Musik begleitet Christiane Eiberger ihr Leben lang. Seit 2015 kümmert sie sich auch im Job um ihre Leidenschaft. Sie leitet die FRANZ-WIRTH-GEDÄCHTNIS-STIFTUNG, die ihr Großvater gegründet hat. Es ist keine Arbeit, sagt sie, sondern Erfüllung.

Ihre jüngste Herausforderung ist fast 220 Jahre alt. Auf dem Flügel von Christiane Eiberger liegen die Noten von Beethovens dritter Symphonie – einem seinerzeit revolutionären Stück und heute eines der beliebtesten und meistgespielten Orchesterwerke des Komponisten. „Das fordert mich enorm“, sagt Eiberger. Ihr Lachen verrät, dass das viel mehr eine Freude ist als ein Problem.
Musik begleitet Christiane Eiberger ihr Leben lang. Seit sie fünf Jahre alt ist, spielt sie Klavier. Mal mit kleineren, mal mit größeren Unterbrechungen. Heute ist sie 61 – und hat endlich wieder Zeit, regelmäßig zu spielen. Das liegt an zwei Ereignissen, die ihr Leben zuletzt sehr stark geprägt haben. Zum einen ist das ihre Pensionierung. Eiberger war als Oberstudiendirektorin am Ende zuständig für die seinerzeit einmalige Qualifikation ausländischer Lehrer in Deutschland. Seit 2014 ist sie im vorzeitigen Ruhestand. Ruhiger ist es aber seitdem nicht geworden, denn sie übernahm 2015 die Leitung der Franz Wirth Gedächtnisstiftung, die Talente auf dem Weg in die Musikwelt unterstützt. Eine Aufgabe, die sie immer wieder mit ihrer Leidenschaft zusammenbringt, mit Musik. „Deshalb ist das auch für mich nicht nur Pflicht wie früher, sondern eher Muße. Ein Einsatz, den ich von innen heraus gebe“, sagt Eiberger.
Mit diesem Einsatz führt sie eine alte Familiengeschichte fort. Franz Ernst Wirth, Eibergers Großvater, hat die Stiftung 1970 gegründet. Wirth war Bäcker- und Konditormeister, das Kaffeehaus Wirth am Mönckebergbrunnen seinerzeit das größte der Stadt. Und Wirth war Liebhaber guter Musik. „Wenn wir bei ihm Musik hörten, durften wie währenddessen nie reden. Erst hinterher wurde sich über das Stück ausgetauscht“, erzählt Eiberger. Als ihr Großvater 1983 starb, übernahm ihre Mutter den Vorsitz der Stiftung und finanzierte sie, wie ihr Vater, mit eigenem Kapital. Das änderte sich erst, als Eiberger in dritter Generation in den Vorstand eintrat. „Ich lebe den Stiftungsgedanken so, dass ich andere daran beteiligen möchte“, sagt sie.
Also sammelt sie nicht nur das nötige Kapital von Partnern und Sponsoren ein, von Musikfreunden und Gönnern, sondern lässt sie auch aktiv die Stiftungsarbeit erleben. Die jungen Talente zu begleiten, motiviere die Förderer enrom, sagt Eiberger. Zugute kommt dieses Geld dann den Stipendiaten von der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg, mit der die Stiftung von Beginn an kooperiert und deren Ehrenpräsident Prof. Dr. Hermann Rauhe ebenfalls im Stiftungsvorstand sitzt. Drei bis vier Talente werden jedes Jahr gefördert. Sie werden entweder von Eiberger selber entdeckt, von der Hochschule empfohlen oder bewerben sich bei der Stiftung. Ein Jahr lang wird ihnen dann finanziell unter die Arme gegriffen. „Sie können sich dann das Geld für die Miete sparen oder müssen neben dem Studium nicht noch arbeiten“, sagt Eiberger.
Aber die Finanzspritze ist nur die eine Seite der Medaille. Auf der anderen dürfen die Musiker reichlich Bühnenerfahrung sammeln. Entweder, weil sie über die Stiftung angefragt werden oder, weil sie auf den eigenen Stiftungskonzerten auftreten – in kleinen Konzerthäusern oder in Eibergers Wohnzimmer im obersten Stock der Altbauwohnung in Harvestehude. „Die Hauskonzerte sind besonders reizvoll für Künstler und Gäste, weil sie eine besondere Nähe genießen, im Anschluss über die Stücke sprechen und sich kennenlernen“, sagt sie. Da hätten dann alle etwas von: die Künstler und die Gäste, die häufig auch Sponsoren sind, und die Nähe zu den großen Musikern so nicht oft erleben können.
Dass sich diese Arbeit lohnt, zeigt beispielsweise die Geschichte der Saxophonistin Asya Fateyeva, die bereits über Hamburg hinaus bekannt ist und schon in der Elbphilharmonie aufgetreten ist. Sie wurde von der Stiftung gefördert und ist jetzt Absolventin, sogenannte Alumni. Den Kontakt zu ihnen zu halten, ist Eiberger wichtig. Deshalb engagiert sie für ihre Konzerte immer wieder talentierte Nachwuchsmusiker oder vermittelt sie bei Anfragen. Zu der heute auf Hamburs Bühnen bekannten Pianistin Olena Kushpler aber hat sie eine ganz besondere Verbindung. „Sie ist meine Klavierlehrerin und Freundin“, sagt sie. Ihr hat sie Beethovens Dritte zu verdanken.
Und auch ihre Tochter wurde von der gebürtigen Ukrainerin unterrichtet. „Meiner Tochter habe ich damals gesagt: Tennis, Tanzen, Reiten – du darfst alles ausprobieren. Aber nur, wenn du das Klavierspielen nicht aufgibst“, sagt Eiberger. Ihre große Begeisterung für die Musik hat sie jedenfalls vererbt. Seit 2019 ist Tochter Ann-Kristin, Intensivmedizinerin am Universitätsspital in Basel, Mitglied im Vorstand der Stiftung. Die Stiftungsarbeit soll nun über die Grenzen Deutschlands hinausgetragen werden. „Die Familiengeschichte“, sagt Christiane Eiberger mit einem Lächeln im Gesicht, „wird weitergeschrieben“.

 

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Text: Alexander Siebert Foto: Martina van Kann