Küchenchef Nils-Kim Porru und Effilee-Chefredakteur VIJAY SAPRE bereiteten gemeinsam im Business Club ein Menü für das „Hospiz für Hamburgs Süden“ zu.

Der Küchenchef des Business Club Hamburg hatte Besuch. Vom Verleger des Food-Magazins „Effilee“, Vijay Sapre. Der Profikoch Nils-Kim Porru überließ dem Hobbykoch gern einen Arbeitsplatz in seiner Küche, denn beide wollten gemeinsam ein Essen für einen guten Zweck zubereiten.
Sapre wuchtete eine Kiste mit Lebensmitteln auf die Platte, band sich die Schürze um mit der Aufschrift „Effilee – Magazin für Essen und Leben“ und begann sofort, lange grüne Stangenbohnen in Windeseile in Schnibbelbohnen zu verwandeln – begleitet vom wohlwollenden Blick des Küchenchefs. Sapre hatte „sein“ Messer mitgebracht, ein schlankes Teil, aus einem Stück geschmiedet, scharf, mit Spitze und Noppen am Griff für besseren Halt. Das Messer von Nils-Kim Porru erinnert dagegen eher an ein kleines Hackebeil, aber von eleganter Form, mit feinem Holzgriff. Wie bei Köchen üblich, schnibbelte jeder der beiden alles mit seinem Messer, schälte Äpfel und entkernte sie (Porru), schnitt geräucherten Schweinebauch in Streifen für Speckstippe (Sapre). Nur zum Spargelschälen nahm Porru einen Sparschäler.
Auf Anhieb verstanden sich die beiden, teilten sich nicht nur Arbeitsplatte und Herd, sondern auch die Aufgaben beim Zubereiten eines besonderen Essens. Denn es ging mal nicht um die Gäste des Business Clubs, auch nicht um die Leser von „Effilee“ (gegründet 2008, Auflage: 30 000 Exemplare), sondern um das „Hospiz für Hamburgs Süden“ und seine Bewohner.
Einmal im Monat kocht Vijay Sapre Essen für Mitarbeiter, Gäste und Bewohner der zwölf Plätze in dem Backsteinbau am Blättnerring in Harburg. „Es sind meist zwischen zehn und 20 Personen“, sagt er. „Ich koche, was die Saison hergibt. Heute gibt es einen gemischten Salat, Matjesfilets mit Hausfrauensoße, Schnibbelbohnen mit Speckstippe, Spargel und Kartoffeln.“ Gemeinsam mit Nils-Kim Porru zaubert er ein Gericht daraus, das den Fans des jungfräulichen Herings das Wasser im Munde zusammenlaufen lässt.
Porru und Sapre haben etwas gemeinsam: Einen ausländischen Elternteil. Kommt der Vater des einen aus Italien, stammt der des anderen aus Indien. Aufgewachsen sind beide Männer in Deutschland, doch während Porru die Küche seines Vater-Landes überaus schätzt, hat Sapre eher ein distanziertes Verhältnis zu indischem Essen. „Wenn es überhaupt gute authentische Küche außerhalb Indiens gibt, dann wohl in London“, sagt er. Er mag die Vielfalt der Gewürze, deren Mischungen manchmal aufwendig hergestellt werden, aber manche der eintopfartigen Gerichte konnten nicht seine Liebe entflammen.
Nils-Kim Porru hört das Wort Gewürze und beginnt zu schwärmen von einer Reise durch einen Teil Indiens. Die ist ihm aufgrund der vielen fremden Gewürze, die noch getrocknet, gemahlen, geröstet und gemischt werden – ein Currypulver kann aus mehr als 30 verschiedenen Zutaten bestehen – in bester Erinnerung. Derweil rührt er die Hausfrauensoße an, mischt Schmand und Mayonnaise, fügt Zitrone, Salz und Pfeffer hinzu, winzige Würfelchen von Salzgurken („für ein bisschen säuerliches Aroma“), Apfelstückchen und reichlich Dill. Keine Zwiebeln? „Nö. Die würde ich höchstens in Ringen beim Anrichten auf das fertige Gericht legen.“ Aber am Ende bleibt der schicke Teller, den er drapiert, doch zwiebelfrei.
