Neulich war ich in einer Kreuzfahrerstadt. Wunderschöne Altstadt, verwinkelte Gässchen, schmucker Hafen – bei dem es allerdings schon mehr als 700 Jahre her ist, dass dort zuletzt ein Kreuzfahrer angelegt hat. Denn Akko, so heißt diese Stadt im Norden Israels, war im Jahr 1291 die letzte Bastion der Christen im Heiligen Land, mit ihrem Fall waren zwei Jahrhunderte Kreuzzüge endgültig beendet.
Das „Kreuz-“ macht oft merkwürdige Dinge mit Begriffen, die für Bewegung stehen. Während die „Züge“ sich bekanntlich durch Motoren auf Schienen bewegen, wurden die Kreuzzüge vom (vermeintlichen) Willen Gottes angetrieben. Ein „Gang“ ist etwas Langes, Schmales und Dunkles, ein Kreuzgang ist ein in der Regel quadratischer, heller Innenhof eines Klosters. Das „Bein“ ist Inbegriff der ausschreitenden Beweglichkeit, das Kreuzbein hingegen steht als Teil des, äh, verlängerten Rückens, für aussitzende Stabilität. Und auch der „Weg“, der im Allgemeinen ja von irgendeinem A zu einem anderen B führt, ändert durch die Kreuz-Vorsilbe seine Beschaffenheit: Ein Kreuzweg ist kein Weg, sondern ein Punkt, von dem man sowohl nach A als auch nach B kommen kann. Auf dem Weg hat man ein Ziel vor Augen, aber auf dem Kreuzweg zwei Ziele zur Auswahl.
Außer natürlich es handelt sich um einen bestimmten Kreuzweg, nämlich den am Ziel aller Kreuzzügler, in Jerusalem. Dann führt er ganz strikt von A = Haus des Pontius Pilatus nach B = Grab Jesu nach der Kreuzigung. Wobei Letzteres oft kaum zu erkennen ist, weil erstens eine ganze Kirche darüber gebaut wurde und zweitens sich so viele Menschen drumherum drängeln. Aber wenn Sie einen Sargdeckel sehen, der von den Drängelnden geküsst und liebkost wird, sind Sie sicherlich am richtigen Platz angekommen.
Doch am schlimmsten ist trotzdem die Begriffsverwirrung bei den „Fahrern“. Sie sind ohne Kreuz- schlicht Menschen, die ein Gefährt steuern; aber mit Kreuz- sind sie dreierlei Verschiedenes, nur niemals so etwas wie ein Fahrer. Kreuzfahrer sind diejenigen Menschen, die im Mittelalter an Kreuzzügen teilgenommen haben, und diejenigen Menschen, die in der Jetztzeit als Passagiere auf einem Kreuzfahrtschiff unterwegs sind, und diejenigen Schiffe, auf denen die Kreuzfahrer-Menschen als Passagiere unterwegs sind. Soldaten oder Touristen, mittelalterliche Kriegsschiffe oder moderne Vergnügungsdampfer – alles sind Kreuzfahrer. Und Hapag- Lloyd hat inzwischen im Kreuzfahrtenkatalog sogar auch Kreuzflüge mit aufgenommen.
Nur derjenige, den wir normalerweise Fahrer nennen, den am Steuer eines Autos (also oft wir selbst), der hat keine Chance, dabei Kreuzfahrer zu werden. Denn wenn er mit seinem Auto das machen möchte, was der Kreuzfahrer mit seinem Schiff macht, also einfach in der Weltgeschichte herumgondeln, mal dahin, mal dorthin, wie es ihm gerade einfällt, macht er eben keine Kreuzfahrt – sondern eine Spritztour. Und wird sich damit abfinden müssen, nicht Kreuz-, sondern Sonntagsfahrer genannt zu werden. Es ist schon ein Kreuz.
Text: Detlef Gürtler
Detlef Gürtler ist Wirtschaftsjournalist und Buchautor. Er lebt in Berlin und im spanischen Marbella.