Der Geschäftsführer von Hapag Lloyd Cruises, KARL J. POJER, und Küchenchef Nils-Kim Porru trafen sich am Kreuzfahrtterminal Altona, um an Bord der Europa gemeinsam ein Menü mit Pulled-Pork-Pralinen, Beef Tatar und Kaviar zu kreieren.

Das hatten wir noch nicht! Dass jemand seine eigene Kochjacke zum Termin mitbringt! Als Karl J. Pojer den Business Club-Küchenchef Nils-Kim Porru an Bord seines eleganten Kreuzfahrtschiffes „Europa“ trifft, trägt er korrekte Berufskleidung, mit eingesticktem Namen auf Blütenweiß. Der Profi von der Elbchaussee hat, wie immer, eine Schürze über die Montur (ebenfalls mit Namen) gebunden. So ausgestattet werkeln beide gemeinsam im Reich von „Europa“-Küchenchef Tillman Fischer, der sich großzügig in sein winziges Büro zurückzieht. Sie fertigen feinste Häppchen zum Champagner, die Porru sich ausgedacht und vorbereitet hat.
Es ist nicht ganz korrekt, Pojer als unechten Profi zu bezeichnen, denn der Chef von Hapag-Lloyd Cruises hat Koch und Kellner und alles, was zur Gastronomie und Hotellerie dazugehört, mehrere Jahre in seiner österreichischen Heimat studiert. Deshalb kann er kenntnisreich würdigen, was Nils-Kim Porru heute Köstliches angeschleppt hat, das ohne Weiteres an Deck den Kreuzfahrtgästen serviert werden könnte. Doch von den maximal 400 Gästen sind gerade mal 18 an Bord. Hamburg ist ein Ein- und Aussteige-Hafen für die meisten Passagiere, die am Nachmittag an Bord erwartet werden und für die der Betrieb in der Küche schon am Vormittag auf Hochtouren läuft.
„Die beiden Erdbeeren müssen die gleiche Größe haben“, ermahnt Pojer im Vorübergehen den Mitarbeiter, der gerade die kleinen Begrüßungs-Tellerchen für die neuen Gäste füllt, die diese auf ihrer Kabine vorfinden. Wie sähe das denn aus, wenn eine große neben einer kleinen Erdbeere läge! Der Chef sieht alles. Ebenso sieht er auch, wie ein Koch gerade frische Bratwürstchen auf einem Blech zu einer kleinen Schnecke dreht. „Sieht hübsch aus, viel besser als ein normales Würstchen.“
Die „Europa“ (mit der Europa 2 das einzige Fünfsterne-plus Schiff weltweit) ist ein elegantes, schwimmendes Hotel. Es hat vier Restaurants, darunter das Gourmet-Restaurant, in dem der geniale Drei-Sterne-Koch Dieter Müller zehn Jahre lang für feinste Küche sorgte. Vom Herbst an wird ihm Kevin Fehling folgen, der Hamburger Drei-Sterne-Koch, der das Restaurant „The Table“ in der Hafen-City führt, wird hier 20 Tage im Jahr Geschmackssensationen präsentieren. Um sie an Land zu genießen, muss man in der Shanghaiallee ein Jahr auf einen Platz am Chiefs Table warten. Fehling war rasch für den neuen Job zu begeistern: Zu Beginn seiner Karriere hat er auf der „Europa“ gearbeitet. Seefest ist er also schon mal.
Küchenchef Porru holt aus seiner Zauberkiste ein weißes Gestell mit sechs kleinen, runden Plattformen, in deren Mitte ein blaues Licht magisch leuchtet. Darauf platziert werden in transparenten Behälterchen Pulled-Pork-Praline, Beef Tatar auf Sesamkeksen mit Kaviar und Tapioka-Chips sowie karamellisierter Ziegenkäse mit in Balsamico glasierten Roten Beten, Orange und Walnüssen. Das, was am unscheinbarsten aussieht, nämlich die in Pankomehl gewälzte und kurz frittierte Pulled-Pork-Kugel, ist aromatischer Genuss pur, hergestellt mit großem Aufwand. Dafür wird Schweinenacken mit Gewürzen wie geräuchertem Paprika, Koriander und Cayennepfeffer eingerieben und 72 Stunden im Vakuumbeutel bei maximal 80 Grad gegart. Danach wird das Fleisch in selbst gekochte Barbecue-Soße eingelegt und für drei Stunden im Ofen bei 220 Grad gebacken. Danach ist es so weich, dass es fein auseinander gezupft werden kann, um es mit Butter, Eigelb, Petersilie und Ketchup zu vermischen. Das Ergebnis ist geschmacksintensiv und genau das Richtige als Amuse-Gueule zu einem feinen Menu oder als Beigabe zum Glas an Deck bei Sonnenuntergang.
