Kochen einmal anders. Nils-Kim Porru lädt die Künstlerische Betriebsdirektorin des Thalia Theaters, KARIN BECKER, in eine Backstube ein, um mit ihr Brot zu backen. Ein Erlebnis, das den beiden sichtlich Spaß gemacht hat.

Da haben sich zwei gesucht und gefunden: Küchenchef Nils-Kim Porru und Karin Becker, Künstlerische Betriebsdirektorin am Thalia Theater, schwärmen sich vor, wie sehr sie gutes Brot lieben. Sie mache sich stets ein „Veschperbrot“ zum Mitnehmen auf Reisen oder ins Büro, verrät die Schwäbin aus Stuttgart und der Halbitaliener Porru bekennt, nach ein paar Tagen Urlaub im Süden oder auf den Malediven, der Heimat seiner Frau, Sehnsucht zu haben nach herzhaftem deutschen Brot.
Der Ort der Geständnisse ist ein mittelgroßer Laden in der Ottenser Hauptstraße mit dem schönen Namen „Zeit für Brot“. Er ist zwar Teil einer Kette, aber einer ganz anderen, als man das so kennt. Hier wird tatsächlich handwerklich gebacken – verschiedene Brote, Brötchen und Kuchen – und das fast rund um die Uhr. Wer nachmittags kommt, dem wird Brot in die Tüte gelegt, das noch warm ist, und Franzbrötchen, die ganz frisch duften. Und wer das nicht glauben mag, kann durch eine Glasscheibe in die Backstube schauen. Da wird geknetet und geformt, da gehen Teige auf und bekommen Brote schöne Krusten.
Hier wird nur mit Mehl gebacken, das nach den strengen Richtlinien von Bioland erzeugt wurde, also ohne Gentechnik und Pestizide. Der hauseigene Sauerteig, bei den meisten Rezepten das einzige Treibmittel, gärt vor sich hin, fertige Backmischungen, wie sie sonst in Großbäckereien üblich sind, findet man nicht. Hier wird verkauft, was hier gebacken wird. „Wir haben keine zentrale Bäckerei, die uns beliefert, und wir kaufen auch nichts zu“, sagt Florian Mohaupt, von der Ausbildung her ITFachmann, aber begeisterter Quereinsteiger in der Brotbranche. Hier werkeln fünf Bäcker im Wechsel von morgens um halb drei an. Mit Azubi, Servicekräften und Co-Chefin Mareike Schubert sind es insgesamt 15 Mitarbeiter plus Teilzeitkräfte. „Wir haben nur ein kleines Sortiment“, sagt Mohaupt, „so können wir immer beste Qualität liefern.“ Acht Brotsorten und drei Baguettearten gibt es, etwa ebenso viele verschiedene Brötchen. „Weil das alles so unglaublich gut schmeckt, kaufe ich hier ein für das Sonntagsfrühstück in der Villa im Heinepark, zu dem auch Nichtmitglieder des Clubs als Gäste kommen. Es ist ein bisschen teurer, aber eben sehr lecker“, sagt Chefkoch Porru und schneidet sorgfältig schmale Scheiben vom Hausbrot, vom Vollkornsaftbrot, von der Kümmelkruste, einem herzhaften, würzigen Brot mit fester Kruste.
Karin Becker zieht den wunderbaren Duft von frisch Gebackenem tief durch die Nase. Sie isst gern und betrachtet bei ihrem stressigen Beruf das Kochen als Meditation. Meist verarbeitet sie Fisch und Gemüse („außer Sellerie und Petersilie, um die mache ich einen Bogen“). Fleisch gibt es nur einmal im Jahr und dann in der Form von ungarischem Gulasch nach einem Rezept aus Wien, wo sie einige Zeit lebte.
