Am 12. April 2019 lässt die Reederei Hapag-Lloyd Cruises in Hamburg ihren jüngsten Neubau taufen. Die „Hanseatic Nature“ ist der Auftakt zu einer Dreierserie neuer luxuriöser Expeditionskreuzfahrer, die noch bis 2021 zur Flotte stoßen.

„Expeditionskreuzfahrten lassen keinen Spielraum für Experimente“, sagt Karl J. Pojer, Vorsitzender der Geschäftsführung von Hapag-Lloyd Cruises in Hamburg. „Auf Reisen in die entlegensten Regionen der Welt ist eine erfahrene Crew essenziell. Ohne sie ist die erfolgreiche Durchführung solcher Reisen nicht möglich.“
Wenn seine Reederei am 12. April dieses Jahres ihren jüngsten Neubau auf den Namen „Hanseatic Nature“ in Hamburg tauft, werden 175 Männer und Frauen als Besatzung an Bord sein, auf die sich Pojer verlassen kann. An ihrer Spitze stehen – abwechselnd – die erfahrenen Hapag-Lloyd-Kapitäne Thilo Natke und Axel Engeldrum. Ebenso wie einige der Crewmitglieder sind sie vielreisenden Passagieren bereits von früheren Törns bekannt.
Thilo Natke ist seit 1993 bei Hapag-Lloyd Cruises an Bord und führte seit rund zwei Jahrzehnten als Kapitän die alten „Hanseatic“. Er hat mit seiner Expertise unter anderem die Premierenfahrt durch die nautisch sehr anspruchsvolle Nordostpassage vorbereitet. Natkes Kollege Engeldrum fährt seit 2004 auf Schiffen unter der Hapag- Lloyd-Flagge, die letzten zwei Jahre trug er als Kapitän die vier goldenen Streifen auf der Uniform.

Der erste Törn ist schon absolviert – im Schlepp
Auf dem Reiseplan der beiden Nautiker stehen Trips in die entlegensten Orte der Welt, zum Teil auf völlig neuen Routen: In die polare Eiswelt der Arktis und Antarktis oder in die Wildnis des Amazonas. Doch bevor die „Hanseatic Nature“ nach der Taufe von Hamburgs größtem Seehafen aus zunächst „nur“ auf altbekannten Pfaden zur 13-tägigen Jungfernreise nach Lissabon ausläuft, hat sie schon ein echtes Abenteuer hinter sich. Allein 4000 Seemeilen, umgerechnet rund 7500 Kilometer, war die erste Reise als Rohbau vom rumänischen Tulcea bis nach Norwegen lang, wo der komplexe Endausbau erfolgte.
Das auf den ersten Blick ungewöhnliche Prozedere hat einen guten Grund: Schiffbaukapazitäten für technisch anspruchsvolle Neubauten sind in Europa knapp geworden. Viele Werften haben den Neubau eingestellt. Die wenigen verbliebenen etablierten Schiffbauer, vor allem in Italien, Frankreich, Deutschland und Finnland, sind auf Jahre hinaus mit sehr großen Cruiselinern ausgebucht. Da passen kleinere Expeditionskreuzfahrer wie die „Hanseatic Nature“ nicht ins Programm.
Wer heute als Reeder neue Schiffe ordern möchte und auf schnelle Lieferung hofft, muss daher umdenken. Entweder er sucht sich eine Werft in Asien, die mit subventionierten Preisen und günstiger Finanzierung lockt, oder er wird kreativ und teilt den Bau auf verschiedene Werften auf. Hier gilt, ähnlich wie beim Flugzeugbauer Airbus: Jeder macht das, was er am besten – und günstigsten – kann. Und so verlockend der Bau in Asien auch sein mag: Das Risiko ist groß, dass das Schiff am Ende nicht pünktlich fertig oder den europäischen Qualitätsstandards nicht gerecht wird. So endete der Bau der Schwesterschiffe „AIDAprima“ und „AIDAperla“ für die – durchaus erfahrene – japanische Werft Mitsubishi Heavy Industries in Nagasaki in einem finanziellen Desaster. Der Verlust für die Schiffbauer soll nach Medienberichten über zwei Milliarden US Dollar betragen haben, weil der ursprüngliche Zeitrahmen bei beiden Neubauten mehrfach gesprengt wurde. Die Reederei AIDA musste gleich mehrere Reisen absagen.
Diese Erfahrung wollte Hapag-Lloyd Cruises sich und seinen Passagieren ersparen und entschied sich daher für den zweiten Weg. So wurde der Stahl im „günstigen“ Rumänien gebogen und zusammengeschweißt. Und die Norweger sind mit dem Ausbau komplexer Schiffe seit vielen Jahren vertraut.

