Als Badener liebt er den Genuss von gutem Essen. Als Vorsitzender der Geschäftsführung der Hamburg Marketing GmbH ist DR. ROLF STRITTMATTER verantwortlich für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt. Zum Ausgleich läuft er täglich um die Alster.

Na klar, da kommt man doch sofort drauf: Wenn jemand wie Dr. Rolf Strittmatter aus dem Markgräflerland stammt, dieser begnadeten Gegend im Südwesten der Republik, bekannt für Wein und gutes Essen, dann wünscht er sich beim Kochevent mit Club-Küchenchef Nils-Kim Porru Tapas zuzubereiten – und zwar Schwarzwälder Tapas. Das verblüffte Gesicht, das der Koch von der Elbchaussee angesichts dieses Wunsches gemacht hat, ist nicht überliefert. Allerdings hat er die Aufgabe ohne Wimpernzucken gemeistert und kleine mundgerechte Köstlichkeiten vorbereitet, die sowohl spanischen als auch badischen Restaurants zur Ehre gereicht hätten.
Es fehlten zwar die typischen Schwarzwälder Zutaten wie geräucherter Schinken, Forelle und ein Stückchen vom Wild – aber die hatte der Chef von Hamburg Invest, der Anlaufstelle für Unternehmen, die sich hier ansiedeln oder erweitern wollen, schon mal selbst verwendet, als er zuhause im Badischen Gäste geladen hatte. „Ich bin in der Familie zuständig für Fisch und Fleisch“, bekennt er. Dann etwas leiser: „Allerdings mehr am Grill.“ Männersache eben, der Umgang mit Feuer und größeren Portionen. Aber gegen geröstete Blutwurst, Zwiebelmarmelade und Kartoffel-Speck-Waffeln kann man auch als Mann aus Binzen im Dreiländereck von Deutschland, Schweiz und Frankreich, nichts einwenden. Tut Strittmatter auch nicht. Mit großem Eifer hilft er Porru und Sebastian Herz, dem Executive Sous-Chef, winzige blaue Borretschblüten, Tupfer von frühlingsgrüner Bärlauchcreme und kleine Bruchstücke von getrocknetem Petersilienschwamm (wird im Siphon aufgeschäumt) auf den hoch gestapelten Häppchen zu verteilen. Konzentriert ist der 53-Jährige bei der Sache und plaudert dabei munter übers Essen. Bei so viel Genussfreude fragt man sich irgendwann, wo sich das denn wohl figürlich niederschlägt? Die Antwort: gar nicht.
Obwohl Strittmatter als Vorsitzender der Geschäftsführung der Hamburg Marketing GmbH und Geschäftsführer der Wirtschaftsförderungsgesellschaft sehr wohl auch reichlich Schreibtisch- und Sitzungsarbeit kennt, wird jede überflüssige Kalorie in Sport umgewandelt. Der Mann läuft viel (Marathon inzwischen eher selten), spielt Tennis (kam als junger Mann bis in die Oberliga), wandert in den Bergen und läuft Ski. Da kann er sich gut und gern Laugenmuffins und Lachsmosaik, Kartoffeltaler mit pochierten Apfelkügelchen und Bauernbruschetta mit Sauerfleisch (in Mini-Würfelchen) leisten.
Beim Laufen festigte sich einst die Zuneigung zu Hamburg, die der Diplom-Volkswirt und promovierte Wirtschaftsgeograph zuvor schon durch den Besuch bei Freunden gefasst hatte. 2010 hatte er sich vorgenommen, hier den Marathon unter dreieinhalb Stunden zu laufen. Das schaffte er zwar nicht, war aber von der „Stadtbesichtigung der besonderen Art“ so angetan, dass es keiner großen Überredung bedurfte, sich 2015 vom Posten des Geschäftsführers der Zukunftsagentur Brandenburg in Potsdam und dem Expo-Center Airport Berlin nach Hamburg zu bewerben. Nun wohnt er in Othmarschen und kann sich, je nach Laune und Windrichtung entscheiden, ob er erst elbaufwärts oder elbabwärts läuft.
