In einer modernen Großbrauerei wie der HOLSTEN-BRAUEREI mit einer Kapazität von 1,5 Millionen Hektolitern pro Jahr wird die Produktion elektronisch gesteuert. Doch bei aller Technisierung ist das Bierbrauen eine Handwerkskunst geblieben.

Am Anfang einer Geschichte aus der Welt des Biers steht beinahe so unvermeidlich wie das „Amen“ am Ende eines Gebets ein uraltes Wort: Hopfen und Malz, Gott erhalt’s. Und was ist mit der Gerste? Schließlich handelt es sich doch um „Gerstensaft“. Die wird in für das Bier bereits veredelter Form angeliefert, als Braumalz. Und damit beginnt die Bierproduktion.
Über dem Innenhof der Holsten-Brauerei in Altona ist die Luft fast immer von einem Stich Malzaroma durchsetzt. Gerade schüttet ein Tankwagen wieder seine Ladung Braumalz in eine Luke, durch die es in die Malzsilos gelangt. Bis zum Sudhaus gegenüber ist es nur noch ein Produktionsschritt: In der Schrotmühle müssen die Malzkörner vorher gemahlen werden.
Das Sudhaus ist das Herz der Brauerei. Hier findet der Brauvorgang statt. Eine Produktions- und Veredelungskette, bei der das Braumalz von der Maischepfanne in den Läuterungsbottich gelangt, weitergeführt wird zu Würzpfanne und Würzekühler, bis es in den riesigen, 2500 bis 6000 Hektoliter fassenden Gär- und Lagertanks, inzwischen zum Jungbier geworden, seiner Bestimmung entgegenwartet: der Abfüllung in Fass und Flasche. Bis dahin werden von der Malzanlieferung rund vier Wochen vergangen sein.
Mit dem Sudhaus betritt man heute nicht mehr einen Bezirk der Alchemie, in dem Gold für die Kehle hergestellt wird, sondern eine elektronische Zentrale, die „Warte“. Über ein halbes Dutzend Computer wird in diesem Raum der gesamte elektronisch gesteuerte Produktionsvorgang überwacht.
Regelmäßig werden Stichproben gezogen und unter anderem auf ihren ph-Wert, Farbe und Geschmack geprüft.
Vom Wissen über die Geheimnisse des Bierbrauens ist es bei aller Technisierung des Brauvorgangs jedoch der alte Brauerberuf geblieben. Gärverfahren, Stammwürzegehalt, Mischungen und Temperaturen… Braukunst nach wie vor. Insgesamt 150 Mitarbeiter arbeiten am Hamburger Standort in der Produktion.

Der Braumeister hat rund 50 Biere entwickelt
Seit dem deutschen Reinheitsgebot für Bier von 1516, dem ältesten Lebensmittelschutzgesetz der Welt, wird Bier nur aus vier Grundkomponenten hergestellt: Wasser, Malz, Hopfen und Hefe. Auf dieser schlichten Basis sind allein in Deutschland rund 5000 Biersorten entstanden. Holsten-Braumeister Olaf Rauschenbach hat in seinem Berufsleben rund 50 Biere entwickelt.
Von der Warte führt eine Tür in eine tropisch anmutende Klimazone. Hier beginnt mit dem Maischen der eigentliche Brauvorgang. In der Maischepfanne wird das Wasser auf rund 40 Grad erwärmt und das geschrotete Malz hinzugefügt. Im Laufe des Fermentationsprozesses wandeln die in den Malzkörnern enthaltenen natürlichen Enzyme über verschiedene Temperaturstufen bis zu rund 70 Grad die wasserunlösliche Stärke der Gerste in löslichen Malzzucker um. Die für das Brauen wichtigen Stoffe des Malzes gehen dabei in die Lösung über.
Im selben Raum muss nun der Sud auf seinem Werdegang zum Bier geläutert werden. Im Läuterbottich werden die festen Bestandteile der Maische von der Flüssigkeit getrennt. Diese in der Brauersprache Malztreber genannten Stoffe bestehen vor allem aus den Hüllen der Getreidekörner. Nur die aus dem Läuterbottich abfließende Würze mit ihren wertvollen Inhaltsstoffen gelangt anschließend in die Würzepfanne.
Den Malzsilos gegenüber ragen Leitungsrohre aus dem Mauerwerk, unter die, sobald ein Produktionsprozess wieder einmal so weit vorangeschritten ist, ein Tankwagen auf das Nebenprodukt Malztreber wartet, um es anschließend wieder der Landwirtschaft zuzuführen: als nährstoffreiches, natürliches Viehfutter. Abfallprodukte gibt es bei dem Brauprozess nicht.
In der Würzepfanne kommt die dritte Komponente des Bieres hinzu: Hopfen. Der wird allerdings ebenfalls „technisiert“ angeliefert. Nicht mehr wie einst als Dolde, sondern in verarbeitungsbereiten Pellets. Rund eineinhalb Stunden muss die Würze mit dem Hopfen kochen, wobei die Menge des hinzugegebenen Hopfens (etwa 100 bis 400 Gramm pro Hektoliter) auf den Geschmack wirkt: je größer der Hopfenanteil, desto herber das Bier.

Der Gärungsprozess dauert eine Woche
Im Whirlpool werden anschließend noch vorhandene Trübstoffe aus der Lösung entfernt, im Würzekühler wird sie heruntergekühlt, ehe als letzter Grundstoff des Bieres die Hefe hinzugefügt wird. Anschließend kann in den Gärtanks die Gärung beginnen, bei der die Hefe den in der Würze gelösten Malzzucker in Kohlensäure und Alkohol umwandelt. Das dauert etwa eine Woche. Dann wird die Hefe abgezogen – das Jungbier ist fertig und kommt in die riesigen, bis zu 6000 Hektoliter fassenden Lagertanks, wo es zur vollen Reife nachgärt.
Wer über das Gelände der Holsten-Brauerei zum Lager und der Abfüllanlage geht, wirft einen Blick ins Bierparadies: tausende von Bierkisten meterhoch gestapelt, sortiert nach sämtlichen Produkten der Brauerei, von Holsten über Astra bis Carlsberg. Hier werden die Flaschen gereinigt, unter Hochdruck befüllt, mit Kronkorken luftdicht verschlossen, etikettiert und in die Kisten gesetzt. 20 Millionen pro Woche. Draußen warten die LKW, um die Biere des norddeutschen Markenführers über ganz Deutschland zu verteilen.

 

Text: Uwe Prieser