Hamburg hat die größte Dichte an HIDDEN CHAMPIONS – Unternehmen, die wenig bekannt, aber Weltmarktführer in ihrer Nische sind. Ein Report aus der City.

Manche Dinge haben kein Verfallsdatum – auch wenn sie weit über 30 Jahre alt sind. Beispielsweise der Begriff Hiddenhampions – von Hermann Simon, dem ehemaligen BWL-Professor und Wirtschaftsberater in den 1990er-Jahren erstmals so betitelt und seither kontinuierlich weiter erforscht. Gemeint sind per Defifinition deutsche Mittelständler, die es dank erfolgreicher Spezialisierung und konsequenter Internationalisierung zum Marktführer sogar Weltmarktführer in ihrer Branche gebracht haben und damit wesentlicher Stabilitätsanker der deutschen Wirtschaft sind. Allerdings sind sie der Allgemeinheit aufgrund ihres Nischen-Erfolges zumeist nur wenig bekannt – Helden im Verborgenen eben.

Erhebungen zeigen, in Hamburg gibt es nach aktuellem Stand 77 Hidden Champions. Damit liegt die Hansestadt an der Spitze noch vor Berlin (66) und München (61). Insgesamt gibt es ungefähr 1600 Hidden Champions in Deutschland. Viele davon sind inhabergeführte Familienunternehmen. Weltweit gibt es zwar etwa 3400 Hidden Champions, davon sind aber fast die Hälfte im deutschsprachigen Raum angesiedelt. Mit 350 liegt die USA auf Rang zwei, gefolgt von Japan mit 283 verborgenen Weltmarktführern. „Kein anderes Land hat so viele Hidden Champions wie wir“, sagt Hermann Simon.

Gründe für diese deutsche Erfolgsgeschichte sind kurz gefasst die frühe Internationalisierung, regionale Kompetenzclusterbildung sowie das duale Berufsbildungssystem. Zudem hat die überschaubare Größe von Zielmärkten, Produktion und Mitarbeitern bei vielen dieser Unternehmen auch die Transformation ins digitale Zeitalter erleichtert. Und: Weil Know-how und Engagement der oftmals hoch qualififizierten Mitarbeiter unverzichtbar für den Markterfolg sind, werden sie entsprechend wertgeschätzt. Anreize in attraktive Personalentwicklungssysteme s ind ebenso selbstverständlich wie Investitionen in die Aus- und Weiterbildung. Als Folge der Arbeitszufriedenheit ist die Bereitschaft für den Kunden das Bestezu geben sehr groß – wie auch die Loyalität überdurchschnittlich ausgeprägt ist.

In einer Zeit wie dieser, gekennzeichnet durch einen zunehmenden Facharbeitermangel, stehen die Hidden Champions also entsprechend gut da. „Wir haben die am besten ausgebildeten Fachkräfte der Welt“, betont Simon in jedem seiner Interviews. Gewinne fließen zudem in großen Teilen zurück in die Weiterentwicklung der Firmen, weil auch in diesem Sektor Beständigkeit und langfristige Ziele vor kurzfristigen Stakeholder-Interessen stehen. Für die meisten mittelständischen Familienunternehmen ist der Börsengang deshalb ein Tabuthema.

Dass Hidden Champions eine Nische besetzen hat also Kalkül. Ihre Nische ist für Konzerne oft unattraktiv, zumal viel Innovationspotenzial notwendig ist – auch das ein großes Plus der heimlichen Weltmarktführer, die beispielsweise mehr Patente pro Jahr anmelden als die Konkurrenz. Aber natürlich haben sich in den Jahrzehnten auch die Kennzahlen verändert. Die Obergrenze des Umsatzes ist von einer Milliarde Dollar aus den 80ger Jahren auf heute fünf Milliarden Dollar gestiegen. Simon beschreibt dies mit warnendem Unterton in seinem dritten Hidden-Champion-Buch, das sich mit den „neuen Spielregeln des chinesischen Jahrhunderts“ beschäftigt. Sein Tenor: Chinesische Unternehmen vergleichbarer Größenordnung haben die dreifache Mitarbeiterzahl in Forschung und Entwicklung wie deutsche Weltmarktführer – da muss sich hierzulande dringend etwas tun.

