Vielleicht gehören Sie ja auch noch zu einer Generation, der man eines Tages mitteilte, von nun an beginne der „Ernst des Lebens“. Sie werden damals ungefähr sechs Jahre alt gewesen sein und bekamen mit Schultüte in der Hand eine Belehrung über den Unterschied zwischen Spielen (bis gestern) und Lernen (ab heute). Wenn das so gewesen sein sollte, haben Sie bestimmt auch schon mehrfach festgestellt: Meine Güte, bin ich alt geworden.

Denn Spiel, das ist heute etwas fürs ganze Leben. Das Spiel nimmt im Leben und für die Sozialisation der Millenium-Generationen eine ähnlich zentrale Rolle ein wie das Fernsehen bei den Babyboomern. So war es wohl auch nur halb scherzhaft gemeint, als bekannte Piraten-Politiker das schlechte Abschneiden bei der Bundestagswahl 2013 damit erklärten, dass am Wahl- Wochenende GTA V auf den Markt gekommen war; da kann man sich nun wirklich nicht auf etwas anderes konzentrieren.

Spiele stellen mittlerweile eine Branche dar, die mehr Umsatz macht als die gesamte Musikindustrie – und die bald auch die Filmindustrie überholen wird. Und das Spielerische ist in seinen Auswirkungen auch längst nicht mehr auf die Gaming- Branche beschränkt: Spielelemente tauchen in immer größerem Ausmaß in (fast) allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft auf. Vielleicht waren Sie bislang ja vor allem davon genervt, dass die jungen Leute von heute ihre Jobs nicht so ordentlich erledigen, wie Sie das von früher kennen (oder zumindest zu kennen glauben). Aber Sie könnten das auch anders sehen: als den Transfer einer tief eingeprägten, gut trainierten Gaming- Verhaltensweise in die Arbeitswelt – den Versuch. Start. Try. Fail. Restart. Retry, so läuft das im Spiel. Und irgendwann hat man den Dreh so gut raus, dass man das Level schafft, und ins nächste aufsteigt.

Ihr Office soll mit solchem Kinderkram nichts zu tun haben, meinen Sie? Kein Problem, wenn Sie dauerhaft mit der Generation 30+ als Mitarbeiter auskommen können. (In 20 Jahren wäre dann allerdings keiner Ihrer Leute jünger als 50…) Wenn nicht, versuchen Sie doch einfach, das Positive darin zu sehen: Business-Konzepte mit spielerischen Elementen werden nämlich mainstream-tauglich. Die technische Entwicklung im Online- Zeitalter gibt heute deutlich mehr Möglichkeiten, um einfach einmal etwas auszuprobieren, mit etwas ganz Neuem zu starten. Das gilt für die Produkteinführung genauso wie für den Start von Projekten und Unternehmen – mit Crowdfunding lassen sich auch scheinbar abseitige Ideen mit wenig Aufwand testen und sogar verwirklichen. Das „Einfach-mal-so-Ausprobieren“ mag zwar die Flop-Rate steigern, kann aber einen deutlich schnelleren Wandel in Branchen und Unternehmen auslösen. Da ist es doch besser, mit dabei zu sein, oder?

Und wenn Sie sich auf Gaming-Elemente im Business einlassen: Vergessen Sie bloß nicht, auch Gaming-Elemente im Personalmanagement einzuführen. Eines der wichtigsten davon ist ein zeitnahes Feedback. Wer gewöhnt ist, nach jedem kleinen Abschnitt im Spiel an Punktestand, Rankings oder anderem feststellen zu können, wie gut er sich geschlagen hat, hat keine Lust, im Büro bis zum Jahresgesprächs-Ritual zu warten. Bei Umfragen geben etwa die Hälfte aller Young Professionals an, „so oft wie möglich“ ein Feedback bekommen zu wollen – nach jedem Projekt oder gar nach jeder Besprechung.

Wobei eine gute Work-Game-Balance ja nicht dadurch geprägt wird, dass man das Büro gänzlich zum Spielplatz macht. Hin und wieder muss es auch möglich sein, ungestört zu arbeiten, einen Job richtig gut zu machen oder sogar konzentriert nachzudenken. Irgendwie werden Sie es bestimmt schaffen, Ihren Nachwuchskräften das zu vermitteln. Wie wär’s zum Beispiel mit einem festgelegten Symbol, das immer dann an der Büro- oder Besprechungsraumtür angebracht wird, wenn allen klar gemacht werden soll, dass es hinter dieser Tür tatsächlich mal um den Ernst des Lebens geht? Ich empfehle eine Schultüte.

Text: Detlef Gürtler
Detlef Gürtler ist Wirtschaftsjournalist und Buchautor. Er lebt in Berlin und im spanischen Marbella.