„Warum ist überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?“ Diese 1714 von Gottfried Wilhelm Leibniz gestellte Frage hat sich in den Naturwissenschaften als Kausalitätsprinzip einen bleibenden Platz gesichert, und auch die Philosophen beschäftigen sich gerne damit, und gerne auch komplizierter formuliert, so wie 1920 von Martin Heidegger: „Warum ist überhaupt Seiendes?“

In der Ökonomie ist die Antwort deutlich prosaischer: Wenn da etwas ist, dann hat es irgendwann mal jemand erfunden und jemand hergestellt, und ganz offensichtlich hat dieses Etwas so viel Anklang gefunden, dass wir es auch heute noch nutzen, oder zumindest darüber reden.

Manche von diesen Jemands kennen wir alle: Steve Jobs hat das Smartphone erfunden, Carl Benz das Auto und Fürst Pückler das gleichnamige Eis. Aber schon da wird es komplex: Smart waren Phones schon, bevor Apple in den Markt einstieg, und das Schoko-Erdbeer-Vanille-Eis wurde zwar Anfang des 19. Jahrhundert gerne von Hermann Fürst von Pückler-Muskau gegessen, aber erdacht hatte es wohl ein Konditormeister Schulz (oder Schultz?) aus Muskau (oder Cottbus?). Mehr ist von diesem Meister nicht überliefert – ein hidden champion eben.

So geht es vielen, die irgendwann einmal ein Gericht oder ein Rezept oder ein Nahrungsmittel erstmals in die Welt gesetzt haben. Das Produkt kennt jeder: Pizza, Kiwi, Ciabatta. Aber die Jemands dahinter kennt keiner. Wer weiß schon, dass die erste Pizzeria Deutschlands 1952 von Nicolino di Camillo in Würzburg eröffnet wurde? Oder dass die Kiwi 1959 vom neuseeländischen Obst-Exporteur Jack Turner so getauft wurde, weil er bei ihrem ursprünglichen Namen „Chinesische Stachelbeere“ Probleme bei US-Käufern befürchtete? Oder dass Ciabatta-Brot 1982 von dem Bäcker Arnaldo Cavallari in Rovigo in der Provinz Venetien erfunden wurde? Immerhin wissen Sie es jetzt.

Und das ist nicht immer so einfach. So galt etwa die Tomate noch bis ins 18. Jahrhundert als giftige Pflanze. In den USA war es ein gewisser Robert Gibbon Johnson, der am 26. September 1820 in der Stadt Salem im Bundesstaat New Jersey vor 2.000 Zuschauern einen Korb voller Tomaten verzehrte und damit ihre Unschädlichkeit bewies. Wie schon die Engländer immer sagten: „The Proof of the Pudding is in the eating.“ Bevor man sich jetzt aber an den berühmten „Christmas Pudding“ heranmacht, sollte man wissen, dass sich in ihm neben Zucker und Rosinen auch Rinderfett und Schnaps verstecken. Prost Weihnacht!

Dass der Weihnachtsmann von Coca-Cola erfunden wurde, hat sich ja inzwischen herumgesprochen. Aber natürlich erfindet nicht einfach ein Konzern etwas – dahinter stehen immer Menschen. In diesem Fall war es der schwedische Grafiker Haddon Sundblom, der von Coca-Cola den Auftrag bekommen hatte, eine Werbekampagne mit Santa Claus zu machen. Und es war der Mann, der dafür Modell stand: der pensionierte Coca-Cola-Verkaufsfahrer Lou Prentice, den Sundblom für sein Motiv in die rot-weißen Firmenfarben kleidete. Sein Begleiter, das rotnasige Rentier Rudolf, kommt zwar auch aus den USA, aber nicht von Coca-Cola: Es wurde 1939 von dem Werbetexter Robert May erfunden, als Hauptperson eines Weihnachts-Malbuchs der Kaufhauskette Montgomery Ward.

Gottfried, Martin, Steve, Carl, Arnaldo, Robert – gibt′s denn keine weiblichen hidden Erfinderinnen? Doch doch: Beispielsweise Marion und Caterina: Marion Donovan, die 1946 die Wegwerfwindel erfand. Für die Kunststoff-Außenseite der Windel-Prototypen hatte sie ihren Duschvorhang in handlich-taugliche Teile zerschnitten. Und Caterina de’ Medici erfand 1533 – den Absatz an Frauenschuhen. Für ihre Hochzeit mit Heinrich von Orléans wollte die damals erst 14 Jahre alte Caterina nicht zu zierlich wirken.

Manchmal muss die hidden Erfinderin sogar für immer verborgen bleiben. So wie „Mrs. Samuel Slater“, jene Frau, die 1793 für die Herstellung von Baumwollnähfäden das erste US-Patent bekam, das jemals an eine Frau vergeben wurde. Wie sie selbst hieß, wurde nicht überliefert.

Detlef Gürtler ist Wirtschaftsjournalist und Buchautor. Er lebt in Berlin und im spanischen Marbella.

ILLUSTRATION: RAPHAELA SCHRÖDER