Er ist Bandchef der Fantastischen Vier, Autorennfahrer und begeisterter Flieger. Im Interview spricht Michael Bernd Schmidt, genannt SMUDO, über seine Arbeit, seine Hobbies und warum ihm seine Heimatstadt Hamburg so gefällt.

club!: Smudo, wir würden gern mit Ihnen übers Fliegen reden. Sie sind ja ein begeisterter Pilot. Was reizt Sie am Abheben?
Smudo: Als wir mit der Band populär wurden, hatten wir manchmal an einem Tag mehrere Termine und sind immer mal wieder mit kleineren Maschinen von Stadt zu Stadt geflogen. Dabei habe ich gemerkt, dass ich schlicht und einfach das Bedienen-können eines Flugzeugs mit diesen vielen tausend Knöpfen, Tasten und Leuchten faszinierend fand. Tollkühnheit war für mich weniger ein Grund.

club!: Und dann haben Sie den Entschluss gefasst, den Flugschein zu machen.
Smudo: Irgendwann hat mir ein Pilot geraten, eine oder zwei Flugstunden zu nehmen, dann würde ich wissen, ob es mir gefällt oder nicht. Ich habe also bei Google „Flugschule Hamburg“ eingegeben und kam – überraschung – auf Flugschule-Hamburg.de. Ich dachte: Gehst du mal hin, nimmst ein paar Unterlagen mit und meldest dich vielleicht irgendwann an.

club!: Klingt nach einem Plan.
Smudo: Als ich ankam, hat man mich wohl für einen Flugschüler gehalten, der sich mit den anderen Studenten vor dem Getr.nkekühlschrank tummelt und auf den Theorieunterricht wartet. Mich fragte jemand: Willst auch ein Bier? Und ich sagte: Trinken kann ich schon. Aber kann man hier auch fliegen lernen? Am Ende bin ich mit einem Stapel Bücher und einem Ausbildungsvertrag rausgegangen und war eingetragener Flugschüler.

club!: Können Sie sich noch an Ihren ersten Flug erinnern?
Smudo: Klar. Meine erste Flugstunde war ein einschneidendes Erlebnis. Als wir abgehoben sind und ich die Bäume unter mir gesehen habe, wusste ich: Das ist genau mein Ding, warum hat mir das bloß keiner vorher gesagt? Seitdem bin ich völlig begeistert.

club!: Und haben eine Lizenz nach der anderen gemacht.
Smudo: Genau. Ich habe zuerst meinen Sichtflugschein gemacht, dann den Ultraleichtschein. Dann habe ich die Kunstfluglizenz gemacht und vor drei Jahren das Instrumentalrating. Das ist wichtig, um auch bei schlechtem Wetter fliegen zu können. Sonst geht’s bei niedriger Wolkendecke nicht mehr am Wesergebirge vorbei. Und jetzt habe ich mir gerade zum zweiten Mal ein Flugzeug gekauft.

club!: Und was ist heute das Faszinierende am Fliegen?
Smudo: Es mag absurd klingen, aber mich fasziniert das Naturerlebnis. Die Kenntnisse über Wind und Wetter und über die Landschaft, wie sich ihre Farben übers Jahr verändern. Oder wie Deutschland besiedelt ist, man sieht beim Blick aus dem Fenster, dass es beispielsweise in Süddeutschland viel enger zugeht als in Norddeutschland. Und dann fasziniert mich die Kontrolle, dieses geregelte Arbeiten im Cockpit. Im Gegensatz zu meinem eher wolkigen Beruf ist das Fliegen äußerst systematisch. Da gibt es diese klaren Checklisten, es ist alles geregelt. Und schließlich ist das Ganze auch noch dramaturgisch einsortiert in Abheben, Reisen und Landen. Wenn letzteres gelungen ist, hat sich der Kreis geschlossen. Natur, Technik, Drama – das begeistert mich.