Hamburgs Hidden Champions trotzen der Alarmstimmung längst, indem sie ihr Geschäftsmodell immer wieder an die individuellen Bedürfnisse ihrer Kunden anpassen. „Deutschland steht unter internationaler Beobachtung“, sagt Henning Fehrmann, in fünfter Generation CEO des gleichnamigen Unternehmens, das sich weg von der reinen Metallverarbeitung des 19. Jahrhunderts hin zu einer Unternehmensgruppe für Sicherheitsfenster, Aluminium-Legierungen, Lizenzverkäufer für Softwarelösungen plus KI-Forschung verändert hat. „Das sollten wir als Chance sehen und nicht als Bedrohung.“ So geht „Made in Germany“.

DIE EROBERER DER MEERE
Becker Marine Systems ist weltweit die Nummer eins im Bereich der Rudertechnik und Energiesparlösungen für Schiffe jeder Art.

Ganz gleich, auf welchem der fünf Ozeane man sich bewegt, man begegnet früher oder später mit Sicherheit einem Tanker, Containerschiff oder einem Kreuzfahrtriesen, der mit einem Ruder von Becker Marine Systems ausgerüstet ist. „Treibstoff ist teuer und je weniger ein Schiff verbraucht, desto höher ist die Effizienz. Außerdem müssen die Reedereien dafür sorgen, dass ihre Schiffe CO2 Emissionen reduzieren. Dafür forschen unsere Ingenieure in Hamburg und Rostock ständig an neuen Lösungen und arbeiten an der Optimierung von Lösungen“, sagt Geschäftsführer Henning Kuhlmann.

Alles begann mit der Entwicklung des Becker Flap Rudders (ein innovatives Flossenprinzip für mehr Ruderauftrieb) durch den Rheinschiffer Willi Becker. Um die Weiterentwicklung voranzutreiben, gründete er 1955 ein Ingenieurbüro in Hamburgs Neustadt. Seitdem hat sich Becker Marine Systems zum Hidden Champion entwickelt, ist heute führend im Bereich Energy Saving Devices, Ruderanlagen, Rudermaschinen und Daggerboards, einer speziellen Lösung für Schiffe mit Segelantrieben.

Wie heben sich die Hamburger Experten ab von der Konkurrenz? „Wir verstehen, wie Schiffbau funktioniert, entwickeln Lösungen und für die Fertigung arbeiten wir mit Partnern zusammen. Deshalb müssen wir uns nicht um Ressourcen kümmern, brauchen uns keine Gedanken zu machen, ob wir Material in der Werkstatt haben oder nicht. Das ist ein Schlüssel des Erfolgs, der seit der Gründung von Becker Marine Systems relevant ist“, erklärt Kuhlmann. Zudem ist das Unternehmen sehr stark international international ausgerichtet, mit Büros in China, Korea, Singapur, Japan, den USA und Norwegen. Ein weiterer Punkt ist agiles Handeln: „Wir verlassen uns nicht auf Fördermittel oder darauf, dass der Staat uns Dinge zur Verfügung stellt. Wenn wir eine gute Idee haben, dann investieren wir in diese Idee und setzten sie um.“

Für den Firmenchef, der seit 2003 bei Becker Marine Systems an Bord ist, hat der Begriff Hidden Champion einen besonderen Stellenwert, nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht. „Es hat tatsächlich eine große Bedeutung für mich, insbesondere emotional. Wir sind in einem Spezialbereich tätig. Klar, die Leute aus der Schiffbauindustrie und von den Reedereien, die kennen uns alle. Aber der Hamburger, der vielleicht mit seinem Fahrrad an unserem Gebäude vorbeifährt, der weiß nicht, dass wir einen großen Beitrag für die globale Schifffahrtindustrie und die Umwelt leisten. Und das finde ich schade.“

Um zukünftig noch stärker auf dem Weltmarkt zu sein, hat sich Becker Marine Systems einen strategischen Partner an die Seite geholt. Das japanische Unternehmen Nakashima Propeller ist auch Weltmarktführer – in der Schiffspropellerfertigung. „Die Hochzeit hat einen langen Anlauf gehabt. Wir arbeiten bereits seit den 70er Jahren zusammen.“ Jetzt haben sich die zwei Weltmarktführer zusammengetan, um ihre Position als Hidden Champions zu stärken und die Meere weiter zu erobern.

