Der Schauspieler und Produzent Til Schweiger spricht im Interview über die Schwierigkeiten, einen guten Film zu machen, die Eröffnung seines Restaurants in der Hansestadt und über seine Entscheidung, eine Stiftung zu gründen.

club!: Herr Schweiger, Sie haben gerade die Dreharbeiten für den Kinofilm mit Tatort-Kommissar Tschiller abgeschlossen. Warum geht Tschiller jetzt auf die große Leinwand?
Bei einem Kinofilm geht es ganz anders zur Sache als im Fernsehen, weil ein anderes Budget zur Verfügung steht. Die Fans dürfen sich auf hohe Schauwerte, tolle Schauspieler, ziemlich knallige Action und ein paar lustige Sprüche freuen, wenn der Fim im Januar in die Kinos kommt.

War es Ihre Idee, einen Tatort für das Kino zu drehen?
Es war die Idee des NDR. Schon bei unserem ersten Gespräch wurde ich gefragt, ob ich mir einen Kino-Tatort vorstellen könnte. Ich habe gesagt, dass ich mir das vorstellen kann, wenn wir ihn als Kinofilm realisieren und nicht einen Film fürs Fernsehen drehen für 1,8 Millionen Euro und den dann ins Kino bringen.

Ist ein Kinofilm der Ritterschlag für den Tatort-Kommissar?
Nein. Es ist eher ein Feldversuch. Das gab es ja schon in den 80er Jahren mit Götz George und war sehr erfolgreich. Wie das heutzutage ist, weiß man nicht. Was wir wissen, ist, dass wir besonders viele junge Zuschauer haben bei den Tschiller-Tatorten, und ich habe schon die Hoffnung, dass der eine oder andere für den Film ins Kino geht.

Im Gegensatz zum TV-Tatort wird beim Kinofilm in verschiedensten Städten wie Istanbul oder Moskau gedreht. Hat der Streifen ein bisschen was von James Bond?
Mit Bond können wir jetzt nicht mithalten. Die haben ein Budget von 330 Millionen. Aber es war meine Idee, in Istanbul und Moskau zu drehen. Das sind zwei filmisch extrem interessante Städte, die in deutschen Filmen nicht so häufig vorkommen.

Gibt es bei Ihrer Arbeit als Schauspieler und Filmemacher etwas, an dem Ihr Herz besonders hängt?
Mein Herz hängt am meisten an der Regie, wenn ich meinen eigenen Film mache. Ich spiele aber auch gern. Die Sachen, die man selber erschafft, die machen am meisten Spaß.

Was ist das Schwierigste bei der Produktion eines Filmes?
Ich denke, das Schwierigste ist, ein gutes Drehbuch zu schreiben. Wenn man erst einmal ein gutes Drehbuch hat und bei der Regie aufpasst, kann man eigentlich nicht mehr viel verkehrt machen. Wenn man sich die richtigen Leute zusammenholt, die richtigen Schauspieler, Komponisten, die richtige Crew hinter der Kamera und wenn man eine Vision hat, dann kann nicht viel schief gehen. Es gibt Fälle, bei denen ein gutes Drehbuch vorhanden war, aber die Leute alles falsch gemacht haben. Es gibt Leute, die versuchen aus einem mediokren Drehbuch einen guten Film zu machen. Aber das geht gar nicht. Man kann ein tolles Drehbuch kaputtmachen, weil man die Rollen falsch besetzt, den Film falsch schneidet, weil man die falsche Musik drauflegt oder den falschen Verleih hat, der den Film gar nicht wirklich rausbringt. Einen richtig guten Film am Ende zu haben, ist auch mit viel Glück verbunden. Aber das Glück ist kontrollierbar – wegen des Drehbuchs. Doch ein Drehbuch zu schreiben, ist nicht kontrollierbar, auch nicht vorhersehbar. Man kann nicht sagen, ich nehme eine Prise Salz und Pfeffer und dann passt es. Es ergibt sich vielmehr in einem Fluss.

Warum haben Sie bei Ihren Filmen am liebsten den Hut auf?
Damit sie so werden, wie ich sie mir vorstelle. Wenn ich ein Drehbuch schreibe, von dem ich denke, dass es ein erfolgreicher Film wird, ist es am besten, das nicht jemand anderem zu geben.

Gab es Momente, in denen Sie einmal an einer Entscheidung für ein Filmprojekt gezweifelt haben?
Von den Sachen, die ich mache, bin ich hundertprozentig überzeugt. Was nicht heißt, dass ich mir nicht auch bewusst bin, dass etwas schief gehen kann. Mir ging es niemals darum, dass ich der reichste Mann auf dem Friedhof bin. Es gibt Leute, die halten alles fest, was sie haben. Die geben überhaupt nichts aus und schauen, wie sie das Geld renditemäßig am besten investieren. Ich habe immer gesagt, ich nehme das Geld, das ich einnehme, um möglichst viel Spaß zu haben und auch etwas zu riskieren. Natürlich will ich nicht die Zukunft meiner Kinder riskieren. Ich sehe zu, dass ich sie abgesichert habe. Aber mit dem Rest muss ich jetzt nicht in meinem Bereich der Reichste von allen sein.

