Die Hansestadt ist in der MODESZENE für ihre unkonventionellen Designer und deren Geschmack bekannt. Vor allem die pulsierende Kreativität und der Stil der Stadt inspirieren die Modemacher.

Das Ambiente der Oberhafenbrücke bietet Fotografen beste Möglichkeiten, Models und Mode perfekt in Szene zu setzen.

Hamburg war Jil Sander. Hamburg war Joop. Und ein bisschen war Hamburg auch Karl Lagerfeld. Plattform und Tor zur Welt für Deutschlands große Modeschöpfer also. Heute zählt die Stadt der Kaufleute geschätzte 1600 Designer und Design-Agenturen, die sich in ihrem Tun vom typisch Nordischen, aber auch von der gelebten Internationalität inspirieren lassen. Die gesamte Kreativwirtschaft ist ein wichtiger Standortfaktor geworden. Aber ist die Hanse- auch eine Modestadt?

Florian Braun, Geschäftsführer von Unger, bringt es auf den Punkt: „Weltweit gibt es nur drei Modestädte: Paris, Mailand und New York – mit Abstrichen noch London. In diesen Städten werden die Leitlinien der jeweiligen Saison vorgegeben.“ In diesem Sinne seien weder Hamburg noch Berlin Modestädte, die Elbmetropole jedoch eine mit besonders gutem Geschmack. „Unsere Selektion zielt auch immer auf den Stil unserer Stadt ab. Eine Seltenheit in Europa.“

Abgesehen von angesehenen Concept-Stores wie Anita Hass, Petra Teufel, Linette oder Neuzugang Apropos, die Designermode aus aller Welt präsentieren, existieren hier auch Marken wie Iris von Arnim, Closed und Tom Tailor, die international erfolgreich sind. Auch junge Start-ups gibt es, Firmen wie Henry Christ etwa, die von Leuten aus der Wirtschaft gegründet wurden. Von vielen Namen wissen die Endkunden noch nicht einmal, dass sie aus Hamburg kommen.

Eine gesunde Mischung aus Finanzkraft und Subkultur
Dass auch der Großhandel nicht zu kurz kommt, beweist etwa das ModeCentrum in Schnelsen mit seinen 70.000 Quadratmetern Fläche das größte seiner Art in Deutschland. 250 feste Mieter wie Esprit, Gerry Weber, Airfield, Luisa Cerano, aber auch Mode-Agenturen präsentieren dort Einkäufern und Händlern 1200 Kollektionen. „Die Kunden kommen aus den angrenzenden Bundesländern, zudem noch aus Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und sogar dem nördlichen Nordrhein-Westfalen“, sagt Center-Manager Andreas Weuster. Den Berliner Modemessen komme in erster Linie eine Orientierungsfunktion zu, dort werde praktisch nicht geordert. Düsseldorf habe als Messestandort nunmehr eine eher regionale Bedeutung.

Mathias von Bredow, CEO der Hamburger Fashion-Plattform Luxodo.com, wünscht sich einen Schritt nach vorn: „Hamburg muss der Modebranche in den kommenden Jahren eine stärkere Sichtbarkeit sowohl im deutschen als auch im europäischen Markt bieten.“ Berlin sei in diesem Punkt mit einer eigenen Fashion Week auf einem guten Weg, Hamburg müsse etwas Ähnliches entwickeln. „Außerdem sollte die Stadt mehr Möglichkeiten für junge Modeunternehmen bieten und bewusst die Vernetzung der bestehenden Szene fördern.“