DIE DENTAL-SPEZIALISTEN
DMG besitzt m mehr als 100 Patente und gehört zu den führenden Herstellern von Dentalprodukten in der Welt.

Für Wolfgang Mühlbauer stand schon frühzeitig fest, dass er ins Familienunternehmen einsteigen würde. Vater Ernst war in der Firma des Onkels beschäftigt, in der Dentalmaterial hergestellt wurde. Als das Unternehmen schließen musste, gründete Ernst Mühlbauer 1963 die DMG – Dental Material Gesellschaft. An jenem Tag wurde auch Sohn Wolfgang geboren, der heute das weltweit tätige Unternehmen in der zweiten Generation leitet.

Die DMG entwickelte sich nach der Gründung schnell zu einem der innovativsten Produzenten von Dentalmaterialien. Erste Meilensteine waren die verschweißten, selbstaktivierenden Amalgamkapseln, die Composite-Produktion sowie Patente für Compomere. Mit der Einführung von Luxatemp, dem ersten temporären Kronenund Brückenmaterial aus der Kartusche, stieg die Firma zum Marktführer auf. In den USA wurden die DMG-Entwickler anerkennend „the cartridge people“ genannt.

Schon mit 18 Jahren erledigte Wolfgang Mühlbauer die ersten Jobs im Familienunternehmen. „Es war für mich ganz klar, in welche Richtung meine Ausbildung mal gehen sollte“, sagt er. Als der Vater im Jahr 1998 verstarb, übernahm der promovierte Chemiker den Betrieb an der Elbgaustraße. Dass er schon einige Stationen im Unternehmen durchlaufen hatte, war dabei von Vorteil. Inzwischen hat der passionierte Radfahrer, der auch mit dem Bike zur Arbeit fährt, das Unternehmen zu einem Global Player ausgebaut. Mehr als 500 Mitarbeiter arbeiten in inzwischen für DMG, nicht nur in der Keimzelle in Hamburg, sondern auch in China, Brasilien, Großbritannien und in den Vereinigten Staaten. Wobei am Standort Hamburg der größte Teil der Mitarbeiter arbeitet. „Wir entwickeln und produzieren unsere Dentalprodukte ausschließlich am Standort Hamburg. Dass hier alle Abteilungen vereint sind, verbindet und stärkt das Verständnis der Mitarbeiter für das große Ganze“, sagt Mühlbauer. Das ist gerade in wirtschaftlich turbulenten Zeiten ein ganz entscheidender Aspekt, um erfolgreich zu sein.

Fast zwanzig Prozent der Beschäftigten sind im Bereich Forschung und Entwicklung tätig. „Wir müssen auch in Zukunft innovativ sein. Das ist das, was wir machen und brauchen“, erklärt Mühlbauer. Aber das Entwickeln von Innovationen sei ein Rennen mit heraushängenderZunge, weil die bestehenden Produkte irgendwann kopiert werden. Dass das Familienunternehmen zu den innovativsten seiner Branche zählt, beweisen die mehr als 100 Patente, die es sein Eigen nennt. Natürlich ist auch die Digitalisierung ein wichtiges Thema für DMG. Stichwort: digitale Prothetik. In den Luruper Laboren werden seit kurzem mit Hilfe von lichthärtenden Kunststoffen Aufbiss-Schienen und Modelle für den Zahntechniker im 3D-Druckverfahren hergestellt.

MENSCHENLEBEN RETTEN WELTWEIT
Weinmann Emergency verkauft weltweit Medizintechnik für Notfälle. Ein Lebensretter-Porträt.

Als Student war er Profifi-Tennisspieler bis das Knie nicht mehr wollte. Als auch die Bandscheiben Sorgen machten, wurde er Aerobic-Trainer. Ehrenamtliche Rettungssanitätereinsätze fuhr er sogar in England. Die Ausbildung zum Pharmareferent sah er als ergänzendes Puzzleteil und Volkswirtschaft studierte er wegen des großen Ganzen. „Man kann sagen, ich bin ein beweglicher Mensch“, sagt Andrè Schulte.

