Seit 20 Jahren ist KERSTIN HENGEVOSS-DÜRKOP mit ihren Ausstellungsräumen Teil des Galeriehauses am Klosterwall. Der wichtigste Wunsch der promovierten Kunsthistorikerin: Menschen durch Kunst, die am Puls der Zeit ist, einen anderen Blick auf die Welt zu ermöglichen.

In der Galerie mit den fünfeinhalb Meter hohen Decken sieht es nach Arbeit aus. Vor einer der weißen Wände stehen gestapelte Kartons mit einer Bohrmaschine darauf, und mitten im Raum zieht ein Paravent von imposanter Größe – bemalt mit wildesten, farbigen Blättern und Ranken – sofort alle Aufmerksamkeit auf sich. Diejenige, welche die frisch aus Paris eingetroffenen Kunstwerke in den kommenden Stunden und Tagen mit geschultem Blick inszenieren wird, erscheint mit einem Lächeln im Gesicht. Seit 20 Jahren ist Kerstin Hengevoss-Dürkop mit ihren Räumlichkeiten Teil des Galeriehauses Hamburg am Klosterwall. Und trotz aller Routine überlässt sie bei jeder neuen Ausstellung nicht ein Detail dem Zufall.
„Wie ein Bild wirkt, hat sehr viel damit zu tun, wo es hängt“, sagt Kerstin Hengevoss-Dürkop, die auch nach zwei Jahrzehnten immer noch fasziniert ist von der urbanen Lage ihrer Galerie für zeitgenössische Kunst: Zwischen stark befahrenen Straßen und Gleisen in unmittelbarer Nähe zu Kunstverein, Deichtorhallen und Kunsthalle – fester Bestandteil der lebendigen Kunstmeile. Der Anspruch, den sie an „ihre“ Künstler und deren Arbeit stellt, passt gut an diesen Ort, den sie jedem idyllisch gelegenen Altbau vorzieht: „Mir ist wichtig, dass die Künstler, mit denen ich arbeite, authentisch sind“, sagt die 58-Jährige. „Sie fungieren als Seismograph unserer Welt, so wie sie heute ist, und ihre Werke sollen nicht bloß deskriptiv sein, sondern Erlebtes widerspiegeln.“ Der Paravent stammt von Pascal Vilcollet, der für seine Auseinandersetzung mit der Grenze zu Abstraktion in seinem Werk bekannt ist – nur eines von 20 Bildern, die zur Ausstellung „Carte Blanche“ gehören, die sie aktuell zusammen mit Maler und Kurator Valentin van der Meulen präsentiert.
Dass sie einmal so eng mit modernen Künstlern zusammenarbeiten würde, hätte sich die in Liechtenstein aufgewachsene Kunsthistorikerin zu Beginn ihrer Karriere kaum vorstellen können. Nachdem sie schon als Schülerin in Vaduz in der Sammlung des Fürsten gearbeitet hatte, kam sie an die Elbe, um am renommierten Lehrstuhl von Martin Warnke Kunstgeschichte zu studieren. „Ich hatte tatsächlich nie das Bedürfnis, mich selbst künstlerisch auszudrücken. Ich habe immer lieber darüber gelesen und gesprochen“, sagt die Wahl-Hamburgerin, die zwar schon in ihrer Jugend in Künstlerkreisen verkehrte, aber erst sehr viel später begann, sich beruflich mit Gegenwartskunst auseinanderzusetzen. Ihr umfassendes Wissen um das Gestern und Heute ermöglicht es der Galeristin, nicht nur die Relevanz von Kunstwerken, sondern auch deren Qualität beurteilen zu können. Die Lust daran, mit anderen über Kunst zu kommunizieren, war es auch, die die promovierte Kunsthistorikerin nach verschiedenen Stationen dazu gebracht hat, zunächst zusammen mit einer Geschäftspartnerin die Räume des Galeristen Michel Hauptmann zu übernehmen.
„Mein Wunsch ist es, den Menschen durch Kunst, die am Puls der Zeit ist, einen anderen Blick auf die Welt zu ermöglichen.“ Egal, ob es dem Künstler darum gehe, mit seiner Arbeit ein persönliches Trauma zu verarbeiten oder ein gesellschaftlich bedeutsames Thema, wie die Bedrohung aus dem Internet, zu thematisieren. Die Zusammenarbeit mit den Kreativen, die in den Anfängen der Galerie zumeist aus Frankreich und Afrika kamen, ist eng – Kerstin Hengevoss-Dürkop ist nicht bloß Geschäftspartnerin, die Vernissagen oder Messeauftritte organisiert, sondern recht häufig auch Vertraute. „Tatsächlich habe ich mich bei der Auswahl nie bloß davon leiten lassen, ob die Bilder am Markt erfolgreich sein werden. Mir ging es nie um klassischen Kunsthandel, sondern um nachhaltige Entdeckungen.“ Mit manchen Künstlern arbeitet die Galeristin bereits seit 20 Jahren zusammen, einige sind heute selbst als Professoren tätig. Und auch unter den Kunden, die sich auf das Gespür der Expertin verlassen, finden sich zahlreiche langjährige Bekannte.
Über die Jahre ist Kerstin Hengevoss-Dürkop selbst zur Sammlerin geworden, konnte gar nicht anders. „Einmal wollte ich bloß schauen, wie das extrem großformatige Bild eines französischen Künstlers an einer Wand bei mir zu Hause wirkt – und rief danach meinen Mann an, um ihm mitzuteilen, dass ich gerade ein Bild gekauft hätte.“ Und als eines Tages ein französischer Galerist die Werke des nunmehr international erfolgreichen Malers hochpreisig aufkaufen wollte, da habe sie sich nur sehr zögerlich von dem Bild getrennt. Mit ehrlichen Tränen in den Augen.

KONTAKT
Galerie Hengevoss-Dürkop
Im Galeriehaus Hamburg
Klosterwall 13
20095 Hamburg
040 30 39 33 82 und 0172 428 20 81
www.hengevossduerkop.de
Mi-Fr 14-19 Uhr, Sa 12-15 Uhr u.n.V.

 

Text: Alexandra Maschewski Foto: Martina van Kann