Clubmitglied Michael Lehmann, ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Studio Hamburg Produktionsgruppe. Im Interview mit club! spricht er über kreative Produktionen, Filmförderung und den Stellenwert Hamburgs als Filmstadt.
club!: Herr Lehmann, Sie sind Chef der Produktionsgruppe des Studio Hamburg. Ihre Kundschaft im Kino- oder Fernsehsessel kennt Schauspieler, sicher auch noch einige Regisseure, aber was ein Produzent macht, da ist die Vorstellung meist vage. Sind Sie der Mann, der sagt, „für diese Fernsehproduktion müssen wir unbedingt Iris Berben haben“, oder der abwehrt: „die ist viel zu teuer“?
Michael Lehmann: Simpel gesagt: „Die müssen wir unbedingt haben.“ Wir lieben Film. Wir sind eine Produktionsfirma, die sehr viel für das kreative Zusammenspiel ausgibt, um sehr gute Filme zu machen.
club!: Aber ist der Produzent nicht auch für die Finanzen verantwortlich?
Lehmann: Natürlich. Er ist aber auch für den Film verantwortlich. Und du bist immer nur so gut wie dein letzter Film. Der ist die Referenz für neue Produkte. Regisseure, Autoren, die Schauspieler natürlich – alle Kreativen drängt es dahin, wo sie eine kreative Heimat finden. Damit wir immer wieder die Besten der Besten nach Hamburg holen können, sind wir in der Pflicht, gute Projekte zu machen.
club!: Woran messen Sie Ihren beruflichen Erfolg?
Lehmann: Da gibt es mehrere Facetten. Erst einmal freue ich mich sehr, wenn wir mit unserem Film, unserer Dokumentation, der Show, die wie produzieren, viele, viele Zuschauer erreichen. Natürlich freue ich mich auch, wenn wir langfristig wirtschaftlich gut dastehen, um dann wieder neue Projekte angehen zu können. Das ist schließlich ein Gefäß mit kommunizierenden Röhren. Da gibt es aber auch noch etwas Persönliches, etwas ganz Stilles. Wenn ich aus dem Schneideraum rausgehe und mir ganz persönlich sagen kann: „Du hast eben einen tollen Film gesehen.“ Das ist ein ganz erhebender Moment.
club!: Kommen wir zum Wirtschaftsfaktor Film. Hollywood hat über Jahre mehr zum amerikanischen Außenhandel beigetragen als die gesamte Autoindustrie. Welchen wirtschaftlichen Stellenwert haben Fernsehen und Film und damit besonders auch das Studio Hamburg für unsere Stadt?
Lehmann: Mit Hollywood können wir uns natürlich nicht vergleichen. Der Stellenwert des Filmgeschäfts war in Hamburg schon einmal größer. Es wurde auch viel mehr in Hamburg gedreht. Da haben andere Regionen in Deutschland aufgeholt.
club!: Wo liegen die Gründe dafür?
Lehmann: Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen, Berlin und Brandenburg, aber auch andere Regionen, haben ihre Fördermittel kräftig aufgestockt und so eine hohe Anziehungskraft für Film- und Fernsehproduktionen geschaffen.
club!: Ist der Hamburger Senat zu geizig?
Lehmann: Das ist immer eine Frage der Philosophie. Sicher steht der Hafen als Wirtschaftsgut an erster Stelle und nach ihm richtet sich sehr viel. Weil wiederum der Hafen ein so einzigartiges Umfeld ist, haben wir hier in Hamburg so viel gedreht.
club!: Hamburg als Filmkulisse, welchen Stellenwert hat das noch?
Lehmann: Einen einzigartigen. Hamburg ist nicht nur schön, sondern mit seiner Industrieromantik auch auf eine ganz bestimmte Art interessant. Man muss nur auf die Straße gehen, dann hat man vom feinen Westen der Stadt bis St. Pauli, innerhalb von fünf Kilometern die größten Gegensätze. Die Stadt ist das Faustpfand, das wir Filmemacher haben.
club!: Sind Drehs in Hamburg auch wichtige Werbebotschafter für die Stadt?