Strittmatters Ehefrau, die in Baden als Lehrerin arbeitet und das 13-jährige Nesthäkchen betreut (die zwei Älteren sind schon aus dem Haus), pendelt nach Hamburg und er nach Süden. „Manchmal treffen wir uns aber auch in Potsdam, wo wir viele Freunde haben.“ Man ist mobil und offen. So wie die Hamburger. „Das gefällt mir hier. Bei aller Tradition ist man offen für Neues.“ Strittmatter, gekleidet in hanseatischem Blau mit Anstecknadel und Einstecktuch, weist aus den bodentiefen Fenstern im sechsten Stock des Bürogebäudes am Harburger Binnenhafen, in dem Hamburg Innovation Port seinen Sitz hat. Das ist eine Art Thinktank der TUHH Hamburg, Strittmatter gehört in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer von Hamburg Invest zum Beirat und hat diesen Ort für das Treffen mit Chefkoch Porru ausgewählt.
„Hier in Harburg wird für die Zukunft geforscht, aber die Tradition des Hafens mit einbezogen“, sagt Strittmatter. „Hier geht es sozusagen um Hamburg 4.0. Wir arbeiten daran, innovative Betriebe anzusiedeln. Die finden das richtige Umfeld durch die TUHH, andere ähnliche Unternehmen, den Hafen, die ganze Aufbruchsatmosphäre.“ Hamburg Invest ist die Organisation unter dem Dach der städtischen Hamburg Marketing GmbH, die sich um alles kümmert, vom Grundstück über die Finanzierung bis zum Kontakt mit städtischen Institutionen. Als One-Stop-Agency ist sie das Bindeglied zwischen Stadt, Wirtschaft und Unternehmen.
Strittmatter war anfänglich häufiger mit der Frage konfrontiert, warum gerade ein Nicht-Hamburger sich um die ureigenen Wirtschaftsangelegenheiten der Stadt kümmert. „Ich finde den Blick von außen sehr wichtig. Gerade weil ich nicht von hier komme, sehe ich vielleicht andere und mehr Möglichkeiten als ein Insider. Hamburg ist nicht nur schön sondern hat auch Potenzial“, sagt er. Und nennt als Beispiel die Elbphilharmonie: „Ein innovativer Glaskörper auf einem ehemaligen Kaispeicher aus traditionellem Backstein – eine in die Zukunft weisende Verbindung. Erbaut übrigens von Architekten aus Basel, meiner Gegend!“ Hanseatische Werte treffen auf Innovation. „Das brauchen wir hier: Zuverlässigkeit und Weitblick, ein ideales Umfeld für Start-ups.“
Strittmatter schiebt sich eine winzige Spinatquiche mit Ziegenkäse in den Mund und äußert Wohlgefallen. Er ist ans Kochen gekommen als Lehrling (Industriekaufmann) und Student in Freiburg: „Wer gut essen will, muss kochen“, lautete die Erkenntnis. Vorbild war eine bayrische Oma, die Spätzle noch mit der Hand schupfte und 103 Jahre alt wurde. Kochen hält offenbar jung. Sicherheitshalber läuft Strittmatter nach der Arbeit auch noch eine Runde um die Alster.

 

Rolf Strittmatter, 53, aus Binzen, war von 2010 bis 2011 Professor/Leiter des Studiengangs Wirtschaftsförderung an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Mannheim. Als Geschäftsführer leitete er die Wirtschaftsregion Südwest GmbH, die Dr. Osypka GmbH sowie die ZAB ZukunftsAgentur Brandenburg GmbH und die ExpoCenter Airport Berlin Brandenburg. Seit 2015 ist er Geschäftsführer der Hamburg Invest und Hamburg Marketing GmbH. Seit 2016 ist er Vorsitzender der Geschäftsführung der Hamburg Marketing GmbH.

 

Text: Gisela Reiners Fotos: Martina van Kann