Auch frisch gewaschenes Gemüse muss in den Korb. Aufgewachsen mit Hausmannskost, lernte der Basketballtrainer MARVIN WILLOUGHBY beim Kochtraining unter Nils-Kim Porru ein ganz neues Spielfeld kennen.

Tja, da hat Nils-Kim Porru ein echtes Problem: Wie kocht man mit jemandem, der nicht kochen kann? Sein prominenter Gast in der Küche des Business Clubs ist dieses Mal Marvin Willoughby, der als Basketballspieler andere Talente besitzt, als mit Pütt und Pann leckere Gerichte zu zaubern. „Ich bin leider ein bisschen zu faul, um es zu lernen“, sagt der Sportler und verzieht das Gesicht mit gespieltem Schuldbewusstsein. Chefkoch Porru weiß Rat, schiebt ihm Gemüse und ein ultrascharfes Messer hin und Willoughby schnibbelt ohne zu murren langsam, aber gleichmäßig Gurken, Tomaten und rote wie gelbe Paprika zu sehr ordentlichen Würfelchen.
Küchengeheimnisse können sie nicht austauschen, der Dialog kommt trotzdem schnell in Fahrt. Es gibt nämlich eine Gemeinsamkeit zwischen dem 2,02 Meter großen Athleten und dem fast 30 Zentimeter weniger messenden Club-Koch und zwar über ihren Jahrgang hinaus; beide sind in den späten Dreißigern. Sport. Auch Porru ist Basketballer! Und ein ganz begeisterter. Beim vergnügten Austausch der beiden kommt schnell heraus, dass sie sich in ihren Jugendzeiten ungefähr in denselben Sportlerkreisen bewegt haben, sich aber nie begegnet sind. Beim Größenvergleich überkommt den Laien leichter Zweifel, wie das denn funktioniert haben soll. Porru grinst: „Ich kann ziemlich hoch springen.“ Das bedeutet, auch so bekommt man die Kugel in den Korb.
Jetzt aber: Was gibt’s zu essen? „Ich habe mal ein Sportlerfrühstück vorbereitet“, sagt Nils-Kim Porru und sein großgewachsener Gast schaut interessiert. Die frühe Mahlzeit ist seine Sache nicht. Wie viele Menschen bekommt er erst am späten Vormittag Hunger. „Ist natürlich nicht richtig. Ich sage den Kids immer, dass ein ordentliches Frühstück wichtig ist. Aber ich muss ja nicht mehr wachsen.“ Stimmt. Und was ist sein Favorit? Nutella? Wird ja von vielen Sporttreibenden gern genommen, weil die Haselnuss-Creme für die nötigen Kalorien sorgt. Aber: „Nusspli“, kommt es wie aus der Pistole geschossen. „Oh, ich liebe das. Dafür könnte ich glatt Werbung ohne Geld machen, weil es so lecker ist. Liegt vielleicht an dem Mandelanteil in der Creme.“ Das wäre dann auch geklärt.
Unterdessen hat Porru fürsorglich ein paar Riegel unter das Schneidebrett für seinen Gast gelegt, damit sich Rücken und Nacken des langen Profi-Basketballers beim Herunterbeugen nicht überdehnen. Sein Messer saust unterdessen durch ein paar Nüsse oder beseitigt mit Schwung den Glibber aus geviertelten Tomaten. Ein bisschen im Weg ist manchmal der Basketball, den Porru aus einem der Büros ausgeliehen hat.
Kein Mensch weiß mehr, wie der Ball dahin gekommen ist. Ein Werbegeschenk? Ein Mitbringsel? Egal. Hier passt er doch wunderbar ins Bild, für das die Fotografin auf eine Leiter steigen muss wegen des „langen Kerls“. Ab und zu versucht Porru, den Ball auf der Fingerspitze kreiseln zu lassen. Geht so. Willoughby hält sich zurück. Er kann das sicher im Schlaf, hält sich aber bescheiden zurück.
Der Küchenchef hat inzwischen wieselflink Couscous in eine Edelstahlschale geschüttet, kippt nun eine fein gewürzte, heiße Hühnerbrühe darauf, damit der Hartweizen aufquillt. Darauf kommen die zerkleinerten Hasel- und Cashewnüsse, Mandeln und Pinienkerne. Das Ganze wird in Folie gewickelt, damit Wärme und Feuchtigkeit nicht entweichen. So wird die Nussmischung weich und zart.
Schon gewaschen sind die Spinatblätter, die der Küchenchef, ohne sich beim Erzählen, Fragen, Kichern hindern zu lassen, in einer großen Pfanne in zerlassener Butter schwenkt, natürlich nicht, ohne einen Hauch von Knoblauch dazu zu geben. Nun stehen noch Eier in einer Schale auf der Arbeitsfläche, dekorativ umgeben von Töpfchen mit grün-roter Blutkresse und kringeligen Erbsensprossen. Schon fix und fertig liegen krosse Baconscheiben in einer Schale. Wie bekommt man die so glatt hin? Sonst wellen die sich doch so. Nicht, wenn man sie mit einer Metallplatte in der Pfanne beschwert! Die Laien in der Küche staunen, aber ihren Mienen sieht man an, dass sie zu Hause den Bacon doch lieber einfach brutzeln lassen werden.