club!: Ist der Kick beim Fliegen vergleichbar mit dem beim Autorennen oder auf der Bühne?
Smudo: Den Popstar mit tollkühnen Gefahrenhobbys kann ich nicht liefern. Mich begeistern auch vordergründig ordinäre Tätigkeiten. Kicks gibt es für mich überall im Leben. Wenn ich beim Skatspielen eine Kreuzflöte habe, einen Grand spiele und der dann klappt, dann ist das ein Kick. Wenn ich einen Hefeteig backe, der sensationell aufgeht, ist das auch ein Kick. Die sizilianische Eröffnung einen Zug tiefer anwenden können. Einen tollen Reim gefunden zu haben. Ich finde jeden Tage meine Kicks. Ein Kick beim Fliegen: wenn ich früh morgens von meinem Heimatflugplatz Uetersen aus durch graue Wolken fliege und dann der Moment kommt, in dem mir nach grauer Nebelfahrt die Morgensonne ins Gesicht strahlt und es scheint, als sei ich der einzige Mensch auf diesem Planeten.

club!: Anders gefragt: Wo liegt der Unterschied zwischen fliegen und etwa Autorennen fahren, was Sie ja auch tun?
Smudo: Beim Flugzeug ist es anders als beim Rennauto, das eine nutze ich als Sportgerät innerhalb eines Wettkampfes, das andere ist ein sehr effizientes Transportmittel. Einzig die Bedienung sollte in beiden Fällen mit Sorgfalt und Präzision geschehen.

club!: Und wie sieht es bei der Musik mit dem Kick aus?
Smudo: Wie gesagt: den Kick gibt es überall. Im ersten Moment, wenn man auf die Bühne kommt, oder wenn man ein gutes Konzert hinter sich gebracht hat. Oder die Art, wie man die Performance gemacht hat, oder wie das Klaviersolo des Keyboarders war – das kann auch einen Kick geben.

club!: Kommen wir auf den wolkigen Job, den Sie erwähnt haben. Was machen Sie eigentlich im Moment genau?
Smudo: Wir sind viel mit der Band unterwegs. Wir haben 20 Konzerte im Sommer gespielt und im Dezember gehen wir wieder auf Tour. 2012 werden wir mit der Arbeit für eine neue Platte beginnen.

club!: Sie sind mit den Fantastischen Vier seit über 20 Jahren im Musikgeschäft. Wie hat sich das Business verändert?
Smudo: Das große Leitthema ist der Niedergang des Tonträgerverkaufs. Während es unsere Musik am Anfang auf Kassette und Vinyl gab, veröffentlichen wir heute nicht nur auf CD, sondern auch online. Wir haben selber ein Label betrieben und haben noch eine eigene Bookingfirma. Ich würde sagen, dass sich das Musikbusiness aus der sechstürigen Limousinenzeit der frühen 90er zum kleinen buchverlagsartigen Business gewandelt hat, in dem vier Leute im 30 Quadratmeter großen Büro 15 Bands managen. Wenn‘s gut läuft bezahlt eine Band die anderen 14 Flops.

club!: Liegt das daran, dass die Musik illegal im Netz heruntergeladen wird?
Smudo: Die Zusammenhänge sind nicht ganz so einfach und auch nicht so schwarz-weiß wie landläufig dargestellt. Fakt ist, dass der Fan heute nicht mehr so viel Geld für Musik ausgeben muss wie vor 20 Jahren; und das hat viele Gründe. Man braucht heute kein komplettes Album mehr zu kaufen, sondern lädt online nach ausgiebigem Probehören seinen einzelnen Lieblingssong herunter. Des Weiteren bieten sich online im Internet an weniger gut beleumundeten Ecken wie auch offline auf der Festplatte eines Freundes Möglichkeiten des Songaustausches. Obendrein umgibt uns Musik fast überall, im Restaurant, im Supermarkt, auf CD-Beilagen von Musikzeitschriften. Diejenigen, die Musik nicht als Liebhaberei, sondern zur Beschallung ihres Alltags nutzen, brauchen gar keine Musik mehr. Die haben Auswahl unter dutzenden formatierten Radiostationen oder der ausufernden Anzahl von profilierten Internetsendern.