Seit 2013 ist er Geschäftsführer des Medizintechnikunternehmens Weinmann. Zuvor lernte er die Firma als Projekt- und Exportmanager sowie Leiter der Business Unit Notfallmedizin kennen. Vergangenes Jahr brachte es der CEO auf 30 Jahre Firmenzugehörigkeit – gegen das 150-jährige Bestehen der 1874 von Gottlieb Weinmann gegründeten Manufaktur für feinmechanische Armaturen nur eine Randnotiz in der Geschichte. Das Unternehmen gilt als führender Anbieter von mobilen Systemen für die Notfall,- Transport und Katastrophenmedizin, dazu Schulungen und Beratungen plus Vertrieb, Service sowie technischer Support. Als Gesamtpaket einmalig im Konzert der Konkurrenz.

Das Familienunternehmen hat dank seiner internationalen Geschäfte gewachsene Beziehungen zur Ukraine aber auch zu Russland. „Unser Augenmerk gilt nicht geopolitischen Auseinandersetzungen“, sagt Schulte. „Humanitäre Hilfe im Rahmen der Regeln steht für uns über allem.“ Und Verantwortung übernehmen. Jeden Tag. In 120 Länder verkauft Weinmann seine Medizintechnik – alles „Qualität made in Germany“. In Zahlen sind das unter anderem 100 000 Beatmungsgeräte – weltweit im Einsatz. Dependancen gibt es in Atlanta, Madrid, Paris-Les-Ulis, Shanghai und Singapur. Fast 400 Mitarbeiter sind an Bord, darunter neben Ingenieuren und IT-Experten viele Mitarbeiter wie der Chef mit Erfahrungen in der Notfallmedizin. Fachpersonal eben. Auch dieses Netzwerk funktioniert über alle Grenzen hinaus – selbst in Krisenzeiten wie diesen.

SCHÖNE GLÄSERNE WELT
Von der Gießerei z zur High Tech Group: Fehrmann setzt als global Player Maßstäbe.

Stellen Sie sich vor, Sie wollen in der Europapassage shoppen gehen. Statt am Infostand oder am Aufsteller das Geschäft ihrer Wahl zu suchen, betreten Sie den gläsernen Aufzug und können schon in den Infos auf der Scheibe erkennen, wo welcher Laden zu finden ist. Eine Utopie? Nein. Im ultramodernen Dubai sind Aufzüge wie diese Normalität. „Ich war gerade auf dem Dubai AI Festival Festival 2025“, sagt Henning Fehrmann, geschäftsführender Gesellschafter der Fehrmann GmbH. „Dort kannte man schon meinen Namen, bevor ich im Hotel eingecheckt habe.“ Daten-Privacy der internationalen Art.

Datenbefüllte Glasfenster in Aufzügen passen perfekt ins Portfolio des 1895 gegründeten Hamburger Familienunternehmens. Fehrmanns Sicherheitsfenster für Spezialschiffe der Marine und der Forschung sind seit Jahrzehnten Standard in der internationalen maritimen Industrie. Seit 2018 schon bietet das Unternehmen auch Augmented-Reality-Lösungen für Schiffsbrücken an. Die Technologie übermittelt Details der Meeresumgebung auf die Frontfenster und spart dazu noch Platz, da Monitore entfallen können.

Alles begann 1895 mit einer Gießerei. Seit Uwe Fehrmann 1971 das erste reißfeste Aluminium entwickelte, ist die Fehrmann Tech Group dank Künstlicher Intelligenz zum aktivsten Entwickler von Aluminiumlegierungen der Welt gewachsen – auch für den 3D-Druck – wichtiger Baustein für Nachhaltigkeit. Die Legierungen sind korrosionsbeständig ohne die Verwendung von seltenen Erden, wichtiger Faktor in der Geopolitik. Sowieso ist die Liste der Fehrmannschen Innovationen lang. Dank Kooperationen mit Fraunhofer- und Helmholtz-Instituten sowie anderen Forschungsstellen entwickelt das Unternehmen stetig Neuerungen, die weltweit einmalig sind. Gamechanger eben.

