1946 in Stade geboren, hat STEFAN AUST mehr als 50 Jahre deutsche Geschichte als Journalist in der ersten Reihe begleitet. Seine Biografie ZEITREISE erinnert Leser und Zuhörer daher auch an ihre eigene Geschichte. Ein besonderer Abend im Club.

Er ist schon eine Erscheinung, auch wenn er nicht groß von Statur ist. Als Stefan Aust zum Talk auf die Bühne des Business Clubs stieg wurde es still im Raum. Nachdem Geschäftsführer Peter Richard Stoffel den Gast mit warmen Worten begrüßt hatte, war dieser schon auf Betriebstemperatur. Die Ärmel hochgekrempelt und das Mikrofon kurz auf seine Funktionstüchtigkeit gecheckt („Hört man mich?“), gab Aust seinem gegenüber, dem Fernsehmoderator Ralph Baudach das Startsignal: „Na denn mal los!“

Wenn von Stefan Aust die Rede ist, dann denkt man sofort an den Spiegel. Moderator Ralph Baudach stellt dann auch gleich zu Anfang salopp fest: „Durch seine Arbeit hat Stefan Aust eine Fülle von zeithistorischen Erlebnissen geprägt. Ohne ihn hätte es die Nachkriegsgeschichte eigentlich gar nicht gegeben.“ „Für mich jedenfalls nicht“, antwortet der 75-Jährige schlagfertig. Schon sein Vater habe den Spiegel früher gelesen, soll ihn aber als Scheißblatt bezeichnet haben. So generell können man das nicht sagen, erwidert Aust. Die Familie hatte nicht viel Geld und so kam das Magazin über den Lesezirkel nach Hause. Er hat das Blatt sehr genau gelesen und die Geschichte, an die ich mich erinnert habe ist die, dass wir nach der Sturmflutkatastrophe eine Etage höher ziehen mussten in unserem Haus in Stader Sand, weil es am Außendeich lag. Wir haben bei unseren Nachbarn im Fernsehen die Besetzung des Pressehauses im Zuge der Spiegel-Affäre gesehen und da hat mein Vater gesagt: „Sollen sie das Scheißblatt doch endlich verbieten. Glücklicherweise habe der Vater nicht mehr miterleben müssen, dass Aust später dort gearbeitet habe.

Eigentlich wollte Stefan Aust Verleger werden („weil ich nicht schreiben konnte“). Schon für seine Schülerzeitung hat er Autoren eingekauft, weil er gute Texte brauchte, um die Zeitung auf der anderen Straßenseite verkaufen zu können. Damals engagierte er zukünftige Koryphäen wie Hendrik Broder oder Heiner Bremer, der später Chefredakteur beim Stern war. Erst als er später beim NDR tätig war und die geschnittenen TV-Beiträge betexten musste, hat das mit dem Schreiben geklappt. „Ich habe gemerkt, dass ich schreiben kann, wenn ich etwas zu erzählen habe, sonst nicht“, sagt er. Auch wenn er als früherer Spiegel-Chef bekannt ist, stellt Stefan Aust klar: „Die meiste Zeit meines Berufslebens war ich beim Fernsehen tätig. Ich war 15 Jahre beim NDR und habe lange Jahre Panorama gemacht. Dort habe ich das Schreiben entlang der Realität gelernt. Das prägt einen sehr.“

Als er Anfang der 70er Jahre bei der Zeitschrift Konkret arbeitete knüpfte Stefan Aust erste Kontakte in die linke Szene, lernte die spätere Terroristin Ulrike Meinhof kennen. Wie er es geschafft hat, immer distanziert zu bleiben und Freundschaftliches und Berufliches nicht zu vermischen? „Ich habe nie an etwas geglaubt. Weder an politische Ideen noch an religiöse Dinge. Ich habe immer ersucht, die Realität in den Vordergrund zu stellen.“ Konkret ist in die Zeit der Studentenbewegung hineingeraten und dort hat er Ulrike Meinhof, die Kolumnistin war, kennengelernt. „Zu der Zeit habe ich viele Leute kennengelernt, die in der linken Szene aktiv waren – von Rudi Dutschke und Otto Schily bis Peter Schneider. Ich bin aber nie mit „Ho-Ho-Ho-Chi Minh!“ über den Kurfürstendamm marschiert. Ich war zwar gegen den Vietnamkrieg, aber nicht für die Diktatur in Nordvietnam. Ulrike Meinhof war gedanklich und politisch sehr nahe an der DDR, aber das war für mich indiskutabel. Ob der Geheimdienst ihn anwerben wollte, fragte Ralph Baudach. Horst Herold wollte den gut vernetzten Journalisten für das BKA gewinnen, „doch die Geheimdienste hatten schnell gemerkt, dass ich nichts für mich behalten konnte“.

Sein Antrieb als Journalist war und ist die Aufklärung, auch wenn es ihm „häufig nicht gelungen“ ist. In seinem Buch hat er für einige Fälle, mit denen er sich sehr intensiv beschäftigt hat und die bis heute nicht aufgeklärt sind, vorsichtig Möglichkeiten skizziert, wie es hätte gewesen sein können. Der Abgang nach 14 Jahren beim Spiegel „war nicht schön“. Nach dem Tod von Rudolf Augstein war ihm klar „dass meine Tage dort gezählt waren“. „Am Ende war ich heilfroh, dass ich da weg war.“

Eine Frage interessierte den Moderator noch an diesem Abend: „Warum ist der Journalist Stefan Aust, der für Konkret und Spiegel gearbeitet beim Springer Verlag gelandet?“ Er sei dort gelandet, weil er seinen Sender N24 an Springer verkauft habe, sagt Aust. Matthias Döpfner hat dann gefagt, ob ich nur noch Pferde züchten oder Rentner sein will? „Oder möchtest Du die Herausgeberrolle bei „Die Welt“ übernehmen?“ Aust nahm das Angebot an, denn Springer machte all das, was er gern beim Spiegel gemacht hätte, nämlich einen Fernsehsender, eine digitale Plattfom, eine Tageszeitung und eine Wochenzeitung. „Und das ist der Grund, warum ich beim Springer Verlag gelandet bin.“

Es war ein echtes Erlebnis, die Zeitreise mit Stefan Aust zu erleben. Die Zuhörer nickten immer wieder bei der einen oder anderen Geschichte – sie waren irgendwie immer dabei.

 

TEXT: Achim Schneider