club!: Ist das der Grund dafür, dass vielleicht von 15 Bands lediglich eine Erfolg hat?
Smudo: Früher galt die Faustregel: Ein Hit zahlt neun Flops. Aber ich würde sagen, heute ist bereits 15:1 optimistisch. Das liegt daran, dass ein Riesenhit heute nicht mehr die Stückzahlen liefert wie damals. Hinzu kommt, dass eine Band, die man gut findet, nicht automatisch deshalb Erfolg hat. Entscheidend ist, dass man die Hörer erreicht. Um das zu schaffen, muss man Geld für Marketing ausgeben und die Musiker müssen viel spielen. Ein weiterer Grund, der eine große Rolle spielt, ist die Medienwelt.

club!: Heute gibt es doch viel mehr Möglichkeiten, sein Produkt vorzustellen als früher.
Smudo: Aber diese Informationskanäle werden nicht mehr in der Tiefe, sondern in der Breite konsumiert. Früher ist man zu Ilja Richter in die Sendung Disco gegangen, zu Formel 1 und zu Dieter Thomas Hecks Hitparade – und dann kannte einen ganz Deutschland. Heute bist du drei Monate auf Promotion, bei Facebook, Twitter, YouTube, iTunes, Musicload und Amazon unterwegs, Interviews und Portraits auf dutzenden relevanten Musiksites und populären Blogs und spielst noch in drei verschiedenen Frühstücksfernsehen und natürlich Viva und MTV. Du bist also unheimlich präsent, aber trotzdem bekommen viel weniger Leute mit, was Du machst. Das Dilemma ist: Es reicht nicht, nur ein Musiker zu sein, der gute Musik macht, sondern man muss auch ein Tausendsassa im Bedienen dieser Medien sein.

club!: Hat sich die deutsche Hip Hop-Musik in den letzten 20 Jahren verändert?
Smudo: Das kann man wohl sagen. Ich finde, dass es gute Sachen gibt. Aber im Prinzip sind die guten Sachen eher selten, und es gibt viel Schrott. Aber das war in der Musik ganz allgemein schon immer so.

club!: Sie meinen die „Verprollung“ von Texten?
Smudo: Ich merke, worauf Sie hinaus wollen. Sie meinen, früher war der Hip Hop gut und heute gibt es Bushido. Das stimmt so aber nicht und ich würde das auch nicht unterschreiben. Musik bildet immer das ab, was in der Gesellschaft passiert. Multiethnischer Street-Rap hat seinen Weg in die Musik gefunden. Mit dem Thema Gewalt ist das genauso. Es gibt Gewalt in der Gesellschaft, und deshalb wird sie auch in der Kunst abgebildet.

club!: Wandelt sich der Blick auf die Musik im Alter?
Smudo: Allerdings. Ich glaube, dass sich die Beschäftigung mit der Musik und den Themen im Alter wandeln. Ich finde heute ein Buch, in dem mir ein Mittzwanziger-Autor eine Verschwörungsgeschichte erzählt, langweilig. Das ist ja typisch für die Perspektive in diesem Alter: Es gibt immer einen Helden, der gut ist und gegen eine böse Welt kämpft. Und dann gilt es, das Geheimnis der bösen Welt zu lüften. Als gäbe es irgendein dezidiertes Geheimnis. Bei den Spielen ist es genauso, ich bin ja auch ein großer Spielefan. Aber heute laufen 98 Prozent der Spiele nach einem Schema. Das langweilt mich.