Unterdessen dreht sich das Gespräch um Gourmetküche. Im „Noma“, einer zeitweiligen Dependance des berühmten dänischen Kochs René Redzepi in Tokio, habe er „das beste Essen meines Lebens“ gegessen, gesteht Sapre, der von Berufs wegen häufig weltweit unterwegs ist. Man sieht Porru an, da würde er auch gern mal speisen. Er sagt, dass er zwar schon in aller Welt gearbeitet hat, von den Malediven über die Schweiz bis in die USA, jetzt aber gern bei den Schweizer Kollegen Tanja Grandits (zwei Sterne) und Andreas Caminada (drei Sterne im Michelin) in die Töpfe schauen würde. In der Zwischenzeit fliegt die Schale nur so vom Spargel, entstehen aus dem Stück Schweinebauch erst ordentliche kleine Scheibenstapel, dann feine schmale Streifen, die gleich in der Pfanne mit Schalottenwürfeln in schäumender Butter geschwenkt werden. Fertig ist die Speckstippe.
Die Pellkartoffeln hat Porru mit Kümmel im Kochwasser aufgesetzt, „gibt den besonderen Geschmack“, und Sapre hat die geschnittenen Stangenbohnen kurz gekocht und in Eiswasser geschüttet. „So bleiben sie schön grün und garen nicht weiter, behalten also ihren Biss.“ „In Harburg wird ‚Family Style‘ serviert. Das heißt, alle Gerichte kommen in die Mitte eines großen Tisches und jeder nimmt sich von dem, was er mag. Auch wenn jemand keinen Matjes isst, wird er mit Spargel, Kartoffeln und Bohnen noch satt.“
Sapres Engagement für das „Hospiz für Hamburgs Süden“ kam durch Vermittlung der NDR-Fernsehmoderatorin Bettina Tietjen zustande. Bei ihr saß Vijay Sapre einmal auf dem „Roten Sofa“ in der Sendung DAS! Hospiz-Schirmherrin Bettina Tietjen konnte ihn für das besondere Kochvernügen gewinnen. Zwar kocht Sapre auch für seine Frau und die Kinder zu Hause – „meine selbstgemachte Pasta steht hoch im Kurs“ – aber für andere zu kochen ist ihm eine besondere Freude. Außerdem ist er nicht der reine Hobbykoch. Bei dem Sterne-Koch Gutbert Fallert in Sasbachwalden im Schwarzwald hat er ein Praktikum gemacht, später noch eins bei Heinz Wehmann im „Landhaus Scherrer“.
Fast hätte IT-Fachmann Sapre, Sohn eines Ingenieurs, der als Offizier zur See fuhr, noch eine Kochlehre gemacht. 2004 hatte er die Gebrauchtwagen-Plattform mobile.de für viel Geld verkauft. „Aber was dann?“ fragte er sich. Es kam ihm zu Hilfe, dass er sich immer schon fürs Essen und Zubereiten interessiert hatte. So führte ihn der Weg zu den Sterne-Köchen, 2008 zur Herausgabe von „Effilee“ (bedeutet übersetzt ungefähr gleichmäßig dünn schneiden) und zur Übernahme des Literaturhaus- Cafés an der Außenalster 2013. Doch aus diesem Abenteuer hat er sich inzwischen zurückgezogen.
Tusch und Scheinwerfer an: Porru hat angerichtet. Auf einem schmalen rechteckigen Teller liegen zwei Majetfilets nebeneinander, bedeckt mit etwas Hausfrauensoße, in der zwei marinierte grüne Spargelspitzen stecken und zwei winzige Pfifferlinge. Eine hauchdünne getrocknete Apfelscheibe und eine vom Radieschen, Erbsensprossen und Kresseblättchen komplettieren die Garnitur. Was sich aus einem an sich doch einfachen Gericht für ein Stillleben machen lässt!

 

 

Text: Gisela Reiners Fotos: Martina van Kann