Innenausbau in der Schiffbauhalle
Doch auch dieses arbeitsteilige Vorgehen ist nicht ohne Risiko, denn der 6500 Tonnen wiegende Rumpf war zu Beginn der Überführungsreise zwar schwimmfähig, besaß aber noch keinen funktionierenden Antrieb. Und so nahm nach dem Stapellauf ein Hochseeschlepper den lediglich mit Rostschutzfarbe grundierten Kasko – so nennen die Schiffbauer einen halbfertigen Rumpf – auf den Haken. Die Reise dauerte einen Monat und führte durch den Bosporus, westwärts durch das Mittelmeer, durch die Meerenge von Gibraltar, rund um Westeuropa, über die stürmische Biskaya und den Englischen Kanal quer über die Nordsee zur norwegischen Vard Langsten-Werft bei Ålesund. Hier im hohen Norden erfolgte dann, gut geschützt unter dem Dach einer riesigen Werfthalle, der Innenausbau zum Fünf-Sterne-Kreuzer.
Die Auswahl der beiden Werften geschah übrigens nicht ganz zufällig: Beide Schiffbaustandorte sind Tochtergesellschaften der Fincantieri-Werftengruppe. Die Italiener gelten vor allem beim Bau großer Passagierschiffe als Hauptwettbewerber der deutschen Meyer Werft in Papenburg.
Das arbeitsteilige Konzept ging auf, die norwegischen Schiffbauer und unzähligen Zulieferer werden die „Hanseatic Nature“ pünktlich zur Taufe in der Hansestadt abliefern. Die Taufgäste werden dabei erstmals einen Blick auf das Designkonzept „Inspired by nature“ werfen können. Es soll nach Angaben von Hapag-Lloyd Cruises den Expeditionsgeist reflektieren und sich als kreative Grundidee durch das gesamte Schiff ziehen. Die Natur werde nicht nur draußen erlebt, sondern spiegele sich auch im Design der Innenräume wider. Stoffen, Farben und Formen sowie Schwünge und die Linienführung in Wänden und Flächen sorgen für eine Wechselwirkung zwischen Außenwelt und Innenraum, verspricht die Reederei. Hinzu kommen ausfahrbare gläserne Balkone auf dem Sonnendeck und ein begehbares Vorschiff, um die Passagiere noch näher an der Natur teilhaben zu lassen. 230 von ihnen finden an Bord in 120 Kabinen und Suiten Platz. Bei Expeditionskreuzfahrten in die Arktis und Antarktis sind es nur 199.
Die Unterkünfte sind in sechs Kategorien aufgeteilt und reichen von 21 Quadratmetern in der Panoramakabine bis zu 71 Quadratmetern in der Grand Suite. Die Suiten verfügen neben einer Badewanne und einer Regendusche auch über eine Dampfsauna. Es gibt nur Außenkabinen, fast alle sind mit eigenem Balkon oder mit bodentiefen Fenstern (French Balcony) ausgestattet. Im Badezimmer sorgt eine beheizbare Wand dafür, dass auch nasse Handtücher oder Parkas nach den Expeditionen schnell wieder trocknen.
Seeluft macht bekanntlich hungrig. Und so werden auf der „Hanseatic Nature“ in einem kleinen Spezialitätenrestaurant Leckereien der nordamerikanischen Küche in maritimem Ostküstenflair angeboten. Darüber hinaus verfügt das Expeditionsschiff natürlich noch über ein Hauptrestaurant mit 178 Plätzen und ein Bistrorestaurant mit 184 Plätzen im Innen- und Außenbereich samt Grill und Showküche. Damit sich die Kulinarik nach dem Expeditionserlebnis richtet und nicht umgekehrt, verspricht Hapag-Lloyd Cruises flexible Tischzeiten und freie Sitzplatzwahl in allen Restaurants.
Im 235 Quadratmeter großen Ocean Spa mit Finnischer Sauna, Dampfsauna, Ruhebereich, Friseur, Beauty-Angeboten und Massagen lässt sich auch in Extremgebieten gut entspannen. Für Sportbegeisterte steht ein 100 Quadratmeter großer Fitnessbereich mit Sport-Host und separatem Kursraum mit Blick auf das beeindruckende Naturpanorama zur Verfügung. Abgerundet wird das Sportangebot mit einem großen Poolbereich mit Gegenstromanlage, der dank eines flexiblen Zeltdachs wetterunabhängig genutzt werden kann.

