Mit der Heimat im Herzen kulinarische Highlights servieren: Sternekoch ALI GÜNGÖRMÜS und Nils-Kim Porru zauberten in der Küche des Le Canard Nouveau Gerichte mit türkischem und italienischem Flair – direkt an der Elbe.
So unterschiedlich lässt sich Heimat auf dem Teller interpretieren: Einer reicht etwas Gemüsiges mit aufwändiger Herstellung, ein anderer stellt etwas zusammen, das schlicht wirkt, aber raffiniert schmeckt. Küchenchef Nils-Kim Porru besuchte Sterne- Koch Ali Güngörmüs, von allen immer nur Ali genannt, nur ein paar Häuser entfernt vom Business Club Hamburg in dessen Restaurant „Le Canard Nouveau“ und pflegte mit ihm einen munteren Austausch – unter anderem über Restaurants im allgemeinen und das Arbeiten im Ausland im Besonderen.
Der Gastraum mit Blick auf den Hafen ist gut gefüllt. Das „Le Canard“ bietet von Dienstag bis Sonntag auch mittags Sterne- Küche, was nicht alle Restaurants seiner Kategorie tun. Mittagund Abendgeschäft – da muss der Club-Küchenchef ein wenig Lächeln. Er muss für alle Mahlzeiten sorgen, von Frühstück bis Abendessen, für Clubmitglieder und ihre Gäste, für Seminare und Tagungen, für Feste und Feierlichkeiten, Montag bis Freitag von 9 bis 22 Uhr und sonntags fürs Frühstück, zu dem auch Nichtmitglieder herzlich willkommen sind.
Ali schaut beeindruckt und nickt, denn er selbst führt auch nicht gerade ein langweiliges Leben. Er übt sich inzwischen im Spagat zwischen der Elbchaussee und der Münchner Kardinal- Faulhaber-Straße, wo er in der Einkaufsgalerie „Fünf Höfe“ seit gut einem Jahr das „Pageou“ betreibt. Dessen Name sagt schon etwas über das Konzept aus, ist es doch der Name von Alis Geburtsort in der Türkei. München war die erste Heimat nach der eigentlichen, die Stadt behagt ihm und er der Stadt. Die Gäste genießen seine gehobene türkische Küche in eleganter, gleichwohl lockerer Atmosphäre, was wohl auch Kardinal Reinhard Marx zu gefallen scheint. „Seine Fenster gehen auf den gleichen Innenhof“, sagt Ali, der Alevit, über den katholischen Würdenträger. „Manchmal unterhält er sich mit meinen Gästen, die draußen im Hof essen.“
Ihm gefällt die lockere Atmosphäre – und dass er mit den Aromen seiner Heimat kochen kann, mit Koriander, Minze und Sumach (ein säuerliches Gewürz aus einer Steinfrucht), mit Ingwer und Granatapfel, mit Couscous und Feigen. Aber so ganz verleugnet er auch an der Isar nicht, wo sein Platz sonst noch ist: „Krosse Vierländer Ente im Ganzen gebraten“ steht auf der Karte. Im „Le Canard“ dagegen fi nden sich heute auch orientalische Einfl üsse. „Als ich 2005 anfi ng, habe ich mich streng an der französischen Küche orientiert. Meine Herkunft sollte sich nicht in meinen Gerichten widerspiegeln. Aber inzwischen haben mich meine Gäste so oft nach türkischen Gerichten und Gewürzen gefragt, dass ich jetzt mische.“
Nils-Kim Porru musste nie die sardische Heimat seines Vaters verleugnen. „Italienisch“ war immer angesagt. Er hat sich für diesen Tag gehörig ins Zeug gelegt und vorbereitet: Eine mit Jakobsmuschel- Farce gefüllte Zucchiniblüte ist das Herzstück seines Gerichtes. Dazu gibt es confi erte Tomaten und etwas grüne Soße, serviert in einer gläsernen Petrischale. In einer zweiten gibt es Thunfi schtatar als Füllung eines anmutigen Gefl echts aus Zucchinistreifen mit ein paar Thunfi sch-Tataki-Würfelchen (außen scharf angebraten, innen roh) als Beigabe. Ein Spiel mit verschiedenen Garmethoden, mit warm und kalt, passend für einen Tag wie diesen.
Porru hat schon vorgearbeitet, richtet feinfühlig an, hier noch ein Kresseblättchen, dort noch eine Erbsensprosse. Ali muss sich erst einmal die Kochjacke bringen lassen, die er wohl schon ein Weilchen nicht mehr getragen hat. Wer zwei Restaurants in zwei Städten betreibt, im Fernsehen auftritt („Topfgeldjäger“, „Küchenschlacht“), einen Michelin-Stern verteidigen und für zwei Kochbücher arbeiten muss, steht nicht mehr unbedingt jeden Tag am Herd. „Ich bin mehr der Manager“, sagt der „Canard“- Chef und wirkt einen Moment melancholisch. Schließlich kocht er mit Leidenschaft, sogar Fischstäbchen, wenn es sein muss, für die Kinder Marvin, 7, und Lucas, 2, am Familientisch.
Auf einem blauen Teller richtet Ali einen Streifen Feta-Käse an, im Vakuumbeutel gegarte Aubergine daneben, kleine bunte Tomaten als Begleitung. Auf den Feta kommt eine Art Chili Mango, eine pikante Mischung aus Frucht und Chili, aufgepeppt mit Haselnüssen und Ducca, einer alten orientalischen Gewürzmischung aus Sesam, Koriander, Kreuzkümmel, Kichererbsen, Öl und Meersalz. Die Aubergine wird begleitet mit einer Art Pesto aus gehackten und gegarten Paprika in gelb und rot, Schalotten, Knoblauch und Rosmarin. Beide Köche betonen, sie wollten es leicht und aromatisch, nichts Schweres, nichts Belastendes. Das dürfte ihnen gelungen sein.
Nebenbei erzählen sie sich aus ihrem Leben, von ihren Stationen. Ali hat in München gelernt, hat unter anderem im legendären „Tantris“ und in den „Schweizer Stuben“ in Wertheim bei Würzburg gearbeitet, beide mit zwei Sternen dekoriert. Als er hört, wie Porru durch die Welt getourt ist zwischen USA, Tessin und Malediven, bricht es aus ihm heraus: „Das hätte ich auch gern gemacht. Hätte auch wahnsinnig gern bei einem Drei-Sterne- Koch in Paris gearbeitet. Aber mit meinem türkischen Pass war es nicht so einfach mit dem Arbeiten im Ausland.“ Es folgt ein Seufzer. „Aber irgendwann mache ich ein orientalisches Restaurant in Los Angeles auf!“ Nils-Kim Porru lächelt mitfühlend. Er hat sein Fernweh schon gestillt. Plötzlich springt Ali auf, schüttelt Hände.
Er muss los. Das Taxi wartet – und das „Pageou“ in München.