club!: Wer bricht dieses Schema auf? Wer macht etwas Neues?
Smudo: Die besten Sachen schreiben Autoren, die jenseits der 70 sind. Die haben einen viel demokratischeren Blick auf die Dinge und bauen vier oder fünf Haken mehr in ihre Geschichte ein als das einfache Gut und Böse. Die Zunahme an subjektiven Klischees mit dem Alter in Kunstinhalten findet sich für mich übrigens auch in der Musik.

club!: Welche Musik gibt Ihnen heute etwas?
Smudo: Nicht viel. Manchmal ist die Mischung lustig oder ich habe Vergnügen daran, Bands wie K.I.Z. aus Berlin zu sehen, die mich sehr an unsere frühen Jahre erinnern. Aber wenn ich mir anhöre, was ich in den letzten 20 Jahren geschrieben habe und was mich jetzt für Themen interessieren, merke ich, dass es immer schwieriger wird, für sich und andere Neues zu ersinnen, weil wir ja auch viel geschrieben haben und den eigenen Anspruch immer ein wenig höher ansetzen.

club!: Macht es Ihnen denn noch Spaß, Musik zu machen, oder ist es eher ein normaler Job?
Smudo: Beides. Es macht manchmal Spaß und manchmal macht es keinen Spaß. Manchmal ist man stolz und liebt den Beruf, und manchmal nervt er einen.

club!: Sie haben lange in Stuttgart gelebt. Wie sind Sie nach Hamburg gekommen?
Smudo: Das war 1996. Damals hatte ich eine Freundin hier und ich dachte, dass es gut wäre, nach Hamburg zu ziehen. Das hätte ich aber auch nicht unbedingt gemacht, wenn ich nicht eine große Leere in mir gehabt hätte. Ich hatte das Gefühl, dass ich etwas verändern musste. Ich war 19 Jahre in Stuttgart und habe dort alle wichtigen Dinge des Lebens erlebt: Band kennengelernt, Karriere gemacht, erste Liebe, Führerschein – alles ist dort passiert. Doch dann drehte sich alles nur noch um Fanta Vier und Stuttgart war so klein. Ich hatte kein richtiges Fernweh, aber es musste sich etwas ändern. Hamburg war die Gelegenheit.

club!: Was gefällt Ihnen an der Stadt?
Smudo: Zuerst fand ich die Hamburger sehr eingebildet mit ihrer „tollen“ Stadt. Aber hier habe ich meinen eigenen Freundeskreis rekrutiert, während ich in Stuttgart das Gefühl hatte, die Leute kennen mich nur über die Fantastischen Vier. In Hamburg habe ich begonnen, mir eine neue eigene Persönlichkeit zu schaffen. Das verbinde ich mit der Stadt. Außerdem finde ich es schön, wie sich die Natur mit der Stadt vermählt, was sich übrigens aus der Luft sehr beeindruckend zeigt. Mit dem Wasser, mit den Bäumen und dem Hafen und den Straßen. Wenn ich von Reisen nach Hause komme, fahre ich zum Hafen, gehe zum Italiener oder an die Alster Tretboot fahren. Und dann denke immer, dass ich im Urlaub bin. Hamburg ist wirklich sehr, sehr schön.

Smudo, 43, hat mit seiner Band „Die Fantastischen Vier“ den deutschen Rap salonfähig gemacht. Sie gehören zu den erfolgreichsten Bands im deutschsprachigen Raum. 2010 wurde Fanta Vier mit der Goldenen Kamera in der Kategorie Beste Musik National ausgezeichnet. Nebenher ist Smudo Mitglied in der SWR-Rateshow „Sag die Wahrheit“. Außerdem arbeitet er als Synchronsprecher. Wenn ihm seine beiden Töchter Amy (3) und Olga (1) Zeit lassen, fährt er mit Begeisterung Autorennen im Motorsportteam Four Motors.

Text: Achim Schneider, Andreas Eckhoff
Fotos: Ivo von Renner