Es scheint, als wenn Sie jemand sind, der, wenn er eine gute Idee sieht, es anpackt und sie umsetzt.
Genau so ist es. Man muss gute Ideen verwirklichen. Es gibt viele Menschen, die haben tolle Ideen, verwirklichen sie aber nie. Weil sie Angst haben, weil sie das Risiko scheuen, weil sie nicht genug Energie in sich haben. Wenn ich von einer Idee überzeugt bin, dann gehe ich nach vorne. Dann kann mich auch keiner mehr davon abbringen. Viele Menschen erkennen eine gute Idee nicht, weil sie Angst davor haben, dass sie an Autorität verlieren, weil die Idee nicht von ihnen stammt. Gerade beim Film gibt es viele Regisseure, die wollen gar nicht, dass ein Schauspieler eine Idee hat, weil sie Angst haben, dass sie dann nicht mehr der Boss sind. Ich habe keine Angst vor Kreativität, ich fordere sie sogar ein. Ob beim Filmemachen oder im Onlinestore, das ist egal. Ich bin jemand, der macht. Und das macht viel mehr Spaß. Man muss auch bereits sein, Fehler zu machen und auf die Schnauze zu fallen. Aber: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Man muss bereit sein, ein Risiko einzugehen, und das war ich immer. Schon mit meinem ersten Film „Knockin’ on Heaven‘s Door“. Da gab es nicht viele, die an uns glaubten. Die meisten haben gesagt, das kann gar nichts werden mit dem „Lindenstraßen“-Schauspieler und mit dem Thema. Und dann hatten wir den Film der 90er Jahre. Ich habe an den Erfolg geglaubt, aber dass es solch ein Mega-Blockbuster wird, das habe ich auch nicht erwartet.

Sie sind Schauspieler, produzieren Filme und haben einen Internetshop. Was treibt Sie an?
Es ist die Liebe zu dem, was ich tue. Ich liebe es, einen Film wie „Honig im Kopf“ zu machen. Ich liebe jeden einzelnen Tag, wenn ich solch ein Projekt mache.

Wie kommt ein Künstler zu einem Onlinestore?
Bekannte haben mich darauf gebracht. Sie haben gesagt: Du richtest Deine Häuser und Wohnungen mit so viel Geschmack und Hang zum Detail ein und Du gibst Deinen Filmen einen ganz gewissen Look. Warum willst Du das den Menschen nicht zugänglich machen? Da habe ich mir gedacht, dass es eine ganz nette Idee ist.

In Ihrem Shop kann man die unterschiedlichsten Dinge kaufen. Wie ist das Sortiment entstanden?
Das ist eigentlich aus einem gemeinsamen Brainstorming entstanden. Es gibt so viele Sachen, die man herstellen kann und selber mit Manufakturen machen kann. Im Frühjahr eröffne ich ein Restaurant in Hamburg und wir wollen ein Hotel einrichten.

Werden die Produkte auch nach Ihren Vorstellungen entworfen und hergestellt?
Ja. Bei den Pullis war das zum Beispiel so, dass es immer wieder Anfragen gab, woher ich sie habe. Ich habe dann gesagt, dass ich sie mir immer mühsam aussuche. Irgendwann haben wir entschieden: Die können wir auch selbst herstellen. Nach meinen Farben, nach meiner Haptik und nach meinen Schnitten.

Wie entsteht ein Til-Schweiger-Pulli?
Ich setze mich mit dem Kaschmir-Mann Stefan Boya und seiner Frau zusammen und dann machen wir uns Gedanken, wie der Pulli aussehen soll. Wir wählen Farben und Schnitte aus und schicken alles nach Nepal. Dort werden die Sachen hergestellt. Wenn sie zurückkommen, schauen wir sie uns genau an. Dann ist vielleicht der Kragen besonders gelungen, dafür stimmt aber das Bündchen noch nicht oder wir stellen fest, dass etwas weniger Kaschmirwolle reicht.

Was macht für Sie das „Handgemachte“ bei der Herstellung von Produkten aus?
Der Charme daran ist, dass Sachen aus Manufakturen keine Massenprodukte sind, sondern dass sie individuell sind.

Wie sind Sie darauf gekommen, einen eigenen Wein anzubieten?
Ich trinke sehr gerne Rotwein, bin da auch ein kleiner Kenner. Irgendwann habe ich einen Wein entdeckt, der mir besonders gut geschmeckt hat. Ich habe mich mit den Winzern getroffen. Das sind tolle Typen, die das lieben, was sie machen. Sie haben mir einen Tag lang erklärt, wie sie ihren Wein anpflanzen, wie sie ihn ausbauen und in welchen verschieden Holzfässern sie ihn lagern. Da habe ich gesagt: Dann machen wir meine eigene Selection.

Wird der Wein „Emma“ in Ihrem Restaurant auf der Karte stehen?
Auf jeden Fall.

Wie wird das Restaurant aussehen?
Es wird zwei Welten geben, weil es zwei Stockwerke hat. Die untere Welt wird „industrial“ werden. Die obere warm und holzig.

