So vielfältig die Projekte auch sind, das Ziel ist für alle gleich: Selbstständigkeit. Die PETER MÖHRLE STIFTUNG sieht in ihrem Engagement eine Investition, an deren Ende ein gesellschaftlicher Mehrwert steht.
SeeYou heißt: „Wir sehen uns“ und es bedeutet: „Wir kümmern uns um dich.“ Intensivmediziner und Stiftungsgründer Dr. Sönke Siefert Auge in Auge mit einem Schützling des Stiftungsprojektes „Der ambulante Babylotse“ und seiner Mutter.
Es ist immer ein besonderer Glücksfall, wenn zwei sich gesucht und gefunden haben. Können sie dieses Glück dann auch noch weitergeben, darf man wohl von einem Geschenk des Lebens sprechen. Für die Peter Möhrle Stiftung und die Stiftung SeeYou konkretisierte es sich in dem Projekt „Der ambulante Babylotse“. Im Jahr 2004 zog sich die Familie Möhrle aus dem operativen Geschäftsleben zurück, nachdem Peter Möhrle über nunmehr fast ein halbes Jahrhundert die ehemalige Holzhandlung Max Bahr von einem Drei-Mann-Betrieb zu einem Unternehmen mit deutschlandweit rund 80 Filialen ausgebaut hatte. Im selben Jahr wurde auf Initiative des Intensivmediziners Dr. Sönke Siefert am Hamburger Wilhelmstift die Stiftung SeeYou gegründet. Eine frühkindliche Nachsorge für schwerkranke Kinder und ihre Familien.
Zwei die sich gesucht und gefunden haben: Dr. Sönke Siefert (links) von SeeYou und Patrick Kern aus dem Stifungsrat der Möhrle Stiftung.
Nach der Entlassung der Kinder aus dem Krankenhaus waren die Familien mit ihnen alleine, häufig unter einer erdrückenden Last sozialer, finanzieller, psychologischer Probleme, denen sie nicht gewachsen waren. Hier leisteten fortan speziell ausgebildete Krankenschwestern, Sozialpädagoginnen, Psychologen Hilfe. Drei Jahre später entwickelte SeeYou das Projekt „Babylotse“, dessen Hilfe nicht mehr ausschließlich schwerkranken Kindern und ihren Familien galt, sondern allgemein stark belasteten Familien mit einem Neugeborenen. Im selben Jahr wurde die Peter Möhrle Stiftung gegründet. Noch wusste man nichts voneinander. Aus den Erfahrungen von der Wirksamkeit und Notwendigkeit des „Babylotsen“ entstand bei SeeYou der Wunsch, das Projekt zu erweitern. Ohne davon zu wissen, war dieser Wunsch in den Köpfen des Stiftungsrats der Peter Möhrle Stiftung bereits Wirklichkeit geworden. Es fehlte nur noch das geeignete Projekt. Man hörte voneinander, kam zusammen und – der „ambulante Babylotse“ wurde geboren.
„Bei dem ambulanten Babylotsen war die maßgebliche Idee, dass man die Familien mit Problemen nicht erst wie bisher in den Kliniken identifizierte, sondern dass sie schon vorher in den gynäkologischen Arztpraxen erkannt werden“, erklärt Patrick Kern vom Vorstand der Peter Möhrle Stiftung. „Dadurch ist es möglich, die Familien früher zu betreuen. Wenn das Kind dann geboren wird, ist das Netzwerk bereits organisiert, um Kind und Familie aufzufangen.“ Diese Unterstützung von Schwangeren in der Schwangerschaftsvorsorge war eines der großen Wunschprojekte der Vorsitzenden des Stiftungsvorstandes, Sybill Kern, seiner Mutter.
Im Schnitt begleitet die Möhrle Stiftung jährlich acht Projekte. Allerdings erst nach intensiver Prüfung. Idee und Intention für eine Förderung abzuschätzen, ist nicht schwierig. Ob jedoch auch das Team und die Leute stimmen, stellt sich erst in der Prüfungsphase heraus. Kern: „Wenn es um größere Summen geht, machen wir mit den Partnern Förderverträge, in denen in der Regel auch Ziele festgelegt werden.“
Ein Ziel ist bei aller Unterschiedlichkeit der Projekte für alle gleich: Selbstständigkeit. Patrick Kern: „Wenn wir ein Projekt anschieben, begleiten wir es auch über einen längeren Zeitraum, über den Daumen drei Jahre. Im Idealfall steht es dann auf eigenen Beinen und findet sogar Nachahmer in anderen Städten.“ So wie der „Babylotse“ in Frankfurt und Wilhelmshaven. „Wenn die Finanzierung eines Projektes auch nach dem dritten Jahr noch nicht gesichert ist, kann es auch weiterhin begleitet werden – sofern es aussichtsreich erscheint.“
Es funktioniert wie eine Anschubfinanzierung in der Wirtschaft für ein Start Up. Und damit arbeitet die Möhrle Stiftung nach dem abgewandelten Prinzip der Möhrle Holding, die unter anderem als Beteiligungsgesellschaft tätig ist. Mit einem Unterschied: Dort ist es Geschäft und hier karitatives, gemeinnütziges Engagement.
Unter dem Dach der gleichfalls 2007 nach dem Verkauf der Baumarktkette Max Bahr gegründeten Möhrle Holding arbeitet das sechsköpfige Führungsteam der Stiftung, Vorstand und Stiftungsrat, ehrenamtlich. „Die Stiftung ist sehr unabhängig von der Holding“, erklärt Kern, „und sehr dankbar dafür, ihre Ressourcen nutzen zu dürfen.“ Büroräume, Personal und damit Arbeitszeit. „Deshalb gehen die Verwaltungskosten der Stiftung gegen Null“, sagt er sichtlich erfreut. Schließlich ist er gelernter Betriebswirt.
Wenn Patrick Kern vom „Mehrwert für die Gesellschaft“ spricht, nach dem die Stiftung ihre Projekte aussucht, geht das Betriebswirtschaftliche im Karitativen auf. Lange Zeit hat die Stiftung das „Café mit Herz“ in Hamburg begleitet, wo Obdachlose zu essen bekommen, Kleidung sowie Bad und Dusche. Schutz von Ehe und Familie, Wissenschaft und Forschung, Kunst und Kultur sind andere Förderungsbereiche der Stiftung. „Die frühkindlichen Projekte liegen der Peter Möhrle Stiftung sehr am Herzen, weil wir denken, dass wir darüber über viele Jahre einiges in der Gesellschaft erreichen können.“ Kindern aus einer belasteten Gegenwart heraus Wege in eine bessere Zukunft zu ebnen, ist eine Investition in das Leben. „Denn eines Tages“, so Kern, „werden die heranwachsenden Menschen der Gesellschaft dadurch etwas zurückgeben können.“
Aus Verbundenheit zur Stadt und Dankbarkeit fürs eigene glückliche Leben anderen eine Zukunft schaffen.
Ein Echo aus der Zukunft, in dem der ursprüngliche Gedanke der Stiftung weitergetragen wird. Denn Peter Möhrle gründete sie nicht nur wegen seiner Verbundenheit mit der Stadt Hamburg, sondern aus Dankbarkeit gegenüber dem Leben, für das Glück, das ihn und seine Familie begleitet hat.
Text: Uwe Prieser
Uwe Prieser ist Schriftsteller und Journalist. Für seine Arbeit wurde er unter anderem mit dem Egon Erwin Kisch-Preis ausgezeichnet.