Seit 2004 ist Dennis J. Snower Präsident des Instituts für Weltwirtschaft und Professor für Volkswirtschaftslehre in Kiel. Im Club plädierte der Wirtschaftsexperte eindringlich für eine globalisierte Welt und freie Wirtschaftsmärkte.

Dennis J. Snower „Soziale Normen können ungeheure Kräfte und Veränderungen entwickeln.“

Die Einladung klang wie ein Aufruf: Multilateralismus in Gefahr. Als Kämpfer und Retter einer globalisierten Welt mit freien Märkten – Professor Dennis Snower. Der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft wurde dazu von Peter Richard Stoffel auch als G20-Berater willkommen geheißen. Der Gast aus Kiel begann mit einem Lob – für Hamburg und seinen Weltgipfel.

„Auch wenn er in den Medien sehr wenig Anklang fand, der Gipfel war ein ganz großer Erfolg.“ Das überraschte die meisten Gäste im Business Club dann doch. „Deutschland hatte den Mut, der Welt zu zeigen, dass 19 Teilnehmer am Klimaabkommen festhalten. Nach den strengen Regeln hätte das gar nicht auf die Agenda gedurft, weil ein Mitglied, die USA, nicht mehr mitmacht. Die Kanzlerin hat sich tapfer darüber hinweggesetzt, und Deutschland hat alles getan, um den Multilateralismus zu retten.“
Und damit war Professor Snower im Zentrum des Sturms angelangt, der unsere Welt so beängstigend durcheinanderwirbelt. Trump und sein „America first“, Putin, Erdogan, jetzt auch Brasilien, der Brexit natürlich und vor unserer eigenen Haustür die AfD. Und im Schlepptau der Populisten ihre Millionen Anhänger, die aus Angst vor der Globalisierung zurück in ihre nationalistischen Gärtchen wollen.
Die Stimme des Ökonomen wird leise und eindringlich. Und der kluge Amerikaner hat die Tagespolitik und damit auch die populistischen Schreier beiseitegeschoben. Mit einem klaren Beispiel zeigt er, wie tief die grenzenlose wirtschaftliche Zusammenarbeit die Gesellschaft doch gespalten hat.
„Der Brexit wird einen Einbruch beim Bruttosozialprodukt von fünf Prozent nach sich ziehen“, erläutert der Präsident des ifW Kiel. „Das Resultat einer wissenschaftlichen Studie. Eine Katastrophe für die Wirtschaft. Bei den Befürwortern des Brexits aber bewirkte das Alarmsignal genau das Gegenteil. Die wollen ihr Land zurück, und das ist ihnen ein Wohlstandsverlust von fünf Prozent allemal wert.“
Es ist still geworden in den Zuschauerreihen. Und Professor Snower fährt fort. „Wir messen unseren Lebensstandard und unser Lebensglück am materiellen Wohlstand. Aber was ist mit den Menschen, die sich im internationalen Wettbewerb nicht behaupten können? Die fühlen sich nicht respektiert, fühlen sich ausgegrenzt“, bekräftigt er und rückt damit die fortschreitende Spaltung unserer Gesellschaft in den Mittelpunkt. „Der freie Markt hat für diese Menschen keine Zugkraft. Die wollen zurück zu vertrauten Werten, wollen sich wieder identifizieren mit Heimat, mit Religion, mit Natur.“
Dabei ist unsere Welt, was Handel, Wirtschaft und Produktion betrifft, längst so vielschichtig verflochten, dass ein Zurück zu Stillstand und Verarmung führen müsste. Der Weltökonom am Mikrofon macht das anschaulich: „Müsste Honda die 10 000 Komponenten, aus denen sie ein Auto zusammensetzen, alle in England produzieren, dann bräuchten sie dazu eine so riesige Fabrik, wie es sie auf der ganzen Welt nicht gibt.“
Auch wenn wir wissen, dass Klimakatastrophen nationale Grenzen missachten und dass unsere digitalisierte Welt noch enger zusammenrückt – gegen das radikale Geschrei der Populisten scheinen wir oft hilflos. „Aber erinnern wir uns“ sagt Professor Snower, „in den 70er Jahren wurden wir erstmals aufgefordert, Kunststoff getrennt zu entsorgen. Aber kein Mensch hat sich daran gehalten. Inzwischen aber wird der Kampf gegen Plastik schon wie ein religiöser Akt vollzogen. Wir können die sozialen Normen verändern, am wirkungsvollsten durch narrative Geschichten, die weitergegeben werden“. Und während das nachhallt, ist im Kopf das Bild von dem toten Wal, der den Bauch voll Plastikmüll hatte. Auch so eine Geschichte, die tiefere Wirkung hinterlässt als alle politischen Predigten.
„Multilateralismus in Gefahr!“ Und welche Hoffnung gibt der Präsident des ifW mit bei diesem Abend im Business Club? „Jeder kann in seinem privaten Echoraum mit seinem Verhalten und seinen Geschichten dazu beitragen, damit wir soziale Normen hin zu mehr Gemeinsamkeit und Miteinander verändern. Denn soziale Normen können ungeheure Kräfte und Veränderungen entwickeln.“
Auf die Politik alleine jedenfalls dürfen wir uns nicht verlassen.

 


 

Das sagen die Clubgäste

Michael Schuller
Geschäftsführer
Schuller Technology Ventures GmbH

„Ich fand es total spannend, sozusagen aus erster Hand Einsichten in die politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen zu bekommen. Auch vom G20-Gipfel in Hamburg. Mir ist aber auch bewusst geworden, wie fragil die internationalen Verknüpfungen sind. Das ist besorgniserregend.“

 

Hartmut Herrmann
Geschäftsführer ifb GmbH
Consulting Engineers & Architects

„Hervorragend, wie viele Ansätze und Anregungen ich mitnehme, wie wir auch persönlich den Multilateralismus stärken und fördern können und müssen. Ich arbeite längst mit Chinesen, Indern, Kroaten und Polen zusammen. Und schon als Schüler hatte ich Brieffreundschaften in aller Welt.“

 

Jürgen Pfeiffer
Journalist, Moderator und
politischer Interviewer

„Die Leidenschaft, mit der sich Dennis Snower für eine breite Teilhabe der Gesellschaft an den Gewinnen der Globalisierung ausgesprochen hat, war faszinierend. Ein starkes Plädoyer an jeden, sich aktiv in Politik und Wirtschaft einzumischen, damit von den Vorzügen einer vernetzten Wirtschaft viele profitieren.“

 

Andrea Reese
BDO Partnerin und
Wirtschaftsprüferin

„Ich finde Professor Snower grandios, vor allem in seinen Visionen. Wir stehen den gefährlichen Entwicklungen in der Welt nicht hilflos gegenüber. Wir müssen uns aber schon in kleinen Einheiten im privaten Umfeld dagegen wehren. Diese Anregung nehme ich mit von diesem Abend.“