Auch Becker ist eine Quereinsteigerin, hat zuerst Arzthelferin und Rettungsanitäterin gelernt, bis sie, angefixt vom Besuch einer Wagner-Oper mit dem Vater („Stehplatz für 5 Mark“) beschloss, ihrem Leben eine andere Richtung zu geben. Sie wollte, heute würde man sagen, „etwas mit Theater“ machen. Becker spazierte ins Esslinger Landestheater und fragte einen „grummeligen“ Mann nach einem Job. Es war der Verwaltungsdirektor und der lehnte ab. Ein anderer Herr, ein freundlicher, der vorbeikam, unterhielt sich dann zwei Stunden mit ihr und stellte sie vom Fleck weg als Dramaturgie- Assistentin ein. Es war der Intendant Friedrich Schirmer, der später am Hamburger Schauspielhaus die Leitung übernahm, nach fünf schwierigen Jahren 2010 aber zurücktrat und heute wieder Intendant in Esslingen ist. „Als Künstlerische Betriebsdirektorin bin ich sozusagen die Kunst-Ermöglicherin“, sagt Becker, die nie selbst künstlerisch arbeiten wollte. „Ich bin eine Mittlerin zwischen Technik und Kunst. Ich bin bei den wichtigen Treffen dabei, wenn es um Spielpläne, Regisseure, Engagements und Gastspiele geht. An Schauspielschulen suche ich nach Talenten und bereite gerade die „Lange Nacht der Theater“ vor, die am 9. September läuft.“ Da ist sie viel auf Reisen und hat reichlich Gelegenheit, sich ein “Veschperbrot“ zu schmieren. „Ich streiche ordentlich Butter aufs Brot und lege einen schönen Käse drauf, am liebsten französischen oder Schweizer. Dann schnibbele ich mir noch Kohlrabi und Paprika dazu – und fertig ist die Vesper.“ Das macht auch anderen Appetit. „Wer dann mal hungrig rüberschielt, bekommt etwas ab.“
Appetit machen aber auch die Brote, die Porru mit den köstlichen Schnitten komponiert. So lecker die hauseigenen Snacks von der Bäckerei „Zeit für Brot“ auch sind – an Porrus Schöpfungen reichen sie naturgemäß nicht ran. Da streicht er Hummus auf eine Scheibe Körnerkruste, platziert darauf Möhrenstücke, die in einem Sud aus Essig und Reiswein mit Zimt, Nelke und Lorbeer eingelegt wurden, gibt dünnen grünen Thai-Spargel dazu und Radieschen, streut Sesam darüber und fertig ist ein Mundwässerer. Auf ein Dinkelbrot kommt eine Mischung aus Eiercreme und Senfmayonnaise, hauchdünner Rohschinken vom Schlachter Wagner, Gewürzgürkchen und Kresse.
Ein Scheibchen Weizenbrot bekommt Thunfischcreme als Unterlage und Kapernäpfel, Oliven, Wachteleier und Zwiebelstückchen obendrauf. Das sind kleine kulinarische Kunstwerke. Es empfiehlt sich, sie zum Essen manierlich mit Messer und Gabel zu zerteilen. In die Hand genommen, würden die eleganten Schnitten Kleidung und Tischtuch gefährden. Aber sie sind köstlich und sättigen. Man kann sie bestellen bei Nils-Kim Porru, für Meetings oder Seminare. Aber bitte mit genügend Vorlaufzeit. Die Leckereien brauchen Zeit.

 

gourmet_beckerKarin Becker
Karin Becker ist seit seit über 30 Jahren im Theatergeschäft tätig. Sie arbeitete als Produktionsleiterin und Disponentin und leitete Produktionen für Regisseure wie Sebastian Nübling, Johan Simons oder Uli Jäckle. Von 2009 bis 2015 war sie Künstlerische Betriebsdirektorin und Stellvertreterin des Intendanten am Schauspiel Hannover. Seit 2015 ist die begeisterte Motorradfahrerin als Künstlerische Betriebsdirektorin am Thalia-Theater beschäftigt.

 

Text: Gisela Reiners Fotos: Martina van Kann