Seit 2008 treibt Fehrmann vor allem die Innovationsführerschaft voran, macht das Unternehmen zunehmend auch von den internationalen Energiepreisen unabhängig. „Wir verdienen unser Geld inzwischen mit Lizenzen“, sagt er. 2020 gründete er eine KI-basierte Firma, die die Materialentwicklung von fünf Jahren auf fünf Tage reduzieren will: „Wir sind aktuell bei zwei bis vier Wochen. Mit diesen Tools sind wir weltweit die Nummer 1.“

Das Familienunternehmen wirtschaftet solide, ist in Deutschland verankert und hat sich eine internationale Reputation erarbeitet.“ Auch weil sich wegen der zunehmenden geopolitischen Krisen die Länder verteidigungsfähig machen wollen, sind die Auftragsbücher prall gefüllt. „Wir dürfen uns als Land nicht so klein machen“, sagt Fehrmann. In Dubai ist ihm eines klar geworden: „Ich weiß nicht, wer uns technologisch das Wasser reichen soll“, sagt er. Seine Botschaft: Bloß nicht von der derzeitigen Alarmstimmung blenden lassen. B2B-Lösungen aus Deutschland beeindrucken nach wie vor weltweit.

HIGHTECH FÜR DIE GESUNDHEIT
Fette Compacting ist ein Paradebeispiel für einen Hidden Champion. Mit seinen Hightech-Maschinen wird fast jede zweite Tablette weltweit gepresst.

Ein Weltmarktführer aus dem schleswig-holsteinischen Schwarzenbek? Jawohl, Fette Compacting, das zur LMT Group gehört, ist ein echter Hidden Champion. Das wissen vermutlich nur Kenner der Maschinenbau- und Pharmabranche. Doch die imponierenden Zahlen sprechen für sich: Das Unternehmen, das Hochleistungsmaschinen und Werkzeuge zum Pressen von Tabletten herstellt, ist weltweit führend in seinem Segment und hat mehr als 6.000 Maschinen an Kunden in der ganzen Welt geliefert. „Jede zweite Tablette wird theoretisch von einerunserer Maschinen hergestellt“, erklärt Dr. Marten Klukkert, Chief Customer Offifficer bei Fette Compacting.

Das Unternehmen entstand vor mehr als 100 Jahren in Hamburg-Altona. Werkzeugmacher Wilhelm Fette startete 1908 mit dem Bau von Präzisionswerkzeugen. Mit der Präsentation der ersten selbstentwickelten Tablettenpresse 1948 begann die seit über 75 Jahre andauernde Erfolgsgeschichte. Mittlerweile hat das Technologie-Unternehmen stark expandiert. So befindet sich im chinesischen Nanjing eine zweite Produktionsstätte. Zudem verfügt Fette Compacting über ein globales Netzwerk mit fünf Competence Centern in Deutschland, Brasilien, China, Indien und den USA.

„Fette Compacting fertigt derzeit drei Maschinenserien. Zwei davon werden vollständig in Schwarzenbek entwickelt und produziert – sie bedienen primär die Märkte in Europa und Nordamerika sowie perspektivisch auch Regionen wie Indien oder Südamerika“, erläutert Dr. Marten Klukkert. „Die dritte Serie wird in unserem Werk in Nanjing gefertigt und richtet sich gezielt an den dynamisch wachsenden asiatischen Markt sowie weltweit an Anwender im Bereich Nahrungsergänzungsmittel.“

Trotz einer starken Position im Bereich Tablettenpressen geht Fette Compacting strategisch einen Schritt weiter. „Wir befinden uns in einem umfassenden Wandel vom klassischen Maschinenbauer hin zu einem ganzheitlichen Prozess-Technologiepartner“, berichtet Klukkert. „Über die Jahre haben wir tiefgreifendes Wissen über Formulierungen, Pulververhalten und Produktionsprozesse aufgebaut.“ Dieses Know-how sei inzwischen ein entscheidender Wettbewerbsvorteil: „Wir sehen mehr als 200 Produkte im Jahr. Gemeinsam mit Kunden analysieren wir Formulierungen, bewerten die Anforderungen und entwickeln passgenaue Maschinenkonfifigurationen und Prozesse.“

Die Vision des Unternehmens ist klar: Fette Compacting will seine Kunden partnerschaftlich über den gesamten Lebenszyklus eines Produkts begleiten – von der ersten Formulierungsidee im Labor bis hin zur validierten Serienproduktion. Ganz nach dem Motto: „Together – from lab to production“ .