Gäste sollen nicht nur genießen, sondern auch lernen
Die Expeditionsgäste sollen nicht nur den Duft der weiten Welt mit allen Sinnen aufnehmen, gut speisen und entspannen, sondern an Bord auch etwas lernen, wünscht sich Hapag-Lloyd: Mit der „Study Wall“ auf Deck 8 führt die Reederei erstmals ein neues Konzept für die digitale Wissensvermittlung an Bord ein. Auf einem sechs Meter langen und 1,80 Meter hohen Touchscreen können Gäste komplexe Themen und Hintergründe zu den Reisedestinationen recherchieren. Rund zweieinhalb Jahre hat die Reederei nach eigenen Angaben an diesem Konzept gearbeitet und dazu mehr als 250 Themen aus den Bereichen Ozeanografie, Ethnografie und Geologie digital aufbereitet. Die Beiträge sind fünf übergeordneten Themenströmen wie beispielsweise „Meere und Ozeane“ oder „Länder und Menschen“ zugeordnet. Die Inhalte wurden beispielsweise von Wissenschaftlern des renommierten Geomar-Helmholtz-Zentrums für Ozeanforschung in Kiel und Journalisten in Artikeln, Steckbriefsammlungen, Videos oder Biografien leicht verständlich aufbereitet. So haben die Fahrgäste die Möglichkeit, auf neue, innovative Art und Weise jederzeit und individuell ihr Wissen über die Expeditionsreise zu vertiefen. Die „Study Wall“ bildet das Herzstück der „Ocean Academy“. Hier gibt es außerdem vier „Study Seats“ mit einschwenkbaren Touchscreens, an denen die Passagiere die Inhalte der Study Wall individuell weiter vertiefen können, und einen Mikroskopierbereich. Im Hanse-Atrium, einer teilbaren multifunktionalen Lounge mit modernster Präsentationstechnik, finden zudem täglich Expertenvorträge statt. Abends verwandelt sich das Hanse- Atrium dann in eine stimmungsvolle Bar.
Hapag-Lloyd Cruises ist übrigens vom Erfolg der „Hanseatic Nature“ so überzeugt, dass sie noch zwei Schwesterschiffe geordert hat: Schon Mitte Oktober dieses Jahres wird die „Hanseatic Inspiration“ in Antwerpen getauft, 2021 folgt die „Hanseatic Spirit“. Auch sie werden in der eingespielten Zusammenarbeit der Werften in Rumänien und Norwegen entstehen.

Die wichtigsten technischen Daten der „Hanseatic Nature“

Länge: 138 Meter
Breite: 22 Meter
Tiefgang: 5,60 Meter
Kabinen und Suiten: 120
Passagiere: 230 (199 bei Antarktis-Expeditionen und rund um Spitzbergen)
Vermessung/Bruttoraumzahl (BRZ): 1565
Eis-Klassifikation: PC 6 (höchste Eisklasse für Passagierschiffe)
Passagierdecks: 7
Zodiacs (Beiboote): 17, teilweise mit Elektroaußenbordmotoren
Bordsprache: deutsch

 

 

Text: Behrend Oldenburg FOTOS: HAPAG LLOYD CRUISES, Susanne Bade – The smiling Moon, Hapag Lloyd Cruises