Doch wie sieht diese „Szene“ in Hamburg eigentlich aus? „Eine Modestadt braucht eine gesunde Mischung aus Finanzkraft und Subkultur. Beim Ersten ist Hamburg sicher führend, und beim Zweiten muss sich die Hansestadt wahrlich nicht verstecken“, sagt Prof. Dorothea Wenzel, Dekanin der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW), zu der die Armgartstraße mit aktuell rund 245 Modedesign-Studenten gehört. Hamburg platze förmlich vor interessanten und authentischen Orten und verwöhne damit die Kreativen. Auch Susanne Müller-Elsner, Professorin für Modedesign an der Akademie für Mode & Design (AMD), spricht von „vor Kreativität pulsierenden Stadtteilen“ wie dem Karolinen- und dem Schanzenviertel. „Die Ideenstadt boomt! Und das so sehr, dass unsere Stadt noch vor Berlin nicht nur als Kommunikations- und Medienmetropole Deutschlands gilt, sondern auch als Hochburg für Design.“ Für national und international beachtete Mode aus Hamburg stünden Dutzende Ateliers und Showrooms wie die von Uli Schneider, Sibilla Pavenstedt, Stefan Eckert, FKK, Irina Rohpeter, Silke Wilhelm oder Anna Fuchs.

An Nachwuchs fehlt es nicht
Neben der HAW und der AMD gibt es in der Stadt auch noch die private Modehochschule Akademie JAK mit rund 400 Studierenden. An Nachwuchs fehlt es also nicht. Doch da es für niemanden einfach ist, sich auf eigene Beine zu stellen, herrscht bei den Absolventen zurzeit nicht die größte Aufbruchstimmung, um ein eigenes Label zu gründen. Auch die Gentrifizierung macht es den selbstständigen Designern nicht leicht in Hamburgs Szene-Vierteln. „Ich begrüße, was in der Marktstraße passiert“, sagt Babette Peters, Direktorin von hamburgunddesign, einer Initative der Kulturbehörde, und meint damit verabredete Mieten für Ladenflächen, die aus Kostengründen gleich mit dem Atelier gekoppelt seien. Babette Peters ist es auch, die sich seit Jahren für eine bessere Vernetzung der Designer stark macht. Mitstreiter ist etwa Freddy Mouchawrab, der in seiner Etage Eins in der HafenCity nicht nur Designern aus Hamburg, sondern aus ganz Deutschland eine Plattform bietet. „Die Künstler, die hier leben und die ihre Inspiration aus der Stadt ziehen, bringen meist eine große Ernsthaftigkeit mit. Viele verstehen sich auch als Unternehmen, haben die Kunden im Blick.“ Der 36-Jährige war maßgeblich an Veranstaltungen wie den „Hamburg Fashion Days“ beteiligt.

Die Hansestadt verwöhnt die Kreativen mit interessanten und authentischen Orten.

Er ist froh, dass auch die Hamburger Wirtschaftsförderung auf die Branche aufmerksam geworden ist. Und er freut sich ehrlich, dass überdies die Hamburg Marketing GmbH das Potenzial der Mode entdeckt hat. „Weil die Designer bewiesen haben, dass sie Anziehungspunkt für Touristen sein können.“ Von Vergleichen mit anderen Städten hält er wenig. Es ginge darum zu zeigen, was man könne. Und das sei sehr tragbare Mode mit Details, „deren Raffinesse und Einzigartigkeit sich erst auf den zweiten Blick erschließen“, findet Mira M. Hische, die mit ihrem noch jungen Projekt DesignOort „Hamburger Mode für Hamburger erlebbar machen“ will. Vor einem Jahr mit rund zehn Labels im ersten Popup- Store gestartet, arbeiten sie und ihre Partnerin Cindy Steffens mittlerweile mit mehr als 20 Neuentdeckungen zusammen. „Hamburg ist eher der ,Hidden Champion‘, aber das sind ja bekanntlich die durchaus erfolgreicheren“, sagt sie selbstbewusst. Und so ist die Modebranche in Hamburg ein wenig wie der Modestil der Hanseaten: nicht laut, sondern zurückhaltend. Aber auch geprägt vom Wissen um die eigenen Qualitäten.

 

Text: Alexandra Maschewski         Fotos: Haslett, Jan Leschke
Alexandra Maschewski ist eine der anerkanntesten Modejournalistinnen der Stadt. Ihre Geschichten erscheinen in der Welt am Sonntag.