Und welche Küche werden Sie den Gästen präsentieren?
Das Essen machen wir zusammen mit der „Kitchen-Guerilla“ aus Hamburg. Ich habe Rezepte von Freunden gesammelt und einige Rezepte von Restaurants aus anderen Ländern mitgebracht. Die Küche wird „pure and simple“. Wir wollen keine Haute Cuisine und keine Sterneküche, aber gesundes Essen und ehrliche Portionen, von denen man satt wird.

Werden Sie dort auch einmal zu sehen sein?
Na klar. Ich wäre ja doof, wenn ich da nicht wäre.

Sie wären nicht der erste Promi, der ein Restaurant eröffnet und dort nicht zu sehen ist.
Mein Motor für das Betreiben des Restaurants ist nicht, das investierte Geld möglichst schnell wieder herauszukriegen, sondern einen Ort zu schaffen, an dem Menschen sich wohlfühlen. Ich habe einige Freunde, die Restaurants betreiben. Einige davon laufen richtig gut. Andere kämpfen ums Überleben. Aber was alle gemeinsam sagen, ist, dass man ein direktes Feedback bekommt. Das habe ich beim Kinofilm nicht. Das bekomme ich erst, wenn ich mich ein Jahr später ins Kino schleiche, um heimlich zu schauen, wie die Leute reagieren.

Sie schleichen sich bei Ihren eigenen Filmen ins Kino?
Natürlich mache ich das. Aber wenn die Gäste im Restaurant sagen, das war ein toller Abend, das Steak war so genial, dann hat man gleich ein Feedback. Am besten ist es, wenn sich die Leute so wohlfühlen, dass sie wiederkommen.

Im Sommer haben Sie eine Stiftung gegründet. Wie ist es dazu gekommen?
Ich bin von vielen Menschen überzeugt worden, eine Stiftung zu gründen. Zuerst wollte ich das gar nicht. Ich habe bereits viel Geld gespendet und viele Organisationen unterstützt, dazu brauche ich keine Stiftung. Man hat mir gesagt, dass ich mit einer Stiftung mehr Geld aquirieren und verteilen kann, als wenn ich mal dem und mal dem etwas gebe. Deshalb habe ich mich zur Gründung der Stiftung entschlossen. Ich wollte es am Ende des Jahres machen, aber dann haben sich die Ereignisse mit der Flüchtlingskrise überschlagen und wir haben es sofort gemacht.

Also typisch Til Schweiger. Rangehen und machen…
… genau. Auch um ein Signal zu setzen.

Sie wollten ein Flüchtlingsheim in Osterode eröffnen. Als das Projekt publik wurde, gab es nicht nur positive Reaktionen in der Öffentlichkeit. Hat Sie das überrascht?
Ich war überrascht von der Breite der empathielosen, fremdenfeindlichen Kommentare. Das gab es immer, gerade in Deutschland. Das war mir klar. Aber dass es so heftig ist, hat mich überrascht. Das hat mich aber eher angetrieben, die Stiftung sofort ins Leben zu rufen und nicht zu warten.

Ist es Ihr Credo, bei Gegenwind mit „Jetzt erst recht“ zu antworten?
Absolut. Ich habe ein klares Gerechtigkeitsempfinden und das hat bei mir nichts mit Parteien oder politischen Meinungen zu tun, sondern das meine ich immer nur menschlich.

Würden Sie sich wünschen, dass mehr Ihrer Kollegen zum Flüchtlingsthema Stellung beziehen?
Das würde ich mir schon wünschen. Ich habe den Eindruck, dass sich die Künstler und Prominenten zu der Zeit, als es die sozialen Netzwerke noch nicht in dieser Breite gab, viel mehr geäußert haben. Es gab die Lichterketten in Deutschland. Das gibt es heute nicht mehr, obwohl man von Untersuchungen weiß, dass heute eine größere Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung vorhanden ist als in den 90ern.

Wie reagieren Ihre Kollegen, wenn Sie sie auf das Thema ansprechen?
Sie sagen, dass sie Schauspieler sind und sich politisch nicht positionieren wollen. Das ist schön bequem.

 

Til Schweiger, 52, wurde in Freiburg im Breisgau geboren und lebt in Hamburg. Seine erste TV-Rolle spielte er als Jo Zenker bei der „Lindenstraße“. In der Ruhrpott- Komödie „Manta Manta“ folgte seine Kino-Premiere. 1996 begann Schweiger Filme zu produzieren und hatte großen Erfolg mit „Keinohrhasen“, „Zweiohrküken“ und „Kökowääh“. Die Tragikkomödie „Honig im Kopf“ (über sieben Mio. Zuschauer) ist der erfolgreichste Film 2014. Mit seiner im Sommer 2015 gegründeten Stiftung setzt sich der Vater von vier Kindern für notleidende Kinder und Flüchtlinge ein.

Wenn Sie Til Schweigers Stiftung unterstützen möchten, können Sie das unter folgender Bankverbindung tun:

Stifterverband Til Schweiger Foundation
Commerzbank AG, Essen
IBAN: DE41 3604 0039 0126 4142 00
BIC: COBADEFFXXX

Text: Achim Schneider