Gut, nun haben wir Frühstücksspeck, aber was wird aus den Eiern? Werden sie gebraten, gekocht, gerührt? „Die werden pochiert“, bestimmt der Küchenchef und stellt einen Stieltopf mit Essigwasser auf den Herd, das er nach dem Kochen, wenn es sich beruhigt hat, mit einem Schneebesen und flinken Bewegungen zum Kreiseln bringt. Aus einer Tasse lässt er das aufgeschlagene Ei sanft in die heiße Flüssigkeit gleiten, wo das Eiweiß gleich zu stocken beginnt und das Gelb umschließt. Klingt einfach, braucht aber Übung. Wichtig ist die richtige Temperatur – mehrfach dreht der Kochprofi am Knopf der Induktionsplatte – und die richtige Geschwindigkeit des kreiselnden Wassers. Natürlich wird das Ei perfekt und alle Zuschauer staunen.
Was isst denn Marvin Willoughby am liebsten? „Mein Vater ist zwar Nigerianer, aber meine Mutter Deutsche. Wir haben in Wilhelmsburg gewohnt, wo ich auch mit meinem Sport angefangen habe. Für Fußball war ich zu lang, also musste ich mich ja irgendwie absetzen. Zu Hause gab es gute Hausmannskost. Für Blumenkohl und Kartoffelpüree würde ich noch heute manche Delikatesse stehen lassen.“ An der Hausarbeit habe er sich beteiligen müssen, ebenso wie die Schwester. Darauf habe die Mutter geachtet. Vorm Kochen aber habe er sich eben gedrückt.
Früh fing er auch schon an, Wettkämpfe zu bestreiten, durfte mit Hilfe seines Vereins in den USA auf die High School gehen, kam mit 20 Jahren nach Würzburg, lernte Dirk Nowitzki kennen und spielte mit ihm in der ersten Bundesliga. Nach 35 A-Länderspielen machte eine Knöchelverletzung 2003 der Karriere ein Ende. Er blieb dem Basketball aber treu als TV-Kommentator, später als Trainer, Sportlehrer, jetzt als Geschäftsführer des Profi-Clubs Hamburg Towers, der in die erste Liga strebt. Dazwischen engagiert er sich für den Nachwuchs, schob in Wilhelmsburg, wo er mit Frau und zwei Kindern wohnt, Projekte an, organisiert Spiele und Unterricht für Jugendliche, geht in die Schulen und erklärt den Kids, dass nur eine echte Mannschaft Chancen auf Erfolg hat. Für seinen Einsatz bekam er 2016 den Bundesverdienstkreuz.
Nun aber Frühstück: Porru wickelt die Couscous- Nuss-Schale aus, gibt die Gemüsewürfel darüber, mischt alles schön durch und füllt etwas davon auf den Boden großer Weingläser. Darauf kommt der Spinat, das pochierte Ei, der knusprige Bacon, noch ein Scheibchen Avocado, die Kresse als Deko. Das Ganze sieht in Rot-Weiß-Grün nicht nur hübsch aus, sondern ist auch wahnsinnig gesund. Obendrein schmeckt es köstlich. Zum Essen finden sich doch immer mehr Gäste als zum Kochen. Porru und Willoughby fachsimpeln schon wieder. Der Koch verspricht, mal zu einem Spiel zu kommen und vielleicht noch ein paar Kumpel von damals mitzubringen. „Das wäre cool“, sagt Willoughby und strahlt, als wären die Towers gerade aufgestiegen.

 

Marvin Willoughby

Marvin Willoughby, 39, wuchs im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg auf. Er begann mit dem Basketballspielen beim TS Harburg. Nach einem Highschool-Aufenthalt in den USA trat Willoughby in der 2. Bundesliga für Rist Wedel an. 1998 ging er nach Würzburg und spielte gemeinsam mit Dirk Nowitzki in der Bundesliga. Nach einer Knöchelverletzung beendete der „Forward“ seine Profikarriere und machte den Trainerschein. 2006 gründete Willoughby mit Freunden in Wilhelmsburg den Verein „Sport ohne Grenzen e. V.“ mit dem Ziel, Jugendlichen das Basketballspielen näherzubringen und soziale Kompetenz zu vermitteln. Sein Freund Dirk Nowitzki unterstützt das Projekt mit seiner Stiftung. Seit 2014 ist Marvin Willoughby Geschäftsführer des Zweitliga-Basketballclubs Hamburg Towers.

 

Text: Gisela Reiners Fotos: Martina van Kann