Der Präsident der Technischen Universität Hamburg (TUHH), PROFESSOR GARABED ANTRANIKIAN, ist leidenschaftlicher Koch. Mit Nils-Kim Porru zauberte er in der Alumni-Lounge ein Menü aus zwei Welten.
Die Herren plaudern entspannt und lassen unterdessen routiniert ihre Messer in Büschel von Minze und Petersilie sausen. Sie lassen sich nicht stören, weder von der Fotografin, die ihren Fingern mit dem Objektiv folgt, noch von den Scheinwerfern, die die Szene ausleuchten. Einer kann es ein wenig schneller und lässt locker auch mal die Blicke schweifen zu denen, die zuschauen, Teller richten und Besteck besorgen. Das ist der Profi. Das ist Nils-Kim Porru, Küchenchef im Business Club Hamburg, der zu Besuch bei Professor Garabed Antranikian, Präsident der TU Hamburg, mal ein bisschen Ungewöhnliches kocht.
Dazu ist er in den Süden der Stadt gereist und im TU-Hauptgebäude am Schwarzenberg-Campus in den dritten Stock gefahren. Dort residiert der Präsident (seit 2012). Hier gibt es aber nicht nur Büroräume, sondern auch – als Teil der Alumni-Lounge – eine fabelhaft eingerichtete Küche, in der nichts fehlt vom Edelstahltopf bis zur Suppenkelle, untergebracht in Schubladen und Schränken aller Größen in einem weißen Küchenblock an einer Schmalseite des Raumes. Von diesem Küchenblock, an dem der Präsident und der Profi, der Naturwissenschaftler und der Handwerker, vergnügt aus einem kleinen Berg frischer, glatter Petersilie kleine Stückchen schnippeln, geht der Blick an zwei langen Esstischen vorbei in eine gemütliche Lounge mit Sesseln, Tischen und großem Flachbildschirm an der Wand.
„Ich koche hin und wieder mit meinen Gästen“, sagt Antranikian, einer der Besten im Fach Biotechnologie international, Träger des hochdotierten Deutschen Umweltpreises und Mitinhaber von mehr als 100 Patenten, die er zusammen mit der Industrie hält. Vertreter von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sind hier hin und wieder zu Gast, um über Forschung, Lehre und Hochschulpolitik zu reden. Und wie könnte man das angenehmer als beim gemeinsamen Kochen, Essen und Entspannen. „In den USA gibt es häufiger Küchen in den Universitäten. Dort bin ich auch schon bekocht worden“, sagt der Mann mit dem ungewöhnlichen Namen.
Antranikian ist armenischer Abstammung und wurde in Jordanien geboren. Seine Lebensgeschichte und die seiner Familie sind geprägt von Flucht und Vertreibung. Seine Frau, eine armenische Perserin, hat er in Göttingen kennengelernt. Nach Deutschland hat es den Absolventen der amerikanischen Universität in Beirut durch Zufall verschlagen: Während des Bürgerkriegs im Libanon 1977 war es nicht so gefährlich, vom Campus zur nahen deutschen Botschaft zu gelangen wie von Heckenschützen auf dem weiteren Weg zur amerikanischen erwischt zu werden. Also schlüpfte er in einer Feuerpause zu den Deutschen, bekam ein Visum, landete in Freiburg, um Deutsch am Goethe-Institut zu lernen. „Im Wohnheim habe ich viel mit anderen gekocht und dabei Deutsch gelernt.“ Es ist eine von fünf Sprachen, die er spricht.
Er promoviert in Göttingen, bewirbt sich später auf eine Professur in Harburg, wird angenommen und avanciert zum Präsidenten. Was für ein Leben! Begleitet hat ihn immer das Kochen, das er liebt. Auch zu Hause steht der Professor gern am Herd. Rouladen und Klopse gibt es nicht, eher die heimische Küche. Deshalb hat sich Antranikian auch entschlossen, Tabouleh, den im vorderen Orient beliebten und verbreiteten Petersiliensalat, zuzubereiten. Porru dagegen hat schon einen Topf mit köstlichem Curry mitgebracht. Seine Frau stammt von den Malediven, seine Schwiegermutter schickt ab und zu eine selbst hergestellte Paste aus den verschiedensten Gewürzen, die den Küchenchef immer wieder begeistert. „So aromatisch und pikant. Herrlich!“
In der gelb-braunen Soße finden sich zarte Hühnerstückchen und nicht zu hart gekochte Eier. Der Geschmack ist Exotik pur, obwohl es sich bei den Einlagen um Bekanntes handelt. Die Kombination jedoch ist umwerfend. Scharf, aber nicht zu sehr, ist die Soße die perfekte Umhüllung des sanften Hühnerfleisches, des schmelzenden Eigelbs und des bissfesten Eiweiß. Das Problem wird später sein: Wie bekommt man den Geschmack aufs Foto? Weder an Farbe noch an Form gibt das Gericht etwas her. Porru erkennt das Problem, nimmt Weizengras-Stängel, probiert ein bisschen und schon bringt das Grün Farbe ins Bild.
Das Problem gibt es nicht beim Tabouleh. Es ist eine kleine Orgie aus Grün, Rot und Weiß. Es beginnt damit, dass Herr Professor in Hemdsärmeln und Schürze lässig am Küchenblock steht, ein Standbein, ein Spielbein, etwas Bulgur in eine Schüssel füllt und geübt aus einer Zitrone den Saft darauf gibt. Durchrühren und abwarten. 15 Minuten dürfen sich der vorgekochte Hartweizen, dem die Kleie entfernt und der danach klein geschnitten wurde, und der Saft vermischen, zusammen mit fein gehackten Tomaten und Gurken. Dann kommen die gehackte Petersilie, die Minze, eine halbe gehackte Paprikaschote, Olivenöl, Salz, Pfeffer und etwas getrocknete Minze („intensiviert“) dazu. Alles wird vermischt und nett auf Salatblättern angerichtet.
Ganz unauffällig haben Mitarbeiter und Assistenten den Raum betreten, teilen Getränke aus, räumen schon einmal benutztes Gerät weg und, ja, kosten auch nur zu gern mit unverhohlenem Vergnügen vom professoralen Gericht wie vom Mitgebrachten. Die Frage, ob man nun erst den Petersiliensalat als Vorspeise und dann Porrus Curry genießen oder beides auf den Teller füllen und abwechselnd oder zusammen kosten soll, beantwortet jeder individuell. Auf jeden Fall sind die „Mmmhhhs“ und „Aaahhhs“ nicht zu überhören.
Diese Töne waren vermutlich auch vorherrschend, als der TU-Präsident vor einiger Zeit Vertreter der Hamburger Sparkasse und davor Ehemalige (Alumni) der TUHH zum „Familientreffen“ in die Lounge einlud. Titel: „Presidents Cooking Class“. Es gab Hummus (Kichererbsenpüree, Sesam-Mus und Gewürze), Auberginen-Creme und Tabouleh vorweg, Lamm aus dem Ofen mit Joghurt-Minze-Dip, dazu Reis mit Nüssen und orientalischen Aromen als Hauptgang und als Dessert eine Zimt-Kardamom- Creme. Nach dem Genuss der feinen Speisen wurde im entspannten Ambiente über mögliche gemeinsame Projekte gesprochen, die mit Hilfe der Gäste verwirklicht werden können. Die Liebe, auch die zur Alma Mater, geht eben hin und wieder durch den Magen.