Zwei-Sterne-Koch THOMAS MARTIN und Business Club- Küchenchef Nils-Kim Porru trafen sich zum gemeinsamen Kochen in der Küche des Hotels Louis C. Jacob.

gourmet4

gourmet7gourmet6

 

 

 

 

David besucht Goliath: Die Küche von Thomas Martin im Hotel „Louis C. Jacob“ hat ungefähr die Größe eines Tennisplatzes. 30 Köche arbeiten hier. Die Fläche der Küche von Nils-Kim Porru beträgt etwa ein Achtel davon, Arbeitsplatz für sieben Köche. „Ich bin beeindruckt“, sagt der Küchenchef vom Business Club trocken und meint auch die zwei Sterne im Gourmet-Führer Michelin, die der Kollege von etwas weiter westlich an der Elbchaussee seit 2011 führt. Beide Köche haben sich für ihr gemeinsames Koch-Event entschlossen, eine Seezunge zuzubereiten, zusammen und doch jeder für sich, nach eigenem Geschmack, um am Ende zu sehen, was dabei herausgekommen ist.
Auch der Edelfisch, den Porru, ausgenommen und ohne Haut, mit allen Zutaten samt Dekoblüten und Soßenfond angeschleppt hat, ist kleiner als der aus Martins Kühlhaus. Während Porru genau weiß, wie er seine Filets zubereiten wird, die er schon emsig von der Gräte löst, gibt sich Martin locker: „Ich lasse mich vom Fisch inspirieren.“ Aber auch neben seiner Kochplatte stehen schon viele kleine Töpfchen mit Zutaten, darunter Meeresfrüchte wie Herz- und kleine Miesmuscheln, Hummerschwanz und -schere, kleine Calamaretti und ein paar weiße Tintenfischringe. Martin zieht nach ein paar Schnitten dem Fisch mit einem Ruck die Haut ab, schaut kritisch, drückt hier und da und entscheidet: „Ich werde die Seezunge auf der Gräte braten.“
Porru dagegen nimmt ein Filet und schneidet es vorsichtig mit zarten Schnitten diagonal ein von Anfang bis Ende, legt es zwischen Folie und klopft es platt, bevor er es der Länge nach aufrollt. „Ich werde pochieren“, sagt er und wickelt die schmale Filetrolle ganz fest in Klarsichtfolie, verschließt die Enden. Dann ab damit für 15 Minuten ins Wasserbad bei exakt 65 Grad.
Thomas Martin setzt ab und zu die Brille, die am Bändchen um seinen Hals hängt, auf und wieder ab und guckt mal, was der Kollege da auf seiner Herdplatte so treibt, brät aber wie nebenbei das von Kopf und Schwanz befreite Mittelstück seines Fisches in der Pfanne an. „Kann ich mal bitte Olivenöl haben?“ fragt er in die Runde seiner Köche, die für das Abendgeschäft mit großen Messern Zwiebeln und Staudensellerie in winzige Würfelchen schneiden oder mit dem Ausstecher das Fleisch aus Weintrauben holen. Mehrere Hände reichen verschiedene Öle, aber es muss das aus dem Kanister sein. Und schon brutzelt es, als er den Fisch, leicht gesalzen und ganz leicht mehliert, behutsam in die Pfanne legt.
Thomas Martin grinst, schüttelt die Pfanne und sagt: „Herrlich! Der Fisch bleibt schön saftig, wenn man ihn an der Gräte brät. Ach, ich koche schon sehr gern.“ Gelächter. Aber für ein einziges Gericht steht er eher selten am Herd. Er entwickelt die Speisen, stellt die Karte zusammen, achtet auf die Arbeit der Köche, schmeckt ab, prüft am Pass die fertigen Teller, garniert hier und da, korrigiert, gibt Anweisungen und erlaubt schließlich, dass der Teller zum Gast entschweben darf. Da muss Porru selbst schon viel mehr ran. Er muss sich auch um die Bankette kümmern, die Martin seine Mitarbeiter machen lässt, während er sich ganz auf die Speisen für das elegante Sterne-Restaurant konzentriert.
