Eigentlich sind Zahlen sowie Bits und Bytes ihr Metier, doch als Geschäftsführerin des Großmarkts hat ELIANE STEINMEYER auch ihre Liebe zu Früchten Gemüsen und Blumen entdeckt.

Nils-Kim Porru bekommt ganz glänzende Augen, als er seine „Koch-Kiste“ zum Termin schleppt. Der Großmarkt ist das Paradies für Köche und Eliane Steinmeyer seine Geschäftsführerin. Leuchtende Kürbisse und braune Pilze in Hülle und Fülle neben Bergen von Tomaten, Gurken und Kartoffeln, duftenden Kräutern und glänzenden Äpfeln sowie Kohl in allen Arten, Formen und Größen vom kleinen Rosen- bis zum enormen Weißkohl, alles gibt es hier im Überfluss. Und Blumen, in Mengen und in allen Farben. Für ihn allerdings nur zum flüchtigen Angucken, denn wegen Corona sind Rundgänge und Besichtigungen im Moment nicht zugelassen. Aber sicher ist: Er wird die Einladung annehmen, später einmal wieder zu kommen und zu baden in den Düften und Bildern all der herrlich frischen Früchte, Gemüse und Blüten.
Gekocht wird heute ausnahmsweise in der Pantry eines kleinen Konferenzraums, alles anderes ist gesperrt für Besucher. Vorbereitet hat Porru die Vorspeise eines Drei-Gänge-Menüs, das demnächst auch beim Dinner-Club serviert werden soll. Dann kommt noch der Hauptgang dazu, Seeteufelfilet mit Curry, Blumenkohl und Süßkartoffeln plus Kirschcreme mit Zimteis und Orange als Dessert. Eliane Steinmeyer läuft das Wasser im Mund zusammen, als sie von der Speisenfolge hört, ist sie doch schon von der Vorspeise ganz begeistert: Marinierte Maishähnchenbrust, gebraten, mit Avocado und Hummus, einem Püree aus Kichererbsen, Sesampaste, Olivenöl, Limettensaft und Knoblauch.
Dazu gehört noch eingelegtes Gemüse – Karotten in Gelb und Orange, Gurke und weißer Rettich – eine kleine Kartoffelhippe und ein Stückchen Hühnerhaut von intensivem Geschmack. Dafür legt Porru die abgelöste Haut des Hähnchenfilets zwischen Backpapier, beschwert das ganz mit einem Topf und brät sie langsam kross. Knuspert ganz köstlich. Die Marinade besteht aus einem Dressing aus Koriander, Knoblauch, Chili, braunem Zucker, Öl, Limettensaft und Fischsoße. Der Kaisergranat neben dem Huhn ist noch mit etwas Zitronenbutter übergossen. Eine aufwändig hergestellte Vorspeise! „Unglaublich lecker“, kommentiert Steinmeyer.
Sie ist beeindruckt. „Ich komme nur selten zum Kochen. Aber ich mag Hausmannskost, gern Aufläufe, vor allem mit viel Gemüse.“ Welch Wunder, wenn man den ganzen Tag auf saftige Tomaten und knackfrische Zwiebeln guckt! Sie schichtet Brokkoli, Paprika, Pilze und was es sonst noch gerade gibt in eine Auflaufform, überbackt alles mit Käse und gibt gern ein kurz gebratenes Stück Fleisch dazu. Ihr Lieblingsgemüse ist Spargel, allerdings weniger im Auflauf, dafür lieber Auberginen.
„Während des Lockdowns hatte ich das Gefühl, dauernd in der Küche zu stehen. Das war dann auch irgendwann genug“, sagt sie und lächelt das Lächeln von Frauen, die keine Hausfrauen sind. Sie geht häufig essen, gern auch im Alten Land, wo sie mit Mann und vier Monate altem Beagle-Baby wohnt, in Buxtehude im „Navigare“ oder in Stade im neu eröffneten China-Restaurant „VU“. Während des Lockdowns musste sie den Großmarkt umstrukturieren. „Die Hälfte unserer 36 Mitarbeiter hat umschichtig Homeoffice gemacht, der Rest war präsent“, erzählt sie. Denn wenn alle in Quarantäne gemusst hätten, wäre der anderen Hälfte der Großmarkt funktionsfähig geblieben.“ Nicht auszudenken, was ein geschlossener Großmarkt für die Versorgung Hamburgs bedeutet hätte!
