Unternehmen. Das steht so fest auf dem Boden der Realität, wie es sich für ein Dingwort, ein Hauptwort eben gehört. Das Unternehmen hat Werte, hat Gewinn und Verlust, Vermögen und Verbindlichkeiten, Kapital und Arbeit, und wenn es das mal nicht haben sollte, dann klingt es trotzdem so. Ein Unternehmen hat Substanz – ein Substanztiv eben.
Aber halt: Vielleicht war das ja gar nicht gemeint. Dem Wort, das am Anfang eines Satzes, eines Absatzes, einer Seite, eines ganzen Textes gar steht, kann niemand ansehen, ob es sich tatsächlich um ein Substantiv handelt. Es könnte ja genauso gut kein Dingwort, sondern ein Tuwort sein. Ein Wort, das eine Tätigkeit beschreibt, ein Verb also. Nicht Unternehmen, sondern unternehmen, mit kleinem u. Und schon verdampft das Substanzielle, das Statische aus dem Wort heraus, und das Aktive, das Dynamische schlüpft hinein.
Passt doch eigentlich auch besser, oder? Zumindest, wenn es um das Gründen von Unternehmen geht – da gibt es ja noch keine Substanz, und die Werte, für die man mal stehen soll, sind noch klein, kaum sichtbar, außer für die Gründenden natürlich; umso größer ist dafür der Anteil des Tätigseins am Alltag der Unternehmenden. Ganz nebenbei: Merken Sie, wie der Trend ganz automatisch zum Aktiv-Dynamischen hingeht, wenn man gendert? „Die Unternehmenden“ riechen nach Blut, Schweiß und Tränen, „der Unternehmer“ hingegen nur nach Geld.
Und ist nicht dieses Dynamische das, was wir uns alle wünschen? Ist es nicht für jeden von uns befriedigender, etwas zu tun, was man gerne tut, was man sich immer gewünscht hat, als etwas, womit man einfach nur Geld verdient? Selbst aktiv werden, sein Schicksal selbst in die Hand nehmen – das Richtige unternehmen, es nicht anderen überlassen?
Ein Gründen in diesem Sinn ist ziemlich nah dran an dem, was man heute, ein wenig modisch, Potenzialentfaltung nennt. Aber der Gedanke dahinter ist weit älter als Gerald Hüther. Er reicht mindestens zurück bis zum Schöpfer unseres Bildungswesens: Wilhelm von Humboldt. Für den preußischen Bildungsreformer stand schon vor mehr als 200 Jahren im Zentrum jeglicher Bildungsanstrengung, dass jeder Mensch die Chance haben solle, sich selbst bestmöglich zu entwickeln. Nicht für einen Arbeitgeber, nicht für einen König, nicht für einen General, sondern für sich selbst. „Das höchste Ideal des Zusammenexistierens menschlicher Wesen wäre mir dasjenige, in dem jedes nur aus sich selbst und um seiner selbst willen sich entwickelte“, schrieb er.
Das kleine u schickt sich an, nochmal groß rauszukommen. Denn heute hat praktisch jeder das Potenzial und die Mittel, etwas zu unternehmen, etwas aktiv zu gestalten. Die Einstiegsbarrieren sind die Digitalisierung und dennoch sind sie durch unsere hocharbeitsteilige Gesellschaft fast überall so niedrig wie noch nie zuvor. Man kann etwas produzieren, ohne erst eine Fabrik bauen zu müssen – Red Bull hat noch nie eine Dose selbst abgefüllt; man kann etwas verbreiten, ohne eine Logistik dafür schaffen zu müssen – Plattformen von Ebay bis Alibaba übernehmen das für Sie; man kann etwas verkaufen, ohne vorher einen Händler vom eigenen Produkt überzeugen zu müssen – allein in Deutschland gibt es etwa eine halbe Million Online-Shops.
Glauben Sie nicht, dass das bei Ihnen geht? Na dann, probieren Sie es doch einfach aus! Vielleicht wollen Sie ja auch mal so etwas wie Schreiben unternehmen – und mit ein bisschen Glück stehen Sie in drei Monaten schon hier…