Nur noch wenige Monate und das Grüne in der Politik feiert seinen/ihren 40. Geburtstag. Am 13. Januar 1980 wurde in Karlsruhe die Partei „Die Grünen“ gegründet. Ganz unabhängig davon, was man/frau von den Leistungen dieser Partei halten mag – sie hat es nachdrücklich geschafft, einer ganz normalen Farbe eine politische Note zu geben. Während eine rote Verpackung schlicht eine Verpackung mit roter Farbe ist, ist eine grüne Verpackung ökologisch, sozial, demokratisch und nachhaltig. Ob sie auch noch in grüner Farbe gestaltet ist, spielt überhaupt keine Rolle mehr. Grüne Autos, grüner Strom, grüner Urlaub, grünes Geld, eine Farbe als Symbol einer besseren Welt.
Das war auch schon einmal anders. Vor 2000 Jahren zum Beispiel. Damals wurde das erste Mal die Farbe Grün mit der Politik verbunden – nämlich im Römischen Kaiserreich. In dem sollte es eigentlich ja keine Parteien geben, sondern alles beherrschende Kaiser eben, aber die Römer waren trotzdem in vier Parteien organisiert: den Rennparteien. Deren Anhänger waren jeweils Fans einer der vier Mannschaften bei den Wagenrennen. Entsprechend der Farbe, in der die Wagenlenker gekleidet waren, gab es die Blauen, die Grünen, die Roten und die Weißen. Der Historiker Sueton schreibt, dass Vitellius seinen Aufstieg bis zur Kaiserwürde im Jahr 69 n. Chr. der Partei der Blauen verdanke. Kaiser Caligula hingegen, vom gleichen Sueton „das Scheusal“ genannt, war ein fanatischer Grüner.
Einige Jahrhunderte später hatte Grün seinen nächsten großen Auftritt in der Politik – nämlich als Symbol des Islams. Der Prophet Mohammed kleidete sich am liebsten in Grün, kein Wunder, bei all den braun-grauen Landschaften, mit denen man es in Arabien zu tun hatte. Grün ist auch die Turban-Farbe, die nur Mekka-Pilger tragen dürfen. Unter der grünen Flagge zogen Mohammed und seine Nachfolger aus, die halbe Welt für die neue Religion zu erobern. Und noch vor Kurzem versuchte ein ganz spezieller Nachfolger eine neue grüne Revolution, mit eigenem grünem Buch: der lybische Diktator Muammar al-Gaddafi. Bei seinem Sturz im Jahr 2011 wurde die von ihm eingeführte reingrüne Nationalflagge wieder durch das traditionelle rotschwarz- grün ersetzt. Seitdem hat kein einziger Staat der Welt mehr eine einfarbige Flagge.
Den wohltuenden Effekt des Grünen kennen nicht nur die Söhne und Töchter der Sandwüsten, sondern auch die der Betonwüsten. Haus an Haus und dicht an dicht kann eigentlich nur ein angenehmes Lebensgefühl bieten, wenn irgendwo dazwischen ein grüner oder blauer Farbtupfer zum Verweilen und Abkühlen einlädt – gerne auch als großer Klecks, ob Central Park oder Außenalster. Die ungrünsten Städte der Welt sind denn auch Flüchtlingslager wie etwa Zaatari in Jordanien: 80000 syrische Flüchtlinge, kein Baum, kein Park, kein See, nicht einmal ein Springbrunnen.
Noch heftiger ging es einige Jahrzehnte lang in der „Kowloon Walled City” in Hongkong zu. Auf dem Gelände eines ehemaligen Forts, das formal zu China, aber faktisch zu Hongkong gehörte, entstand nach dem 2. Weltkrieg in einem praktisch rechtsfreien Raum die Stadt mit der wohl höchsten Bevölkerungsdichte aller Zeiten. Auf einer Fläche von 210 x 120 Metern (2,5 Hektar) lebten Ende der 1980er Jahre etwa 33.000 Menschen – oder 1,3 Millionen Menschen je Quadratkilometer. Das ist etwa so, als würde man alle Einwohner Hamburgs auf einer Fläche von der Größe der Außenalster unterbringen. Oder alle Chinesen auf einer Fläche von der Größe Hamburgs.
Aber dieses Stadtmonster gibt es nicht mehr. Anfang der 1990er Jahre wurden die Bewohner umgesiedelt, die Häuser abgerissen. An ihrer Stelle befindet sich jetzt – ein Stadtpark.
Text: Detlef Gürtler