„Nicht ausgeschlossen, dass Trump 2020 erneut zum Präsidenten gewählt wird.“

Acht Jahre lang war ANSGAR GRAW als Korrespondent der Zeitung „Die Welt“ in den USA. Kaum ein Journalist kennt Präsident Trump so gut wie er. Im Club überraschte er mit der Aussage, dass er sogar eine Wiederwahl für möglich hält.

TRUMP! Der Name allein genügt, um bei Millionen Menschen einen Tsunami an Gefühlen ausbrechen zu lassen. Von Auflehnung und Ablehnung, von Ratlosigkeit und Ängsten. Noch bevor Tina Morgenstern vom Business Club den Buchautor von „Trump verrückt die Welt“ vorstellen konnte, war aus den Reihen der Gäste zu hören: „Ob ich erwarte, hier Neues über Trump zu erfahren? Ja – wann er endlich zurücktreten muss.“
„Ich glaube nicht an sein nahes Ende. Er wird nicht zurücktreten. Aus jeder juristischen Falle hat sich Trump bisher herausgewunden. Und eine Amtsenthebung ist politisch in Amerika nicht durchzusetzen.“
Da stand er am Vortragspult im Business Club, mit offenem Hemdkragen und unauffälligem Jackett, der Arbeitskleidung des Journalisten, und brachte, sachlich und klar, erst einmal Ernüchterung: Ansgar Graw, Chefreporter der Welt und als Washington-Korrespondent von 2009 bis 2017 intimer Kenner und kluger Analytiker der amerikanischen Politik. „Ich halte es auch überhaupt nicht für ausgeschlossen, dass er 2020 erneut zum Präsidenten der USA gewählt wird.“
Vor ihm, in den Stuhlreihen, war jetzt nicht einmal ein Räuspern zu hören. „Natürlich ist Trump ein Lügner“, behielt Ansgar Graw seinen klaren Blick. „Er lügt so regelmäßig, wie andere Leute atmen. Im Wahlkampf hat er bei einer Pressekonferenz ausführlich von seinem ersten Treffen mit Putin erzählt. Wenig später von dem zweiten in einem Fernsehinterview. Dabei war es für amerikanische Journalisten ein Leichtes, zu beweisen, dass es diese Treffen nie gegeben hat.“
Als Zuhörer fragte man sich da spontan: „Ist der Kerl denn ganz verrückt?“ Das besondere Verdienst von Ansgar Graw an diesem Abend aber war, dass man erkannte, mit schnellen Urteilen ist diesem Selbstdarsteller im Präsidentenamt nicht beizukommen. Die Wahrheit ist wohl eher, dass es diesem Selbstverliebten völlig egal ist, wenn Gegner ihn als Lügner entlarven. „Im Wahlkampf hat Donald Trump öffentlich behauptet: Ich kann jetzt auf der Fifth Avenue einen Menschen erschießen und kein Wähler wird mir untreu dadurch“, brachte Ansgar Graw die „unglaubliche Bedeutung Donald Trumps für seine Anhänger“ auf den Punkt. Der Satz schockiert! „Man muss aber auch wissen“, so der journalistische Wahlbegleiter, „Trump wollte nie Präsident werden. Bei der Amtseinführung hat seine Frau geweint, ganz sicher nicht aus Freude. Ich will der berühmteste Mensch der Welt werden, das war sein ehrgeiziges Ziel.“ Dass man das nicht mit sorgfältig austarierten und von den eigenen Presseleuten polierten Statements wird, wusste der abgezockte Deal-Maker natürlich. Doch einem Mann, der Milliarden scheffelt, vertrauten viele Amerikaner besonders.
„Dabei ist sein Erfolg als Unternehmer im Grunde auch eine Lüge“, korrigierte Graw. „Wenn er die 40 Millionen Dollar, die er 1974 vom Vater erbte, in Aktien angelegt hätte, besäße er heute 13 und nicht drei oder vier Milliarden.“
Wenn wir Gründe aufzählen, warum Donald Trump für die wohl größte Wahlsensation in den USA sorgen konnte, schwingt immer die bange Frage mit: „Kann so etwas auch bei uns passieren?“ Und jeden Tag wird das „Ja“ auf die Frage lauter. Übrigens, beim ersten Besuch Angela Merkels bekam Ansgar Graw einen Einblick ganz besonderer Art. „Die Presseleute hatten ihrem Präsidenten kurze Nachrichten über Deutschland zusammengestellt. Ihn interessierten nur zwei. Dass Deutschland die meisten Zoos in der Welt hat. Und dass man Strafe zahlen muss, wenn man auf der Autobahn mit leerem Tank liegen bleibt.“ Was soll man dazu noch sagen?
„Aber ich warne vor einer blindwütigen moralischen Abwertung des Mannes“, fasste der Buchautor von „Trump verrückt die Welt“ zusammen. „Er kann der wirkungsmächtigste Präsident Amerikas werden.“

 

Text: Norbert Scheid Fotos: Martina van Kann