Das blaue Licht unter den Häppchen gibt den kleinen Keksen mit schwarzem und weißen Sesam einen magischen Touch. Zwischen ihnen ruht mit Schalotten, Cognac, Chili und Worcester-Soße fein gewürztes Beef Tatar. Wachtelei, goldener Kaviar und ein Stückchen Tapioka-Chip, dessen weiße Perlen durch die dunkles Sepia (Tinte vom Tintenfisch) verbunden werden, bilden die Dekoration. „Ein bisschen Surf & Turf“ erklärt Porru seine Schöpfung. Der karamellisierte Ziegenkäse setzt mit fabelhafter Balance zwischen Süß und Säuerlich den Schlusspunkt.
Pojer staunt, nicht nur über die Kochkünste Porrus, auch über die Etagère, auf der alles angerichtet ist. „Meine Erfindung“, sagt der Küchenchef leise. Er habe nichts auf dem Markt gefunden, und sich eben selbst etwas zusammengebastelt und es dann von Profis herstellen lassen. „Wenn jemand auch so etwas haben will, muss er mich fragen. Ich habe die Rechte daran.“ Ein neuer Stern am Designer-Himmel?
Als alles fertig ist, geht es aus der Küche an Deck fürs Foto vom gemeinsamen Essen. Dort steht der gedeckte Tisch an der Reling, an der dekorativ ein Rettungsring hängt mit dem Schiffsnamen „Europa“ und dem Heimathafen Nassau. Das sieht nach weiter Welt und gepflegtem Abenteuer aus. Der Champagner steckt im Kühler, die Gläser stehen bereit. Pojer hat die Kochjacke mit einem dunkelblauen Blazer getauscht, hat Geschirr, Dekoration, den Sonnenstand, den Hintergrund geprüft und für gut befunden.
Nun plaudert er, ganz der geschulte Gastgeber für das gehobene Publikum, das im Schnitt 640 Euro am Tag auf dem Schiff ausgibt, mit den Akteuren rundherum, mit dem Service, der Fotografin und anderen Begleitern. Stimmt das Licht? Der Blickwinkel? Die Perspektive? Dem Zufall soll schließlich nichts überlassen bleiben. Darauf ist er gedrillt.
Karl Josef Pojer („Alles Namen österreichischer Kaiser“, lächelt er) hat in bekannten Hotels und Resorts an großartigen Stationen zwischen New York, Paris und Madeira gearbeitet, im Auftrag von Kempinski, Sheraton und Pestana. Danach wechselte er zu TUI und stieg vom Sprecher der Geschäftsführung der Robinson Clubs auf zum Bereichsvorstand für TUI Hotels & Resorts mit Beteiligungen an 300 Häusern weltweit, bis er im Mai 2013 den Vorsitz der Geschäftsführung von Hapag-Lloyd Cruises übernahm.
„Wir verkaufen Emotionen“, sagt er, nicht nur Reisen, Urlaub, Entspannung. „Kulinarik ist ein wesentlicher Bestandteil der Buchungsentscheidung. Hier ist der Sterne-Koch zum Anfassen“. Aber nicht nur der: Wenn es unterwegs einen schönen großen Thunfisch zu kaufen gibt, wird er vor der Zubereitung den Gästen frisch präsentiert und erklärt. Auf Frische wird überall großer Wert gelegt: Im Herbst wird das Innenleben der „Europa“ neu gestaltet. Schließlich gibt es in der Gesellschaft nicht nur Konkurrenz von der „Europa 2“, sondern auch von zwei Expeditionsschiffen, die 2019 in Dienst gestellt wurden. Ein weiteres folgt 2021. Der Kreuzfahrtmarkt boomt immer noch.
Luxus und Eleganz ist Pojer gewohnt aus seinem Berufsleben. Privat wohnt er mit Ehefrau, einer Unternehmensberaterin, in Harvestehude, und vermisst die Tochter, die zum Jura-Studium nach Bayreuth gezogen ist. Seine Zeiten als Rennfahrer(!) liegen hinter ihm, auch die als versuchter Triathlet: „Durch eine Nasenoperation kann ich beim Schwimmen nicht richtig atmen“. Er kocht gern und liebt Einfaches aus der Heimat: Gebackene Leber zum Beispiel. Von den „Europa“-Köchen weiß er, dass sie an Land sofort feine Jobs bekommen. Porru schleppt seine Zauberkiste lächelnd von Bord: Er braucht das nicht mehr.

 

Karl J. Pojer,
wurde 1954 in der Steiermark geboren. Nach einem Hotelfachstudium arbeitete er in großen internationalen Hotels in New York, Wien und Paris. Von 1980 bis 1995 war der Hotelfachmann in leitenden Positionen in verschiedenen Ländern für führende Hotelkonzerne wie Kempinski, Sheraton, Pestana tätig. Im Januar 1996 kam der in Hamburg lebende Österreicher zur TUI, leitete bis 2003 als Sprecher der Geschäftdsführung die Robinson Club GmbH. Nach weiteren Stationen in der TUI AG übernahm der begeisterte Sportwagenfahrer 2013 den Vorsitz der Geschäftsführung von Hapag Lloyd Kreuzfahrten. 2017 wurde Karlö J. Pojer für seine erfolgreiche Arbeit mit dem Preis „Seatrade European Cruise Personality of the Year ausgezeichnet.

 

Text: Gisela Reiners Fotos: Martina van Kann