Nach dem Ingenieurstudium wollte Christine Wall in die Forschung. Sie landete in der Wirtschaft, fand Gefallen am Thema Menschenführung. Jetzt sorgt sie als Geschäftsführerin bei Camfil für einen Wandel der Firmenkultur.

„Die vergangenen Wochen waren schon extrem”, sagt Christine Wall. Sicher, als Geschäftsführerin des Filterherstellers Camfil mit Verantwortung für zwei Standorte – in Deutschland und in der Slowakei – ist die Rheinländerin stressige Situationen gewohnt. Doch die Auswirkungen der Corona-Krise sorgen auch in ihrem Unternehmen für einigen Wirbel – positiven allerdings. Denn die Bestellungen für die von Camfil entwickelten mobilen Raumluftfilter stiegen in den vergangenen Monaten um rund 60 Prozent. Volle Auftragsbücher sind das eine, Produktion und Auslieferung das andere. Denn trotz Überstunden und Sonderschichten sind Wall und ihre Mitarbeiter kaum in der Lage gewesen, die Lieferzeiten wie gewohnt einzuhalten. „Inzwischen haben wir das aber im Griff”, sagt sie.
Seit 2019 ist Christine Wall für das schwedische Unternehmen tätig, das Papierfilter aller Art und jeglicher Spezifikation für Filteranlagen in der Industrie herstellt. Dabei hatte die gebürtige Kölnerin ursprünglich andere berufliche Pläne. Sie absolvierte nach der Ausbildung als Fotolaborantin ein Studium zur Medieningenieurin und wollte in der Bio-Chemie-Forschung arbeiten. Doch dann erhielt Wall ein Jobangebot des damaligen Foto-Riesen Agfa Gevaert, das sie nicht ablehnen konnte. Zehn Jahre arbeitete sie in der Röntgentechnologie, in der das Unternehmen eine weltweit führende Rolle spielte – allerdings nicht als Ingenieurin in der Technik, sondern in verantwortlicher Position im Bereich Mitarbeiterführung. „Ich hatte von Beginn an Führungsverantwortung. Mein Thema sind Menschen”, erklärt Wall. Weitere Stationen waren ein amerikanischer Kompressorhersteller und die dänische Firma Grundvoss.
Das Faible für das Thema Menschenführung hat die Mutter von drei erwachsenen Kindern schließlich auch zu Camfil gebracht. Der Global Player in hochspezialisierter Filtertechnik wurde 1963 in Schweden gegründet und hat seit 1966 einen deutschen Ableger im schleswig-holsteinischen Reinfeld, kurz vor Lübeck, etabliert. Ein riesiger Sprung für eine Kölnerin, die den Karneval liebt und seit vielen Jahren eine Dauerkarte für den 1. FC Köln („Ich bin ein crazy Fußballfan”) besitzt. Als Camfil Christine Wall das Angebot zur Geschäftsführerin anbot, musste sie erst einmal Google befragen, um sich Informationen über die Company zu beschaffen. „Als ich sah, dass es ein schwedisches, familiengeführtes Unternehmen ist, wusste ich: ‚Das ist die Firmenkultur, die mir liegt’.“
Christine Wall will die eingefahrenen Strukturen in dem Werk in Reinfeld aufbrechen. Die früheren Manager regierten „top down” – eine Handvoll Menschen, die die Expertise hatten, lenkten das Unternehmen. Nicht ohne Erfolg, aber mit der Zeit nutzte sich der Führungsstil ab, und das machte sich unter anderem in sinkenden Umsatzzahlen bemerkbar. Eine Situation, die für „People-Manager” Christine Wall eine große Chance bot. „Mein Ziel ist es, Menschen weiterzuentwickeln und dafür zu sorgen, dass sie einen Sinn in ihrer Arbeit sehen und es ihnen gut geht.” Sie kann zuhören und motivieren. Verantwortungsbewusste Mitarbeiter sind ihr wichtig. Seit ihrem Einstieg hat sie viele junge Leute eingestellt. „Die Generation von heute will mitreden und sich einbringen, manchmal auch vehement“, erklärt sie. „Ältere Mitarbeiter kennen so etwas nicht. Sie machen das, was ihnen gesagt wird. Beide Welten zusammenzubringen, finde ich spannend.”
Der neue Führungsstil kommt an bei den rund 200 Mitarbeitern in der Produktion sowie rund 100 im Vertrieb – die meisten von ihnen sind bereits viele Jahre für das Unternehmen tätig. „Wenn wir glücklich sind, merken das die Kunden und kommen zu uns. Dann steigen auch die Umsatzzahlen”, sagt die 55-Jährige. Wall lebt die nordische Unternehmenskultur. Sie bietet jedem Mitarbeiter das „Du” an, ist aber auch nicht böse, wenn jemand beim „Sie” bleibt. Das neue Miteinander im Unternehmen macht sich positiv bemerkbar. Dank innovativer Projekte steigen die Umsatzzahlen. Ein Renner ist der bereits erwähnte Raumluftfilter, den Camfil für Endkunden entwickelt hat und der sich inzwischen extrem gut verkauft. Das Gerät gibt es zwar schon seit fünf Jahren, aber erst durch die Corona-Krise wissen die Menschen, wie wichtig saubere Innenraumluft ist.
Durch die Erfahrungen mit den mobilen Geräten ergibt sich für Christine Wall und ihr Unternehmen eine neue Gewichtung. „Wir wollen das Thema saubere Innenraumluft zukünftig mehr pushen. Alle reden über die schmutzige Außenluft, aber kaum jemand über saubere Innenluft. Dabei verbringen wir 90 Prozent unserer Zeit drinnen”, sagt sie. „Die Vision von Camfil lautet: „Saubere Luft ist ein Menschenrecht!” Die Unternehmens-Kultur-Managerin hat sich mit ihrem Team zur Aufgabe gemacht, dieses Leitbild mit Leben zu füllen.

Kontakt
Camfil GmbH
Feldstraße 26-32
23858 Reinfeld
04533 20 21 70
Christine.Wall@camfil.com
www.camfil.com

 

Text: Achim Schneider Foto: Martina van Kann