IMPERIUM DER BRAUNEN BOHNE
Die Neumann Kaffee Gruppe ist die Nummer eins der Welt auf dem Kaffeemarkt.

An frühere Zeiten, als bei der ersten Hamburger Kaffeebörse 1887 mehr als 20 Millionen Jutesäcke Kaffee in den Lagerhäusern der Speicherstadt gehandelt wurden,erinnert heute nur noch eine kunstvoll gestaltete Kaffeebohne in Übergröße vor dem Eingang. Denn Kaffee gibt es in dem modernen Bürogebäude der Neumann Kaffee Gruppe am Sandtorkai nur noch in den Tassen und Bechern der Mitarbeiter. Das eigentliche Logistikzentrum befifindet sich längst an einem geeigneteren Standort in Wilhelmsburg ein paar Kilometer weiter südlich.

Die braune Bohne vor der Tür symbolisiert jedoch, dass sich hier weiterhin alles um Kaffee dreht. Und wie! Seit Jahren ist die Neumann Kaffee Gruppe Weltmarktführer im Kaffeehandel und trägt ihren Teil dazu bei, Hamburg zur Kaffeehauptstadt der Welt zu machen. Die Zahlen sind beeindruckend: Mehr als 3.000 Mitarbeiter, mehr als eineinhalb Milliarden Euro Umsatz im Jahr, 60Unternehmen in 28 Ländern. Das 1934 gegründete Unternehmen ist die Nummer eins der Branche. Jede siebte Tasse Kaffee, die weltweit getrunken wird, kommt aus dem Neumann-Imperium; in Deutschland ist es jede zweite. Und wann immer Kaffee der bekannten Marken Tchibo, Eduscho, Jacobs oder Dallmayr, aber auch von Discountern wie Aldi oder Lidl, irgendwo aufgebrüht wird, hat in der Lieferkette meistens die Neumann Gruppe ihre Finger im Spiel.

Dafür, dass dies so bleibt, hat sich das Unternehmen einen umfassenden Change-Prozess auferlegt. Ziel sei es, erklärt David M. Neumann, CEO und Chef in dritter Generation, „intelligent durch die Herausforderungen und Möglichkeiten der Gegenwart und Zukunft zu navigieren“. Der Handel mit Rohkaffee ist dabei nur ein, wenn auch wichtiger, Teil der Leistungen, die die Neumann Gruppe rund um das Thema Kaffee anbietet. Tatsächlich gehören zum Firmenimperium auch eigene Farmen, Mühlen, Import & Export-Firmen, Agenten und Niederlassungen sowie Dienstleistungen wie Risikomanagement, Finanzierung und Versicherungen.

Schon vor fünfzehn Jahren hatte David M. Neumann angekündigt: „Wirwolle n mehr Partner als Lieferant sein.“ Leichter geworden ist das Kaffee-Geschäft seitdem ja nicht. Der globale Handel ist abhängig von zahlreichen Faktoren und in komplizierte Abhängigkeiten verstrickt. Gerade beispielsweise explodiert der Preis für Kaffee gewaltig; Klimawandel, politische Konflikte und die wachsende Bedeutung von nachhaltigem Handeln sind Gründe, weshalb sich der Preis für Rohkaffee innerhalb weniger Tage verdoppeln kann. Nur mit Know-how und der Bereitschaft zu Veränderung lassen sich solche Phänomene bewältigen. Neumann sagt: „Unser Ziel ist, es auf Jahre unsere Position als Weltmarktführer zu sichern.“ Deshalb ist die Kaffeebohne vor der Zentrale am Sandtorkai die einzig sichtbare Erinnerung an die Vergangenheit.

TEXT: Martina Goy   FOTOS: FETTE COMPACTING, NEUMANN KAFFEE GRUPPE<