Das Schweizer Essen ist traditonell und trendy. Chefkoch Nils-Kim Porru hat drei Jahre in Ascona gekocht und die Küche schätzen gelernt.

Die Schweizer Tourismusbehörde kann sich die Hände reiben. Sie hat einen glühenden Fürsprecher für die Köstlichkeiten, die Qualität der Produkte und die Leistungen der Köche im Alpenland. Küchenchef Nils-Kim Porru ist immer noch voll der Begeisterung, die er Anfang der 2000er Jahre empfunden hat, als er im Luxus-Hotel „Il Giardino“ in Ascona drei Jahre jeweils im Sommer gearbeitet hat. Im Winter ist das Hotel, das der Vereinigung Relais & Chateau angehört, mit seinem Zwei-Sterne-Restaurant geschlossen.
„Es war eine großartige Küche, in der ich gearbeitet habe. Es wurden fabelhafte Produkte verwendet, die es in der Schweiz in toller Frische gibt. Wir haben wunderbares Gemüse aus Italien bezogen, herrlichen Käse, Fische und bestes Fleisch aus Frankreich, Deutschland und Österreich. Die Küche basierte auch in den Kochtechniken auf der klassischen französischen Küche, war aber abgewandelt und beeinflusst von der Umgebung, den Kräutern, dem Käse, den Schinken. Es gab eine unglaubliche Vielfalt.“
Natürlich war die Zeit kein Urlaub für den jungen Koch. „Es war schon anstrengend. Es gab noch die traditionelle Posteneinteilung. Ich habe einmal als Saucier gearbeitet, war für die Soßen, Fonds, Jus und diverse Fleischgerichte zuständig, aber auch mal als Patissier. Da habe ich mich mit den köstlichen Kuchen, Torten, Keksen und Desserts beschäftigt. Wir haben auch unsere Pralinen selbst hergestellt. Alles auf höchstem Niveau. Das ging nur mit etwa 32 Mitarbeitern in der Küche. So etwas ist selten. Aber wir haben jeden Tag eine neue Speisekarte geschrieben mit rund 16 Gerichten. Jeden Tag. Das muss man sich mal vorstellen. Heute wechselt man die Karte alle drei bis vier Wochen in erstklassigen Restaurants. Allerdings ändern sich in der Zeit immer einige Gerichte. Aber eben nicht 16 Gerichte täglich.“
Porrus Schwärmerei ist nachvollziehbar. Er war jung, hatte noch keine Familie und nicht die kürzlich geborene süße kleine Tochter. Er war unabhängig und stressfest, wenn täglich 150 Personen à la carte ihr Essen bestellten. „Ich habe dort unglaublich viel gelernt. Es wurde damals schon auf Sterne-Niveau gekocht, die Schweizer Küchenchefs gehörten zu den Besten, waren allerdings auch sehr streng. Mit so schönen Produkten und den besten Herden und Geräten der damaligen Zeit zu kochen, ist ein Traum. Der Druck, unter dem ich als Postenchef stand mit meinen zwei bis vier Mitarbeitern, war enorm. Aber er hat mich reifen lassen.“
Nach Porrus Erzählungen versteht man, warum man so oft auf Schweizer Küchenchefs in den Restaurants dieser Welt trifft. Es liegt an der hervorragenden und präzisen Ausbildung und wohl auch am Duft der Weltläufi gkeit, der durch die großen, eleganten Fünf-Sterne-Hotels mit internationaler Gästeschar von Indien bis USA, von Japan bis Saudi-Arabien zieht. Das kleine Land (8 Millionen Einwohner) hat mit Andreas Caminada und Benoît Violier zwei Köche mit drei Sternen im Michelin, 18 mit 2 Sternen, darunter Heiko Nieder vom Dolder Grand in Zürich, der vom Gault Millau zum besten deutschen Koch im Ausland 2015 gekürt wurde, und 84 mit einem Stern.
Aber nicht nur die besondere Güte der Ausbildung macht die Schweizer Küche, auch die Gäste, die bereit sind, für die Erfüllung ihrer hohen Ansprüche entsprechend zu bezahlen. Darüber hinaus können die Küchenchefs auf vorzügliche Erzeugnisse zurückgreifen. Egal, ob es sich um Simmentaler Rind handelt, luftgetrocknetes Bündner Fleisch, schmackhaften Tête de Moine- Käse und feinste Schokoladen. Auch in Deutschland sind Appenzeller und Greyerzer Käse, Sbrinz und Vacherin bekannt und beliebt. Auch die Belper Knolle fi ndet immer mehr Freunde, eine kleine Kugel, die im Aussehen schwarzem Trüffel ähnelt. Wie Trüffel wird der Käse gern über Pastagerichte geraspelt.
Jeder Schweizer Kanton, jede Region, jeder See und Fluss, fast jedes Bergdorf oder -tal hat bestimmte Fische, eine besondere Wurst, einen feinen Käse, ein süßes oder salziges Gebäck zu bieten, das teilweise traditionell nach alten Rezepten gefertigt wird. Hinzu kommen schöne Schnäpse wie der Bündner Kräuterlikör Röteli und guter Wein wie der Fendant. Bodenständige Gerichte wie zum Beispiel Zürcher Geschnetzeltes mit Rösti liebt auch das Geschöpf des Schriftstellers Hansjörg Schneider, der Basler Kommissar Hunkeler. Der sucht gern nach urigen Gasthöfen, die gemütlich „Zum Kreuz“ oder „Zur Post“ heißen, und schlichte, aber gute Gerichte bieten, wie Wurstsalat oder Cordon bleu, ein mit Schinken und Käse gefülltes Kalbsschnitzel. Geschnetzeltes mit Rösti wird sich im Februar auch auf der Speisekarte des Business Clubs fi nden, denn es ist für den Winter ein wunderbarer Magenwärmer. Das Kalbfl eisch wird mit angeschwitzten Schalotten, Knoblauch und Rosmarin kurz angebraten und aus der Pfanne genommen. Der Bratensatz wird mit Jus abgelöscht, mit Weißwein und Creme fraîche verfeinert, bevor das Fleisch zum Wärmen wieder in die Soße gegeben wird. „Ich füge gern noch frische Kräter dazu“, sagt Porru. Für die Rösti raspelt er gekochte Kartoffeln und vermengt die Masse mit einem Ei, würzt mit Salz, Pfeffer und Muskat. „Wenn man rohe Kartoffeln raspelt, besteht die Gefahr, dass sie in der Mitte roh bleiben. Das Ei gibt Geschmeidigkeit und Bindung. Speckwürfel können dazu, müssen aber nicht.“
Und was gibt es zum Dessert? „Auf jeden Fall etwas mit viel Schokolade.“ An dem Halbitaliener Porru scheint tatsächlich ein ganzer Schweizer verloren gegangen zu sein.

Text: Gisela Reiners  Fotos: Martina van Kann
Gisela Reiners war früher Politik-Chefin bei der Tageszeitung
„Die Welt“. Sie schreibt heute als freie Autorin über ihre Leidenschaften
Stil, Design und Kulinarik