Lehmann: Ganz sicher. Ich kenne, um nur ein kleines Beispiel zu nennen, keine Hafenrundfahrt, bei der nicht erzählt wird: „Und hier sehen Sie das Hauptmotiv der ZDF-Serie Notruf Hafenkante.“
club!: Immer wieder verlassen bekannte Schauspieler Hamburg in Richtung Berlin, weil sie dort schneller Karriere machen können. Bietet die Hauptstadt Talenten bessere Möglichkeiten?
Lehmann: Es gibt immer wieder solche Wellenbewegungen. Dass Berlin ein kreativer Fixpunkt mit einer ganz eigenen Subkultur geworden ist, kann man nicht leugnen. Sicher sind vom Land Berlin und von Brandenburg Förderelemente aufgebaut worden, die das Filmgeschäft dort gerade für junge Leute interessant machen.
club!: Hat Hamburg da resigniert?
Lehmann: Ganz und gar nicht. Auch bei uns gibt es die unterschiedlichsten Förderelemente, wie beispielsweise den Nachwuchspreis von Studio Hamburg. Auch die Filmförderung ist sehr engagiert, um jungen Leuten ein kreatives Umfeld zu bieten. Kürzlich hat sie gemeinsam mit dem NDR im Rahmen der Nord-Offensive zu einem Drehbuch-Wettbewerb aufgerufen. Gesucht wurden fiktionale Kinostoffe, die Norddeutschland thematisch besonders präsentieren. Was wir uns sicher alle wünschen, wäre eine verstärkte Unterstützung der Politik.
club!: Mehr Geld also. Reichen die rund elf Millionen Euro jährlich für Filmförderung nicht?
Lehmann: Damit ist Hamburg im Vergleich mit anderen Bundesländern jedenfalls nicht unter den ersten Dreien. Es geht aber nicht nur um Geld, sondern um ein Umfeld, in dem sich Kreative wohlfühlen und neue Impulse erhalten.
club!: Die Probleme und radikalen Veränderungen des Printgewerbes durch das Internet werden hitzig diskutiert. Ist für Ihr Gewerbe das Internet ein Freund oder ein Feind?
Lehmann: Für uns, die wir bewegte Inhalte produzieren, ist jegliche digitale Plattform zuerst einmal ein Gewinn. Allerdings haben die Erlösmöglichkeiten, die auf den Plattformen stattfinden, nichts mit den Budgets zu tun, mit denen wir unsere Projekte ausstatten müssen. Wir werden unsere Kostenrahmen überprüfen müssen, wenn wir für diese Medien arbeiten wollen. Das ist eine große Herausforderung und der müssen wir uns schnell stellen.
club!: Und auf der technischen Seite?
Lehmann: Die Möglichkeiten der digitalen Verarbeitung sind erheblich geworden und sie haben die kreativen Möglichkeiten sehr erweitert. Durch das Nacharbeiten am Computer ist es heute kein Problem, einen Film aus den 50er Jahren herzustellen. Oder eine historische Seeschlacht, da genügen Aufnahmen mit zwei Fregatten und die Spezialisten machen 500 daraus.
club: Hamburg ist eine Hochburg der Werber, die teure Spots produzieren lassen. Ist die Studio Hamburg Produktion auch in der Branche aktiv?
Lehmann: Nein. Dieser Werbefilmmarkt unterscheidet sich doch zu sehr von unserem Geschäft. Aber die „Markenfilm“ ist da meines Wissens ja ein sehr, sehr starker internationaler Player.
club!: Zum Schluss eine persönliche Frage. Wie entspannt ein Mensch, der für Entspannung und Unterhaltung von Millionen sorgt?
Lehmann: Ich kann nur sehr schwer abschalten. Das gehört wohl zu meinem Beruf. Wenn man andere Menschen mit seiner Arbeit entflammen kann, das treibt einen immer und immer wieder an.
Michael Lehmann, 46, ist von Beruf Elektriker. Nach der Grenzöffnung stieg er als Quereinsteiger in die Filmbranche ein. Seit 2011 ist er Vorsitzender Geschäftsführer der Studio Hamburg Produktion Gruppe GmbH. Mit seinem Team entwickelt Lehmann Ideen für die Fernsehunterhaltung.
Text: Norbert Scheid Foto: Martina van Kann
Norbert Scheid war viele Jahre als Reporter für die TV-Zeitschrift Hörzu tätig. Heute ist er freier Autor und schreibt unter anderem für das Hamburger Abendblatt.