140 Jahre lang wurde das Holsten-Bier im Stammsitz in Hamburg-Altona gebraut. Doch das betagte Gelände entsprach nicht mehr den heutigen Standards, und deshalb entschied man sich bei Carlsberg Deutschland, in eine moderne Brauerei zu investieren.
Für den Ersten Bürgermeister war dieser 4. November 2019 ein geschichtsträchtiger Tag. Peter Tschentscher ließ es sich nicht nehmen, die neu errichtete Holsten-Brauerei im Heykenaukamp in Hamburg-Hausbruch persönlich einzuweihen. Keiner seiner Amtsvorgänger hatte das Privileg, bei der Eröffnung einer Großbrauerei dabei zu sein. Bestens gelaunt präsentierte sich Tschentscher in seiner Eröffnungsrede vor den 400 Gästen in der festlich dekorierten riesigen Halle, in der zukünftig tausende Kunststoffkästen mit Holsten- und Astra-Flaschen gelagert werden. „Für Hamburg und Holsten ist der Neubau eine Win-Win-Situation“, sagte er lächelnd. Der neue Standort sei sehr gut für die Wettbewerbsfähigkeit der Brauerei, aber auch gut für die Wirtschaft der Stadt. Womit Tschentscher die Biersteuer meinte, die der Hansestadt durch den Standortwechsel der Brauerei in den Süden erhalten bleibt.
Dabei gestaltete sich die Suche nach einem geeigneten Areal für die Industriebrauerei durchaus schwierig. 2013 beschlossen die Verantwortlichen, dass der bisherige Standort in Altona nicht mehr zeitgemäß sei und eine neue, zukunftsträchtige Produktionsstätte her müsse. Vertreter der Stadt und des Unternehmens machten sich gemeinsam auf die Suche nach dem optimalen Platz für die Bierbrauer. Dabei war die Vorgabe der Konzernführung klar: „Dass wir in der Hansestadt bleiben wollten, stand für uns von Anfang an fest. Seit 1879 braut die Holsten-Brauerei in dieser ganz besonderen Stadt ihr Bier. Marken wie Astra und Holsten sind daher eng mit Hamburg verknüpft – und sollen dieses auch in Zukunft bleiben, denn sie sind Teil der Identität der Stadt“, sagt Sebastian Holtz, CEO Carlsberg Deutschland.
Am Ende waren es insgesamt 20 verschiedene Flächen, die begutachtet wurden. Das Grundstück im Industriegebiet in Hausbruch, unmittelbar an der A 7 gelegen, wurde es schließlich. „Das Gelände ist ideal für den Neubau einer Brauerei und logistisch perfekt angeschlossen“, erklärt Christoph Boneberg, der als Projektsprecher für die Kommunikation rund um den Umzug von der alten in die neue Brauerei verantwortlich war. Tatsächlich bietet der ausgewählte Standort für den Bierhersteller große Vorteile. „In Altona mussten die Lkws, die das Bier transportieren, durchs Wohngebiet fahren, und es gab Restriktionen hinsichtlich der nächtlichen Verladung. Außerdem war das alte Gelände inzwischen zu groß und viele Kapazitäten wurden nicht mehr genutzt. Die gesamte Produktionsstätte war einfach nicht mehr effizient“, sagt Boneberg.
Am 6. Oktober 2017 wurde mit dem damaligen Ersten Bürgermeister Olaf Scholz der symbolische erste Spatenstich für den Neubau gefeiert. Der Zeitplan für den Umzug war eng getaktet, denn das Grundstück in Altona war bereits an einen Investor verkauft, der dort den Bau von 1500 Wohnungen realisieren will. Mit dem Verkaufserlös sollte der Bau in Hausbruch finanziert werden. Geplant war, dass die neue Anlage im Frühjahr 2019 frisch gebrautes Holsten und Astra produziert. Doch bevor der 24 500 Quadratmeter große Industriebau hochgezogen werden konnte, mussten noch kleine Hindernisse überwunden werden. Unter anderem musste die blauflügelige Ödlandschrecke umgesiedelt werden, die ihre Heimat auf dem neuen Holsten-Grundstück hatte.