Der grüne Bauch der Stadt erwacht erst in der Nacht so richtig zum Leben. Rund 350 Händler für Obst, Gemüse und Blumen beschicken die 27 Hektar große Fläche, verkaufen ihre Waren im Wert von mehr als zwei Milliarden vor allem an Wochenmarkt- Händler, selbständige Einzelhändler und die Köche großer Restaurants. „Als die Restaurants schließen mussten, ist der Absatz natürlich eingebrochen“, sagt Eliane Steinmeyer. „Aber der Einzelhandel hat mehr geordert, weil mehr zuhause gekocht und gegessen wurde.“ Sogar die großen Supermärkte und Discounter, die über eigene Logistikketten verfügen, kamen zum Großmarkt, weil sie mit Lieferschwierigkeiten zu kämpfen hatten. „Manchmal haben die Händler auch untereinander gehandelt; wenn einer Ausfälle hatte, hat er beim Kollegen gekauft, um seine Kunden beliefern zu können“, erzählt sie. Was trotz allem an Umsatz verloren hat: Essbare Blüten und Babygemüse. Damit wird in privaten Haushalten eher selten gekocht oder dekoriert.
Am Tag geht es in den weiten Hallen eher ruhig zu. Richtig rund geht es in der Nacht zwischen null und sechs Uhr. Steinmeyer liebt das Gewusel. Auch wenn hier hunderte Menschen arbeiten, man kennt sich doch untereinander. Viele Händler kommen seit Generationen auf den Großmarkt, viele Abnehmer sind ebenfalls treue Kunden. Aber es gibt hier wie auch in anderen Branchen Nachwuchsprobleme. Die Arbeitszeiten sind nicht für jeden das Richtige. „Aber wenn man sich daran gewöhnt hat, kommt man damit zurecht“, weiß Steinmeyer, deren Arbeitszeiten mehr dem Bürorhythmus ihrer Geschäftspartner entsprechen.
Für sie war der Job jedenfalls eine Umstellung, „denn eigentlich bin ich Spätschläferin“. Aber die Kommunikation mit Computern fand sie auf die Dauer zu einsam, hat sie mal einen Wechsel begründet. Die Gefahr des Alleinseins mit elektronischem Gerät besteht auf dem Großmarkt zwischen den ganzen Ständen mit Zitronen, Bohnen und Melonen, zwischen Käufern und Anbietern, Zimmerlinden und Zinnien jedenfalls nicht. Schon gar nicht, wenn sich im September die Hallen in einen Bienenstock verwandeln.
Dann ist ein Wochenende lang nämlich Foodmarket, zu dem das Publikum in das wegen seiner gewellten Dachkonstruktion denkmalgeschützte Gebäude strömt. Dann verkaufen Hersteller von Fisch-, Fleisch- und Geflügelprodukten ihre Waren, von Brot und Senf, von Wurst und Käse, von Honig und Marmelade. Hamburger Gastronomen, darunter mancher Sternekoch, bieten dazu Köstlichkeiten zu Champagner und Wein an – und die Häppchen gehen weg wie Porree und Pastinaken, wie Ingwer und Knoblauch, wie Feigen und Kirschen sonst an den Ständen der Marktbeschicker. Kirschen sind übrigens das Lieblingsobst von Eliane Steinmeyer. Nicht nur die Vorspeise vom Dinner-Club-Menü hat ihr gefallen, die Kirschcreme zum Dessert wird das Tüpfelchen zum i sein.

 

Eliane Steinmeyer, vor 52 Jahren in Hamburg geboren und in Flughafennähe aufgewachsen, ist zwar begeisterte Hobbypilotin, wollte die Fliegerei aber nicht zum Beruf machen. Sie studierte Finanzwissenschaften in Münster und machte eine Zusatzausbildung als Programmiererin, entwickelte in der Oberfinanzdirektion die Software für die Warenein- und -ausfuhr, wechselte zum Landesamt für Informationstechnik und war dort für den Einkauf und später das Kundenmanagement zuständig. Für eine berufliche Neuorientierung bewarb sie sich auf den Posten der stellvertretenden Geschäftsführerin beim Landesbetrieb Großmarkt Obst, Gemüse und Blumen der Stadt Hamburg. 2015 rückte sie zur Chefin auf. Sie ist verheiratet mit einem IT-Spezialisten und lebt mit ihm in Mittelnkirchen im Alten Land.

 

Text: Gisela Reiners Fotos: Martina van Kann