Während die Herren miteinander oder mit den Kiebitzen plaudern, rühren sie hier mal im Soßentopf, schütteln da mal an der Pfanne, achten auch darauf, dass beim Kollegen alles stimmt, kontrollieren die Temperaturen vom Wasserbad und vom Ofen, in dem die Seezunge langsam fertig gart. Nach und nach legt Martin die verschiedenen Meeresfrüchte in die Pfanne, die Muscheln, die Tintenfi sche, den Hummer, aber nur ganz, ganz kurz, zum Aufwärmen sozusagen. „Die Muscheln öffnen sich nachher in der Soße.“
Unterdessen kommt aus dem Wasserbad eine Art Stange, die ein bisschen wie ein Weißwürstchen ohne Krümmung aussieht. Porru zupft die Folie ab, legt die Roulade auf einen runden Teller, dem er einen hübschen orange-roten Streifen aus Süßkartoffel- Püree verpasst hat. Es geht in die Endphase. Es wird angerichtet. Thomas Martin greift einen großen ovalen Teller, legt seine Seezunge in die Mitte und umkränzt sie mit den Meeresfrüchten, gießt seine göttliche Soße an und macht sich an die Dekoration.
Dabei ist auch Porru angekommen. Wie zufällig liegen glänzende kleine Buchenpilze und Samthauben, vorher leicht süß-sauer eingelegt mit kleiner Rauchnote, neben Gnocchi, die mit roten Safranfäden gesprenkelt sind. Es folgen Tupfen von leichtem Limettenschaum, begleitet von Blutampfer-Blättchen und winzigen gelben Anisblüten. Als wolle er sich bei dem Farbenspiel nicht abhängen lassen, sucht Thomas Martin noch nach einer Ergänzung seines Stillebens. Die herrliche Röstung des Fisches, das Schwarz und Weiß der Muscheln und des Tintenfisches, das Hummer-Rot passen – aber es fehlt noch etwas.
Da kommt von irgendwoher eine Hand mit einem kleinen Becher, darin kurze, dünne Spießchen: Passepierre heißt das in der Nobelküche oder Salicorne, auf Deutsch Queller. Die Pflanze wächst im Wattenmeer, schmeckt frisch und leicht salzig. Perfekt für den grünen Akzent, passend zu Seefisch und Meeresfrüchten. Da hat jemand zugeschaut und mitgedacht. „So etwas freut mich“, sagt Martin und man freut sich für den jungen Koch gleich mit. Schließlich hat der Meister ihn wohlwollend bemerkt.
Porru zupft noch hier, Martin schiebt noch da, die Wärmelampe über den Tellern gibt ihr Bestes und heizt den gespannten Zuschauern ein. Zwei Köche schauen kritisch auf ihr Werk, sind zufrieden, schauen sich an und klatschen ab. Geschafft. „Sehr fein“, findet Thomas Martin den Teller von Nils-Kim Porru, nickt anerkennend und probiert gleich mal. „Auch sehr fein und köstlich. Nichts überlagert den Geschmack des Edelfischs. Es ist harmonisch und filigran. Mein Gericht ist eher klassisch.“
Der Club-Küchenchef kostet von Martins Teller Fisch, Soße, Beilagen. „Das ist hohe Kochkunst“, begeistert er sich. „Eine Super-Gartechnik, das Braten an der Gräte. Alles ist absolut auf den Punkt gegart, ausgewogen im Geschmack. Das ist perfekt.“ Man klopft sich auf die Schultern, Martin bietet das Du an und sagt dem Kollegen von weiter östlich an der Elbchaussee: „Hat großen Spaß gemacht. Kannst gern nächste Woche hier anfangen.“
Es war wohl nur das rote Licht der Wärmelampe, das über Porrus Gesicht streifte.

 

Text: Gisela Reiners Fotos: Martina van Kann