Das Holsten-Brauerei-Projekt ist ein Statement in der heutigen Zeit und verlangt unternehmerischen Mut. Denn der Bierverbrauch in Deutschland geht kontinuierlich zurück, und der schrumpfende Markt ist umkämpft. „Jede Entscheidung in dieser Größenordnung birgt ein gewisses wirtschaftliche Risiko, aber wir glauben an unsere Marken und den Standort Hamburg und haben diese Entscheidung aus vollster Überzeugung getroffen“, erklärt Sebastian Holtz den finanziellen Einsatz. Auch Michael Hinrichs, Repräsentant der Carlsberg Group, lobt bei der Eröffnungsfeier den zukunftsweisenden Schritt, in eine neue Industriebrauerei zu investieren: „Der europäische Markt ist geprägt von Überkapazitäten. In Deutschland gibt es über 1500 Brauereien, und es herrscht starker Konkurrenzdruck. Eine Investition dieser Dimension ist außergewöhnlich, weil in der Regel ja eher Fabriken geschlossen werden.“
Zumindest äußerlich ist das Invest schon jetzt ein Erfolg. Beim Gang durch die Produktionshalle, die manchmal einem Labyrinth gleicht, gerät man ins Staunen. Im Sudhaus, dem Herzen der Brauerei, befinden sich große Edelstahl-Braukessel. Glänzende Rohrsysteme leiten das Maischegemisch in die Gärtanks, von dort geht das fertige Gebräu später in die Lagertanks. Über gefühlt kilometerlange Laufbänder rattern die klimpernden Flaschen in endloser Reihe. Bevor das frische Gebräu eingefüllt wird, werden die Flaschen einem Reinigungsprozess unterzogen. Mit einer Speziallauge wird jede Buddel in der Waschanlage gesäubert und abschließend durch Kameras von innen und außen gescannt. Diejenigen, die nicht hundertprozentig in Ordnung sind, werden aussortiert, die anderen werden mit Astra oder Holsten befüllt. Aber nicht nur Flaschen werden mit Gerstensaft gefüllt. Es gibt ebenfalls eine Abfüllanlage für 30- und 50-Liter-Fässer, die vor allem für die Gastronomiebetriebe bestimmt sind.
Der gesamte Produktionsvorgang ist ein Highend-Prozess, der in der sogenannten Steuerungswarte von Computern gesteuert und mit Hilfe von Bildschirmen überwacht wird. Die Mitarbeiter kümmern sich vor allem darum, dass die Technik reibungslos funktioniert und greifen bei Unregelmäßigkeiten ein. Ihr Know-how war von Beginn an bei der Entwicklung der Brauerei gefragt. „Wir haben unsere Mitarbeiter frühzeitig mit ins Boot geholt, und sie haben ihre Erfahrungen in Workshops und Expertengruppen eingebracht“, sagt Christoph Boneberg. Für den Deutschland-Chef von Carlsberg löst die Hightech-Produktionsstätte eine Vielzahl von Problemen, die den Ablauf in Altona zuvor erschwert hatten. „Die Brauerei ist modern und effizient und erlaubt es uns, mit geringerem Energieaufwand und Wasserverbrauch zu arbeiten. Auch die Verkehrs- und Verladebedingungen sind in Hausbruch optimal“, sagt Sebastian Holtz zufrieden.
Fünf Tage in der Woche wird in drei Schichten Bier gebraut und in Flaschen oder Fässer abgefüllt – pro Tag 400 000 Liter. In Altona wurde der Abtransport von Kisten und Fässern durch die 40-Tonner zunehmend problematisch. Für Hausbruch wurde nun ein ausgeklügeltes Logistikkonzept entwickelt. „Das Set-up ist perfekt aufeinander abgestimmt. Die Transportfahrzeuge fahren im Kreis unterschiedliche Stationen an – zum Beispiel für Leergut, Malzanlieferung und die Beladung mit Neuware“, sagt Projektsprecher Boneberg.
Vorstandschef Holtz ist stolz darauf, dass „wir innerhalb von zwei Jahren auf einer planen Fläche eine Brauerei errichtet haben, die modernsten Standards entspricht“. Der Chef der neuen Brauerei ist überzeugt davon, dass sich die Investitionen lohnen werden.
Entsprechend positiv ist seine Erwartung an den neuen Standort: „Holsten und Astra sind die größten Marken in Hamburg und haben einen Marktanteil von 20 Prozent. Nachfrage steigend. Ich blicke daher sehr optimistisch in die Zukunft.“

Die neue Brauerei – Fakten und Zahlen

Grundstücksfläche: gesamt ca. 65 000 m2
Bebauungsfläche: ca. 24 500 m2
Brauereikapazität: 1 Million Hektoliter
1 Million abgefüllte Flaschen pro Tag
Flaschenabfüllanlage: 60 000 Flaschen pro Stunde
Fassabfüllanlage: 180 Fässer pro Stunde
Verpackungsanlage: 14 000 Flaschen pro Stunde
Lagerkapazitäten: 18 000 Paletten Vollgut, 30 000 Paletten Leergut, 100 Lkws pro Tag

 

Text: Achim Schneider Fotos: Martina van Kann (3), Holsten (2)