilen. Mit sicherer Hand führt sie die glühendheiße Spitze des Brenners die gewünschte Linie entlang, bis eines der Metallteile mit lautem Getöse auf den Boden fällt. Geschafft. „Das mache ich zwar nicht so häufig“, sagt die Geschäftsführerin der S-A-M Reparaturtechnik GmbH, „aber wenn es sein muss, packe ich schon mit an.“
Dabei hatte die 40-jährige Betriebswirtin gar nicht im Sinn, in das Familienunternehmen einzusteigen. Zwar hatte sie sich nach ihrer Ausbildung eine Zeit lang um den kaufmännischen Bereich in der Firma gekümmert, entschied sich dann aber, eigene Wege zu gehen und arbeitete im Controlling bei Ethalon und dem Softwareunternehmen SAP. Hier konnte Birte Jung ihre Stärke, die Affinität zu Zahlen und das logische Denken, perfekt einbringen. Sie fühlte sich wohl in ihrem Job und ein Wechsel in das väterliche Unternehmen war für die zweifache Mutter kein Thema.
Das wurde es allerdings im Jahr 2010. „Mein Vater wollte das Unternehmen neu aufstellen und fragte mich, ob ich es nicht gemeinsam mit meinem Bruder Bjoern führen möchte. Ich habe ein bisschen überlegt und mir gesagt, dass ich dort viele Dinge tun kann, die Spaß machen“, erinnert sich Birte Jung. Also sagte sie zu und wechselte von Businessdress und Schreibtisch zu Blaumann und Werkstatt. Ein mutiger Schritt in die von Männern dominierte maritime Welt. Doch die Entscheidung fiel der Tochter nicht schwer, auch wenn sie zugibt, dass sie „schon ein wenig Angst hatte, ob ich alles richtig mache“. „Aber wenn man Urvertrauen in sich selber hat, dann hilft das bei solch einer Entscheidung“, sagt die Geschäftsführerin heute.
Viele der handwerklichen Fähigkeiten, die in ihrem Job nötig sind, hat sich die S-A-M-Chefin selbst angeeignet und wenn sie mit ihrem Reparatur-Team auf ein Schiff im Hafen kommt, wird sie behandelt wie ihre männlichen Kollegen. Obwohl: „Zuerst wird man beäugt, aber nach kurzer Zeit sind die Männer von der Schiffsbesatzung froh, dass endlich einmal eine Frau an Bord ist. Und wenn ich etwas abbrenne oder schleife, dann sind immer helfende Hände da“, sagt Jung.
Wenn Birte Jung nicht irgendwo in der Welt Tanks, Luken oder Schiffswände repariert, sitzt sie am Computer, um die benötigten Reparaturteile zu entwickeln. Diese gehen dann in eine computergesteuerte Plasma-Brennanlage und werden dort auf den Millimeter genau gefertigt. Das zweite Standbein der Firma sind Konstruktionen für große Industrieanlagen. „Wir machen alles, was mit Stahl zu tun hat.“ Doch am liebsten repariert Birte Jung Schiffe.
In Spitzenzeiten ist sie sieben Tage 24 Stunden im Dienst. Doch die Schifffahrtskrise hat auch ihr Unternehmen getroffen. „Es geht uns gut, aber es könnte besser sein“, sagt Jung. Indes: Es hat auch Vorteile, wenn sie nicht jeden Tag in die Werkshalle nach Steinwerder muss. Dann kann Birte Jung etwas für ihre Fitness tun. Seit zwei Jahren geht sie einmal pro Woche zum Boxtraining. Boxen? „Eine Freundin hat mich überredet und es hat mir so gefallen, dass ich dabei geblieben bin“, erzählt sie.
Ihre Fäuste benötigte Birte Jung bislang noch nicht, um sich bei den Seeleuten durchzusetzen, denn mit ihrem geschulten Auge, cleveren Entscheidungen und schnellen Händen schafft es die Boxerin auch an Bord, ihren Mann zu stehen.

 

Kontakt
S-A-M Reparaturtechnik GmbH
Hermann-Blohm-Straße 3
20475 Hamburg
040 30 08 48-0
birte.jung@sam-shiprepair.de
www.sam-shiprepair.de

 

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Text: Achim Schneider Foto: Martina van Kann